Spu­ren­su­che am Industriehafen

M. G.

Am Sonn­tag, den 7. Novem­ber 2021, führ­te uns unser dies­jäh­ri­ger Herbst­aus­flug zur Erkun­dungs­tour an den Mann­hei­mer Indus­trie­ha­fen. Dort gab es vie­les zu entdecken.

Wir folg­ten einem beschil­der­ten Rund­weg, den Rhein-Neckar Indus­trie­kul­tur e. V. ein­ge­rich­tet hat­te. Über 30 inter­es­san­te Bau­wer­ke – Fabri­ken, Spei­cher, Müh­len, Fabri­kan­ten­vil­len, Brü­cken, Schleu­sen … – säu­men den Weg. Ihre jewei- lige Geschich­te wird sach­kun­dig auf bebil­der­ten Info­ta­feln erklärt.

Plakatwände am Mannheimer Industriehafen, 7. November 2021. (Foto-Avanti².)

Pla­kat­wän­de am Mann­hei­mer Indus­trie­ha­fen, 7. Novem­ber 2021. (Foto-Avan­ti².)

Wirt­schafts-, Sozi­al-, Tech­nik- und Archi­tek­tur­ge­schich­te ver­bin- den sich an vie­len Stel­len und tref­fen auf neue Indus­trie­kul­tur und die Umwid­mung auf­ge­ge­be­ner Firmen.

Am Bei­spiel der Zahn­rad­pum­pen­fa­brik Mann­heim ehe­mals Nei­dig kann der span­nen­de Auf­stieg und Nie­der­gang eines Unter­neh­mens am Indus­trie­ha­fen nach­voll­zo­gen werden.

1903 ist die Fir­ma unter dem Namen des Grün­ders Nei­dig in einer zur Werk­statt umge­wan­del­ten Wasch­kü­che ent­stan­den. Ihr haupt­säch­li­ches Pro­dukt Zahn­rad­pum­pen wur­de (und wird auch heu­te noch) in Ver­bren­nungs­mo­to­ren, Maschi­nen und Indus­trie­an­la­gen ein­ge­setzt. Vor dem Ers­ten Welt­krieg sol­len Anar­chis­ten einen mehr­wö­chi­gen Streik bei Nei­dig orga­ni­siert haben.

Ab 1914 expan­dier­te das mitt­ler­wei­le am Indus­trie­ha­fen ange­sie­del­te Unter­neh­men durch Auf­trä­ge der Kriegs­ma­ri­ne. Nach 1918 war die Han­dels­ma­ri­ne Haupt­ab­neh­mer der Nei­dig-Pro­duk­te, die welt­weit zum Ein­satz kamen. 1932 erschüt­ter­te ein hef­ti­ger Arbeits­kampf, in dem Kom­mu­nis­ten eine Rol­le gespielt haben sol­len, den Betrieb. Die Unter­neh­mens­lei­tung reagier­te mit einer vier­mo­na­ti­gen Aussperrung.

Im Faschis­mus zeig­ten sich die Eigen­tü­mer der Maschi­nen­fa­brik Nei­dig als beson­ders lini­en­treu. Kon­tak­te von Beschäf­tig­ten oder deren Fami­li­en­mit­glie­dern mit Men­schen jüdi­schen Glau­bens führ­ten eben­so zur Ent­las­sung wie der Aus­schluss aus der Nazi­par­tei. Nach 1939 wur­den rund 800 Men­schen, dar­un­ter auch Zwangs­ar­bei­ter, von der Fir­men­lei­tung ausgebeutet.

Der von den Faschis­ten begon­ne­ne Zwei­te Welt­krieg hat­te eine mas­si­ve Zer­stö­rung der Pro­duk­ti­ons­an­la­gen zur Fol­ge. Nach Kriegs­en­de lief das Geschäft nur lang­sam wie­der an. Die Beleg­schaft ver­dop­pel­te sich von 200 Arbei­ten­den im Jahr 1948 auf 400 um 1960.

Nei­dig, damals größ­ter deut­scher Her­stel­ler von Zahn­rad­pum­pen, ist 1967 Schau­platz eines wochen­lan­gen Streiks von in der IG Metall orga­ni­sier­ten Kol­le­gin­nen und Kollegen.

1979 muss­te die Zahn­rad­pum­pen­fa­brik Nei­dig auf­grund von Strei­tig­kei­ten inner­halb der Eigen­tü­mer­fa­mi­lie Kon­kurs anmel­den. Als Zahn­rad­pum­pen­fa­brik Mann­heim GmbH wird das Unter­neh­men danach stark ver­klei­nert fortgeführt.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Dezem­ber 2021
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