„Den Überlebenskampf der Menschen nicht vergessen.“
Ein Gespräch mit Claudia Omoregie*
Claudia Omoregie ist bei SEEBRÜCKE Mannheim aktiv. Wir haben mit ihr über die politisch gewollte katastrophale Situation an den EU-Außengrenzen gesprochen, über die Forderungen der Seebrücke und ihren unermüdlichen Einsatz auch in der Pandemie.
Die SEEBRÜCKE hat sich vor mehr als zwei Jahren gegründet. Was war damals der Auslöser, und wie hat sich die deutsche und europäische Asylpolitik seitdem verändert?
Die SEEBRÜCKE hat sich Ende Juni 2018 gegründet, nachdem das zivile Seenotrettungsschiff „Lifeline“ mit über 200 Menschen tagelang auf dem Mittelmeer ausharren musste. Dass Schiffe nicht in Häfen anlegen dürfen, dass Seenotrettungsrufe willentlich ignoriert werden und tausende Geflüchtete an den europäischen Außengrenzen in überfüllten Lagern mit unmen- schlichen Zuständen eingesperrt werden, ist auch jetzt noch Tatsache. Das möchte die SEEBRÜCKE ändern.
Wir solidarisieren uns mit allen Menschen auf der Flucht und erwarten von der deutschen und europäischen Politik sofort sichere Fluchtwege, eine Entkriminalisierung der Seenotrettung und eine menschenwürdige Aufnahme der Menschen, die fliehen mussten oder noch auf der Flucht sind.
Die deutsche und die europäische Asylpolitik hat sich noch mehr verschärft. Sie setzt auf Abschreckung, ignoriert Menschenrechte und nimmt in Kauf, dass Menschen sterben. Es wird verhindert, dass schutzsuchende Menschen Europa erreichen. Das geschieht auch mit Hilfe von Frontex.
Diese „Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache” hält zum Beispiel durch „Pushbacks“ schutzsuchende Menschen da- von ab, europäische Gewässer zu erreichen: Sie gibt der sogenannten libyschen Küstenwache Positionen von Booten in internationalen Gewässern durch, damit dortige Milizen die Menschen zurückholen („Pullbacks“). Deren Vorgehen wird finanziert von der EU, ohne es zu kontrollieren. Auch auf dem Balkan verletzt Frontex Menschenrechte. Sie unterstützt die kroatischen Grenzer dabei, flüchtende Menschen aus Kroatien zurück nach Bosnien zu prügeln.
Ihr habt auch nach Beginn der Corona-Pandemie viele Aktionen im öffentlichen Raum durchgeführt. Was hat Euch dazu bewogen, und welche besonderen Herausforderungen stellen sich dabei?
Corona scheint alles zu überdecken. Wir sorgen dafür, dass das Elend, die Not, der Überlebenskampf der Menschen in den Lagern und auf den Meeren nicht vergessen wird. Wir lassen auch unter Corona nicht nach, Druck aufzubauen. Die Kriminalisierung der Seenotretter*innen muss beendet und eine staatliche Seenotrettung wieder durchgeführt werden.
Bei unseren Aktionen wird auf die Einhaltung von Abstands- und sonstigen Hygieneregeln geachtet, Hände- und Flächendesin- fektionsmittel gehören genauso wie Mund-Nasen-Schutz für Menschen, die keinen haben, zu unserer „Ausstattung“. Wir rufen auch über „Soziale Medien“ hin und wieder zu Fotoaktionen auf, motivieren dazu, Transparente und Plakate in die Fenster zu hängen oder Kreidebotschaften auf den Straßen zu hinterlassen._Es gibt also viele verschiedene Möglichkeiten, auch während der Corona-Krise aktiv zu bleiben.
Für die Menschen in den Lagern, insbesondere an den EU-Außengrenzen, stellt die Corona-Pandemie eine lebensbedrohliche Gefahr neben vielen anderen dar. Worauf liegt aktuell Euer inhaltlicher Schwerpunkt?
Die Lager müssen geräumt und die Menschen hier aufgenommen werden. Es gibt alleine im in Baden-Württemberg 31 „Sichere Häfen“. Das sind Gemeinden und Städte, die bereit sind, Menschen aus den Lagern aufzunehmen. Das Bleiberecht muss gesichert und Abschiebungen müssen gestoppt werden. Wir fordern die Auflage eines Landesaufnahmeprogrammes statt Abschottung. Momentan läuft eine Petition im Rahmen der Kampagne „Sicherer Hafen BaWü“.
Wie können Interessierte Eure Arbeit unterstützen oder sich daran beteiligen?
Interessierte können sich gerne bei uns melden. Die wichtigsten Kontaktdaten sind hier zu finden.
*[Die Fragen stellte N. B.]