Stimmen von der Konferenz „Betriebsräte im Visier“
Die Mannheimer Konferenz gegen Bossing und Mobbing von Betriebsräten bot betroffenen KollegInnen ein Forum, um von ihren Erfahrungen berichten zu können. Wir dokumentieren im Folgenden Ausschnitte aus einem Podiumsgespräch mit drei KollegInnen, deren Namen wir aus Sicherheitsgründen verändert haben. Die Fragen sind von der Moderation vorgegeben worden.
MS/RE
• Frage: „Was war der Auslöser*des Mobbings?“
• Rosa: 2006 bin ich Mitglied in der Tarifkommission meiner Gewerkschaft geworden. Mir wurde klar, dass mein Arbeitgeber nicht tarifgebunden ist und somit auch keine Beschäftigten, selbst wenn sie organisiert sind, an Streiks teilnehmen können. Darüber habe ich meine KollegInnen informiert.
• Juan: Bereits in meiner ersten Woche bei der Firma wurde ich aufgefordert, 10-12 Stunden täglich und regelmäßig auch am Wochenende zu arbeiten. Nach meiner Festübernahme und aufgrund meiner Gesetzeskenntnisse forderte ich die Geschäftsführung auf, die Gesetze einzuhalten. Es folgte meine Kandidatur und die Wahl zum Betriebsrat. Der größte Teil des Gremiums waren und sind Personen mit Vorgesetzten-Funktionen, die dem Unternehmen treu ergeben sind. Betriebsrats-Schulungen wurden für mich abgelehnt. Man versuchte mich mundtot zu machen. Neben einem Ausschluss-Verfahren aus dem Betriebsrat folgten bis heute insgesamt drei Kündigungen.
• Kurt: Ich bin seit 1981 Betriebsrat zunächst bei einem Konzern, dann in einem ausgegliederten Werksteil. Als diese Ausgliederung bekannt wurde, verhinderte die Belegschaft mit einer Blockade des Werkstores zunächst den Verkauf an einen Konkurrenten, weil der potenzielle Käufer danach abgesprungen ist. Später kam es zwar zum Verkauf, aber zu abgesicherten Bedingungen (z.B. Beschäftigungsschutz). Der damalige BR-Vorsitzende ließ sich beeinflussen und die Unternehmensleitung begann mich zu mobben. Dies hatte unter anderem zur Folge, dass meine Wahl zum BR-Vorsitzenden verhindert wurde und Haustarifvertragsverhandlungen zu Gunsten des Unternehmens im Schlichtungsverfahren abgestimmt wurden.
• Frage: „Was ist passiert?“
• Rosa: Bei der BR-Wahl 2006 wollte mir das Unternehme sagen, was ich tun solle, mit entsprechenden Angeboten, die zu meiner „positiven Entscheidungsfindung“ betragen sollten. Nach meiner Ablehnung wurde mir gesagt, was das für mich künftig bedeuten werde. Darauf antwortet ich: „Das werden wir sehen”. Trotz der langen Unterstützung und des starken Rückhalts im BR-Gremium musste ich Einiges hinnehmen und erleiden. Innerhalb von 2 Jahren gab es 11 Abmahnungen gegen mich wegen aller möglichen Hinterlistigkeiten. Nach dem Erfolg, dass 17 von 34 Konzernniederlassungen mit in den Streik getreten sind, gab ich im Radio ein Interview, welches verfälschend zusammengeschnitten und gesendet wurde. Das Unternehmen sah sich ver- leumdet. Ich wurde mehrfach gekündigt, verbal und tätlich bedroht. Mein Auto wurde mehrfach beschädigt. In eineinhalb Jahren musste ich 39 Gerichtsverfahren durchstehen.
• Juan: Versetzungen auf Strafarbeitsplätze erfolgten in der Erwartung, dass ich mich krank melde. Es folgten Abmahnungen, das Verbot mich im Betrieb frei zu bewegen und Kündigungen mit Zustimmung der BR-Mehrheit. Aufgrund dessen und wegen des lange hinausgezögerten Kündigungsschutzverfahrens war ich monatelang vor und während der letzten BR-Wahlen nicht im Betrieb und konnte meine Wiederwahl nicht mehr sicherstellen.
• Kurt: Ich wurde mit Abmahnungen überzogen, um Gespräche mit oder Informationen an Beschäftigte zu verhindern und auch um Angst zu schüren. Es gab ein Beschlussverfahren gegen mich wegen des angeblichen Aufrufs zur „Leistungsverweigerung“. Um den erneuten Verkauf des Unternehmens und den möglichen Protest dagegen zu verhindern, erfolgte - nachdem mich die BR-Mehrheit aus dem Gremium ausgeschlossen hatte - meine Kündigung mit der Zustimmung der BR-Mehrheit. Darauf gründete sich das Komitee „Solidarität gegen BR-Mobbing“ und organisierte meine Unterstützung auch in der Öffentlichkeit. Im Endergebnis wurde durch diese Auseinandersetzung der Verkauf verhindert und ich musste weiterbeschäftig werden.
• Frage: „Wie habt ihr das *durchgehalten?“
• Rosa: Gespräche mit Familie, KollegInnen und FreundInnen haben mich gestützt, zudem die Soli-Postkarten, die von UnterstützerInnen angeregt wurden. Bis zu einem tätlichen Angriff auf mich hatte ich auch den Beistand des BR-Gremiums und meines Anwaltes. Natürlich war und ist finanzielle Hilfe in so einer Situation wichtig. Seit 2011 bin ich langzeitkrank durch eine „posttraumatische Belastungsstörung“. Es gab allerdings auch Verluste im Bekanntes-/Freundeskreis. Mir ist klar geworden, dass nach 10 Jahren bei einem tollen Unternehmen eine Mobbing-Strategie alles zerstören kann!
• Juan: Wie bereits Rosa gesagt hat, habe ich durch die Unterstützung des Soli-Komitees, meines Anwaltes und natürlich der Familie durchgehalten.
• Kurt: Ich hatte und habe von einer Minderheit im Betriebsrat Unterstützung und außerdem steht die Ortgruppe meiner Gewerkschaft hinter mir. Der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats, die Rückmeldungen von KollegInnen und der Rückhalt meiner Familie haben mir ebenso Kraft gegeben wie die Hilfe der KollegInnen des Soli-Komitees.