Kon­zer­tier­te Akti­on gegen Preistreiberei?

ISO-Info­abend am 25. Novem­ber 2022

R. G.

Der Info­abend der ISO Rhein-Neckar am 25. Novem­ber 2022 setz­te sich erneut mit der Teue­rung aus­ein­an­der. Schließ­lich lag die Infla­ti­ons­ra­te im Okto­ber erneut über 10 Pro­zent. Eine Bes­se­rung ist nicht in Sicht, und immer mehr Men­schen gera­ten in Not.

IGM-Warnstreik beim Benz in Mannheim, 4. November 2022. (Foto: helmut-roos@web.de.)

IGM-Warn­streik beim Benz in Mann­heim, 4. Novem­ber 2022. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Unse­rem Refe­ren­ten gelang es, zum The­ma kon­zer­tier­te Akti­on einen aktu­el­len und zugleich geschicht­li­chen Bogen zu span­nen. Zu Beginn ging er kurz auf die offi­zi­el­le Infla­ti­ons­be­rech­nung ein. Danach blick­te er zurück auf die ers­te kon­zer­tier­te Akti­on der 1960er Jah­re, um schließ­lich die aktu­el­le Gewerk­schafts­po­li­tik zu beleuchten.

Infla­ti­ons­ra­te und rea­le Teuerung
Zuerst stell­te er die vom Sta­tis­ti­schen Bun­des­amt ermit­tel­te Infla­ti­ons­ra­te und deren Unzu­läng­lich­kei­ten dar. So täu­sche der soge­nann­te Waren­korb vor, dass alle Men­schen gleich betrof­fen sei­en. Dabei wären ärme­re Men­schen durch die Teue­rung von Lebens­mit­teln und Ener­gie viel stär­ker belas­tet als Reiche.

Eine wei­te­re wich­ti­ge Zahl sei der soge­nann­te Ver­brau­cher­preis­in­dex. Die­ser ver­glei­che den Anstieg der Prei­se seit dem Jahr 2015. Aktu­ell betra­ge er mehr als 20 Pro­zent. Die rea­le Kauf-kraft der aller­meis­ten Men­schen sei aber in die­sem Zeit­raum nicht ent­spre­chend gestiegen.

Wider­sprüch­li­che Gewerkschaften
Die ers­te kon­zer­tier­te Akti­on von 1967 soll­te die dama­li­ge Wirt­schafts­kri­se „gemein­schaft­lich“ durch Regie­rung, Kapi­tal und Gewerk­schaf­ten über­win­den. Ab den 1990er Jah­ren habe es meh­re­re Ver­su­che gege­ben, „Bünd­nis­se für Arbeit“ zu bil­den, zuletzt 2014 das „Bünd­nis Zukunft der Industrie“.

Mit der aktu­el­len kon­zer­tier­ten Akti­on woll­ten die Herr­schen­den ange­sichts der Infla­ti­on erneut eine „gemein­schaft­li­che“ Kri­sen­be­wäl­ti­gung. Die Gewerk­schafts­füh­run­gen hät­ten sich dar­auf „sozi­al­part­ner­schaft­lich“ und bereit­wil­lig eingelassen.

Am deut­lichs­ten wer­de dies bei der IGBCE. Sie tre­te für gute Rah­men­be­din­gun­gen für die che­mi­sche Indus­trie ein, weil sie glau­be, nur so Arbeits­plät­ze erhal­ten zu kön­nen. Des­we­gen for­de­re die IGBCE-Spit­ze bezahl­ba­re Ener­gie und staat­li­che Hil­fe für Unter­neh­men. Dar­um sei sie auch zu nied­ri­gen Lohn­ab­schlüs­sen bereit.

Auf der ande­ren Sei­te müs­se sie aber auch die Inter­es­sen ihrer Mit­glie­der ver­tre­ten. Mit der Nut­zung der steu­er­frei­en Ein­mal­zah­lun­gen sei ihr das tarif­po­li­tisch gelun­gen. Die meis­ten Beschäf­tig­ten wür­den mit dem Tarif­ab­schluss kurz­fris­tig ihre Kauf­kraft ansatz­wei­se gesi­chert sehen. Sie sei­en ange­sichts von Krieg und Kri­se sowie ihrer feh­len­der Kampf­erfah­rung damit zufrieden.

Kri­ti­sche Diskussion
In der anschlie­ßen­den Dis­kus­si­on wur­den ein­zel­ne The­men ver­tieft. Ein Bei­trag erläu­ter­te, war­um das Wort Infla­ti­on durch Preis­trei­be­rei ersetzt wer­den müss­te. Schließ­lich sei­en Preis­er­hö­hun­gen kein Natur­ge­setz, son­dern eine bewuss­te Ent­schei­dung der Unter­neh­men, um ihre Pro­fi­te zu sichern.

Im wei­te­ren Ver­lauf ging es auch um die aktu­el­le Tarif­po­li­tik der Gewerk­schaf­ten. Die jüngs­ten Tarif­ab­schlüs­se in der Che­mie- und der Metall­in­dus­trie sei­en nahe­zu iden­tisch und wür­den vor allem den Unter­neh­men nut­zen. Bei­de hät­te eine lan­ge Lauf­zeit, wür­den Real­lohn­ver­lust akzep­tie­ren und sei­en durch die steu­er­frei­en Ein­mal­zah­lun­gen geschönt worden.

Ein wei­te­rer wich­ti­ger Punkt der Dis­kus­si­on war, dass man die Teue­rung nicht iso­liert sehen dür­fe. Sie ste­he im Zusam­men­hang mit der Kri­se des kapi­ta­lis­ti­schen Sys­tems und mit den Ver­su­chen, das poli­ti­sche Rad zum Bei­spiel bei Rüs­tung und Atom­kraft zurückzudrehen.

Aktiv gegen Kapi­tal und Faschisten
Zum Schluss ging es um die Fra­ge, wie aktu­ell Gegen­wehr ent­wi­ckelt wer­den kön­ne. Ein Hemm­nis sei sicher­lich die wirt­schafts­ori­en­tier­te Burg­frie­dens- und Ver­zichts­po­li­tik der Ge- werk­schafts­spit­zen. Genau­so schwer wie­ge die weit­ge­hen­de Läh­mung der arbei­ten­den Klas­se. Hin­zu kom­me noch die feh­len­de Anzie­hungs­kraft der poli­ti­schen Lin­ken. Die­ser gelän­ge es zudem nicht, ihre Zer­split­te­rung zu über­win­den und gemein­sam eine soli­da­ri­sche Bewe­gung gegen Preis­trei­be­rei aufzubauen.

Die­se Gemenge­la­ge schaf­fe den Frei­raum für das Ent­ste­hen einer faschis­ti­schen Mas­sen­be­we­gung. Umso wich­ti­ger sei es dar­um, sich an Bünd­nis­sen und Aktio­nen der soli­da­ri­schen Gegen­wehr gegen Preis­trei­be­rei zu betei­li­gen. In Mann­heim kön­ne man dies im Akti­ons­bünd­nis „Soli­da­ri­tät statt Preis­trei­be­rei!“ und bei den anste­hen­den Aktio­nen am 6. Dezem­ber tun.

Auch die­ser ISO-Info­abend konn­te wie­der sehr gut Infor­ma­ti­on, Dis­kus­si­on und Pra­xis mit­ein­an­der ver­bin­den. Gera­de des­we­gen sind die­se Aben­de loh­nend und nütz­lich für das poli­ti­sche Engagement.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Dezem­ber 2022
Tagged , , , , . Bookmark the permalink.