O. H.
In Avanti² vom Mai 2017 haben wir den ersten Teil dieses Textes (zum „theoretischen Klassenkampf“) veröffentlicht.
Hier folgt nun der zweite und letzte Teil zum „wirtschaftlichen“ und zum „politischen Klassenkampf“ aus der Sicht von Marx und Engels.
2. Der praktisch-ökonomische Klassenkampf
Der praktisch-ökonomische Klassenkampf des Proletariats richtet sich gegen die wirtschaftliche Macht der Bourgeoisie. Vorrangiges Ziel dieses Teils des Klassenkampfes ist die tatsächliche Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der arbeitenden Massen schon vor dem Sieg der Revolution, also noch innerhalb des Kapitalismus und der bürgerlichen Gesellschaft.
Wie die proletarische Partei für den politischen Kampf, so ist die Gewerkschaft notwendig für den ökonomischen Kampf. Sie soll gleichzeitig Organisatorin und Schule des Klassenkampfes sein. Ihr Existenzrecht ist politisch mit der Koalitionsfreiheit durchgesetzt worden.
Der doppelte Zweck der gewerkschaftlichen Koalition liegt in der Aufhebung der Konkurrenz unter den ArbeiterInnen einerseits und der Schaffung einer allgemeinen Front gegen die KapitalistInnen andererseits.
Die Hauptaufgaben bei der Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der ArbeiterInnen waren (und sind) die Verkürzung der Arbeitszeit, insbesondere die Einführung des Achtstundentages, der Kampf um höhere Löhne und verbesserte Arbeitsbedingungen - vor allem für Frauen und Kinder, für deren Arbeit ein Mindestalter gefordert wurde. Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie eine allgemeine Sozialgesetzgebung waren von Anfang an Kernthemen der Gewerkschaftsbewegung.
Marx und Engels bewerteten solche Regelungen als Fortschritte, obwohl das Proletariat oft viel weitergehende und vor allem viel radikalere Forderungen erhoben hatte.
Marx und Engels kritisierten offen die meist nur langsam stattfindenden Verbesserungen der Arbeits- und Lebensbedingungen der arbeitenden Klasse. Sie ließen auch keinen Zweifel an der Unvollkommenheit fast aller Regelungen, die zumindest zum Teil aus der Furcht der Bourgeoisie vor dem Proletariat resultierten.
Die Hauptkampfform zur Durchsetzung von ökonomischen Forderungen ist der Streik, der die KapitalistInnen an ihrem schwächsten Punkt trifft – der Produktion selbst und ihrem Streben nach Profit.
3. Der politische Klassenkampf
Die dritte Form des proletarischen Klassenkampfes ist der politische Kampf. Er wird in erster Linie von proletarischen Parteien geführt, deren Aufbau und Existenz Marx und Engels zufolge von zentraler Bedeutung war (und ist).
Sie gingen davon aus, dass eine sozialistische Gesellschaft erst auf den fortschrittlichen wirtschaftlichen Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft aufgebaut werden kann. Deshalb müsse es auch ein wichtiges Ziel proletarischer Parteien sein, gegen reaktionäre Tendenzen, Strömungen und Herrschaftsformen zu kämpfen.
Dies geschehe zusammen mit der Bourgeoisie und dem Kleinbürgertum, sofern diese gegen die absolute Monarchie und das feudale Grundeigentum auftreten.
Solange Presse- und Redefreiheit, Koalitionsfreiheit oder allgemeines Wahlrecht noch nicht erkämpft worden sind, unterstütze die proletarische Partei grundsätzlich alle Bewegungen, um diese durchzusetzen.
Dabei sollen die Einzelheiten der Politik an die tatsächlichen Umstände in den jeweiligen Ländern angepasst werden. Jede proletarische Partei müsse sich national und international organisieren.
Wenn sich die bürgerliche Gesellschaft durchgesetzt hat, verändert sich der politische Kampf des Proletariats. Er geht über vom Kampf gegen vorbürgerliche Gesellschaftsformen zum Kampf gegen die bürgerliche Gesellschaft und ihre herrschenden Klasse selbst.
Die Forderung nach Einführung der allgemeinen Wehrpflicht dient der Ausbildung der ArbeiterInnen an der Waffe und soll die Fähigkeit zur Selbstorganisation und Selbstverteidigung ermöglichen.
Gleichwohl hat die proletarische Partei, parlamentarisch und außerparlamentarisch, offensiv den Kampf gegen den Krieg zu führen. Dieser besitzt einen Doppelcharakter als Herrschaftskrieg nach außen (gegen andere Staaten) und nach innen (zur Unterdrückung der arbeitenden Klasse). Krieg und Bürgerkrieg sind die letzten Mittel der herrschenden Klasse, um eine soziale Revolution zu verhindern.
Die Organisationen und Vereinigungen des Proletariats, insbesondere ihre Partei(en), sollen auch bei der Unterstützung anderer (politischer) Parteien und Strömungen eine absolute Selbständigkeit behalten. Sie sollen sich jeder Vereinnahmung erwehren und der Anpassung an den Reformismus widersetzen.
Marx und Engels zufolge sind die SozialistInnen „praktisch der entschiedenste, immer weitertreibende Teil“ sowohl aller Parteien als auch des Proletariats in seiner großen Masse, weil sie „theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus“ hätten.
Auch deshalb sollten sich proletarische Parteien mit eigenen KandidatInnen an Wahlen beteiligen und damit Aufklärungsarbeit leisten. Ihre Arbeit im Parlament sollten sie zur Propagierung und zur Verbreitung der eigenen politischen und sozialen Ziele nutzen.
Eine Beteiligung an einer bürgerlichen Regierung lehnten Marx und Engels ab, da der proletarischen Partei nicht nur wirkliche Gestaltungsmöglichkeiten fehlten, sondern sie zudem für alle Handlungen der gesamten Regierung verantwortlich gemacht würde.
Proletarische Parteien verteidigen nicht nur bürgerlich-demokratischen Freiheiten und Rechte im Kapitalismus, sondern versuchen sie soweit als möglich auszubauen und für die Stärkung der ArbeiterInnenbewegung und die Überwindung des Kapitalismus zu nützen.