Preis­trei­be­rei?

Auto­ma­ti­scher Inflationsausgleich!

 

M. G.

Medi­al wird die nach wie vor anhal­ten­de Teue­rung klein­ge­re­det. Fakt ist, dass sehr vie­le Mil­lio­nen Men­schen im All­tags­le­ben beson­ders unter ihr leiden.

Quelle: OECD. (Grafik: Avanti²)

Quel­le: OECD. (Gra­fik: Avanti²)

Fakt ist auch, dass weder die Fol­gen noch die Ursa­chen der Preis­stei­ge­run­gen bekämpft wer­den. Die vor­herr­schen­de neo­li­be­ra­le Poli­tik ist Die­ner der von höhe­ren Prei­sen pro­fi­tie­ren­den Kon­zer­ne. Die Gewerk­schaf­ten sind lei­der poli­tisch und orga­ni­sa­to­risch der­zeit zu sehr geschwächt, um stra­te­gi­sche Gegen­wehr leis­ten zu können.

In Deutsch­land sind die Real­löh­ne 2022 um 4,0 Pro­zent gesun­ken – so stark wie nie zuvor. Ende April 2023 teil­te dies das Sta­tis­ti­sche Bun­des­amt mit. Es kor­ri­gier­te damit sei­ne vor­läu­fi­gen Zah­len noch ein­mal nach unten.

Zwar sind die Löh­ne und Gehäl­ter nomi­nal gestie­gen. Aber die­ses Wachs­tum wur­de von der hohen Infla­ti­on mehr als auf­ge­fres­sen. Die Kauf­kraft ging damit bereits im drit­ten Jahr in Fol­ge zurück.

In Bel­gi­en hin­ge­gen sind die Real­löh­ne laut der Orga­ni­sa­ti­on für wirt­schaft­li­che Zusam­men­ar­beit und Ent­wick­lung (OECD) 2022 um 2,9 % gestie­gen (sie­he Gra­fik auf die­ser Sei­te). War­um ist das so? Die Fra­ge lässt sich leicht beant­wor­ten. In unse­rem Nach­bar­land gibt es eine auto­ma­ti­sche Anpas­sung der Ein­kom­men an die Inflation.

Vor­bild Belgien?
Es ist kaum ver­wun­der­lich, dass ange­sichts der poli­ti­schen und media­len Ver­hält­nis­se hier­zu­lan­de gro­ße Ahnungs­lo­sig­keit über die­ses hoch­ak­tu­el­le The­ma vor­herrscht. Für uns ist das Grund genug, die­sem Miss­stand ein klein wenig abzuhelfen.

In Bel­gi­en wer­den seit 1919/20 Löh­ne, Gehäl­ter und sons­ti­ge Bezü­ge wie Ren­ten auto­ma­tisch an die Preis­stei­ge­run­gen ange­passt. Das geschieht sehr zum Ärger der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on, des Inter­na­tio­na­len Wäh­rungs­fonds, der Orga­ni­sa­ti­on für wirt­schaft­li­che Zusam­men­ar­beit und Ent­wick­lung, der Rating­agen­tu­ren, der bel­gi­schen pro­ka­pi­ta­lis­ti­schen Regie­run­gen und ihrer Auftraggeber.

Wenn in Bel­gi­en der „Schwel­len­in­dex“ über­schrit­ten wird, dann ist das ein Beleg dafür, dass die Prei­se gestie­gen sind und das Leben teu­rer gewor­den ist. Auf­grund gesetz­li­cher Bestim­mun­gen müs­sen dann die Ren­ten, die Sozi­all­leis­tun­gen und auch die Beam­ten­ge­häl­ter anstei­gen, weil sie an den Index gebun­den sind. Eine gewis­se Zeit spä­ter folgt dem auch in der Pri­vat­wirt­schaft eine Anhe­bung der Löh­ne und Gehälter

Der „Schwel­len­in­dex“ errech­net sich aus den Preis­stei­ge­run­gen eines fest­ge­leg­ten Waren- und Dienst­leis­tungs­korbs. Er misst die Teue­rungs­ra­te für die Aus­ga­ben der pri­va­ten Haus­hal­te. Über­steigt sie eine bestimm­te Gren­ze, dann steigt auch der Schwellenindex.

Der den Index bestim­men­de Waren­korb beinhal­tet etwa sechs­hun­dert Pro­duk­te und Dienst­leis­tun­gen. Er wird jedes Jahr mit neu­en Waren und Dienst­leis­tun­gen bestückt, die Aus­druck eines ver­än­der­ten Kon­sum­ver­hal­tens sind.

Gewerk­schaft­li­che Gegenmacht
Vor allem die akti­ven bel­gi­schen Gewerk­schaf­ten ver­tei­di­gen die­ses Sys­tem der Kauf­kraf­ter­hal­tung gegen die fort­ge­setz­ten Angrif­fe des Kapi­tals und sei­ner poli­ti­schen Handlager.

Auch in Bel­gi­en ersetzt die auto­ma­ti­sche Anpas­sung der Ein­kom­men an die Infla­ti­on nicht das gewerk­schaft­li­che Aus­han­deln und Durch­set­zen von Ent­gelt-Tarif­ver­trä­gen. Aber es erleich- tert das enorm.

Im Sin­ne einer stra­te­gi­schen Ver­tei­di­gung der Klas­sen­in­ter­es­sen der Arbei­ten­den und Aus­ge­beu­te­ten ist die Durch­set­zung einer „glei­ten­den Lohn­ska­la“ erfor­der­lich. Sie bedeu­tet unter ande­rem Tarif­ver­trä­ge, die eine auto­ma­ti­sche Erhö­hung der Ent­gel­te par­al­lel zu den Preis­stei­ge­run­gen garantieren.

Von gro­ßer Bedeu­tung ist es aber, sich nicht auf die noch akti­ven Beschäf­tig­ten zu beschrän­ken, son­dern immer die Ein­heit der gesam­ten arbei­ten­den Klas­se im Auge zu behalten.

Ins­be­son­de­re kann das durch die Ver­bin­dung mit der For­de­rung nach kon­ti­nu­ier­li­cher Ver­kür­zung der Arbeits­zeit bei vol­lem Lohn- und Per­so­nal­aus­gleich gesche­hen. Die­se „glei­ten­de Ska­la der Arbeits­zeit“ nimmt auch die Inter­es­sen der Erwerbs­lo­sen und der pre­kär Arbei­ten­den mit in den Blick und stärkt somit mas­siv die gewerk­schaft­li­che Gegenmacht.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Okto­ber 2023
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