Zerstörerische „Reinigungskrisen“ und Zusammenbruch
Manuel Kellner
Vorkapitalistische Wirtschaftskrisen waren Mangelkrisen, weil bestimmte Güter des täglichen Bedarfs zu knapp wurden. Durch die kapitalistische Produktionsweise entstehen Überproduktionskrisen. Bestimmte Güter werden über Bedarf produziert – und können nicht verkauft werden.
Waren- und Geldwirtschaft machen es möglich, dass die große Zahl der einzelnen Transaktionen auf dem Markt zu einem unvorhergesehenen Gesamtergebnis führt, zum Beispiel zu Stockung und Krise.
Ein römischer Kaiser, der betrügerisch mit Blei gefüllte Goldmünzen hatte prägen lassen, wunderte sich anschließend, dass er damit eine mörderische Inflationskrise auslöste. Die Möglichkeit dieser Art von Krisen wurde später noch weiter auf die Spitze getrieben: mit dem Aufkommen des Papiergelds und des Kreditwesens, noch mehr mit dem Ende der Goldbindung von Währungen und erst recht mit dem „digitalen Geld“.
Profit
In der kapitalistischen Produktionsweise ist der Profit das Motiv für die Produktion. Die Konkurrenz der Einzelkapitale treibt die AkteurInnen zu zweierlei Vorgehen. Erstens sind sie bestrebt, den Lohn möglichst niedrig zu halten, und zweitens versuchen sie durch Erhöhung der Arbeitsproduktivität, möglichst viele Kosten zu senken.
Wenn die Realisierung des Mehrwerts (und damit des Profits) immer schwieriger wird, ist der Aufschwung vorbei. Die Märkte stocken, Talfahrt und Krise beginnen. Diese zyklischen Krisen, die seit Beginn der kapitalistischen Produktionsweise regelmäßig auftauchen, haben auch eine „reinigende“ Funktion: Die Großen fressen die Kleinen, die Arbeitskräfte sind billiger zu haben, und das Ganze geht auf erweiterter Stufenleiter mit einem neuerlichen Aufschwung in die nächste Runde. Der Preis dafür ist die Vernichtung von viel Kapital und Gütern, sowie wachsende Erwerbslosigkeit und Verarmung der abhängig Beschäftigten.
Karl Marx in Trier (Foto Avanti²)
Profitrate
Es gibt aber auch eine zeitlich übergreifende Tendenz zum Fallen der Profitrate. Dem kann entgegengewirkt werden: Durch Erhöhung der Mehrwertrate (also durch verstärkte Ausbeutung) und durch Verbilligung der Produktionskosten für Maschinen. Die fallende Tendenz der Profitrate empirisch zu belegen erfordert verwickelte Überlegungen, weil die kapitalistische Ökonomie die von Marx herausgearbeiteten kritischen Kategorien verschleiert. Darum gibt es in der Nachfolge von Marx immer wieder Kontroversen über den tendenziellen Fall der Profitrate.
In unserer Zeit ist die Massenflucht von Kapital in Sphären außerhalb der materiellen Produktion augenfällig. Vor allem nehmen immer mehr abgehobene Spekulationsgeschäfte zu. Diese Entwicklung erhärtet die Diagnose eines langanhaltenden Abwärtstrends recht spektakulär. Fortschreitend wird lebendige Arbeit aus dem Produktionsprozess verdrängt, obwohl sie doch die letztlich einzige Quelle von Mehrwert und Profit ist. Dieser Vorgang ist eine Warnung vor den unabsehbaren wirtschaftlichen Katastrophen, die dem Kapitalismus eigen sind.
Antikapitalismus
Der langfristige Trend in Richtung Zusammenbruch wurde historisch immer wieder gestoppt – durch die Entdeckung der kalifornischen Goldvorkommen, durch Kolonialismus und Imperialismus, durch mörderische Weltkriege, zuletzt durch den Untergang des post-stalinistischen Lagers in Osteuropa und Asien.
Letztlich muss die kapitalistische Klassengesellschaft überwunden werden, alleine schon wegen der Plünderung und Zerstörung der Erde. Sonst droht die Rückkehr zu noch mehr Sklaverei und zu Diktaturen, die den bewaffneten Endkampf um die verbliebenen Ressourcen führen. Unsere Alternative ist auch deshalb der globale Sturz der Macht des Kapitals, die sozialistische Weltrevolution.
Aus Avanti² Rhein-Neckar November 2018