200 Jah­re Karl Marx (8.Teil)

Zer­stö­re­ri­sche „Rei­ni­gungs­kri­sen“ und Zusammenbruch

 

Manu­el Kellner

 

Vor­ka­pi­ta­lis­ti­sche Wirt­schafts­kri­sen waren Man­gel­kri­sen, weil bestimm­te Güter des täg­li­chen Bedarfs zu knapp wur­den. Durch die kapi­ta­lis­ti­sche Pro­duk­ti­ons­wei­se ent­ste­hen Über­pro­duk­ti­ons­kri­sen. Bestimm­te Güter wer­den über Bedarf pro­du­ziert – und kön­nen nicht ver­kauft werden.

Waren- und Geld­wirt­schaft machen es mög­lich, dass die gro­ße Zahl der ein­zel­nen Trans­ak­tio­nen auf dem Markt zu einem unvor­her­ge­se­he­nen Gesamt­ergeb­nis führt, zum Bei­spiel zu Sto­ckung und Krise.

Ein römi­scher Kai­ser, der betrü­ge­risch mit Blei gefüll­te Gold­mün­zen hat­te prä­gen las­sen, wun­der­te sich anschlie­ßend, dass er damit eine mör­de­ri­sche Infla­ti­ons­kri­se aus­lös­te. Die Mög­lich­keit die­ser Art von Kri­sen wur­de spä­ter noch wei­ter auf die Spit­ze getrie­ben: mit dem Auf­kom­men des Papier­gelds und des Kre­dit­we­sens, noch mehr mit dem Ende der Gold­bin­dung von Wäh­run­gen und erst recht mit dem „digi­ta­len Geld“.

Pro­fit

In der kapi­ta­lis­ti­schen Pro­duk­ti­ons­wei­se ist der Pro­fit das Motiv für die Pro­duk­ti­on. Die Kon­kur­renz der Ein­zel­ka­pi­ta­le treibt die Akteu­rIn­nen zu zwei­er­lei Vor­ge­hen. Ers­tens sind sie bestrebt, den Lohn mög­lichst nied­rig zu hal­ten, und zwei­tens ver­su­chen sie durch Erhö­hung der Arbeits­pro­duk­ti­vi­tät, mög­lichst vie­le Kos­ten zu senken.

Wenn die Rea­li­sie­rung des Mehr­werts (und damit des Pro­fits) immer schwie­ri­ger wird, ist der Auf­schwung vor­bei. Die Märk­te sto­cken, Tal­fahrt und Kri­se begin­nen. Die­se zykli­schen Kri­sen, die seit Beginn der kapi­ta­lis­ti­schen Pro­duk­ti­ons­wei­se regel­mä­ßig auf­tau­chen, haben auch eine „rei­ni­gen­de“ Funk­ti­on: Die Gro­ßen fres­sen die Klei­nen, die Arbeits­kräf­te sind bil­li­ger zu haben, und das Gan­ze geht auf erwei­ter­ter Stu­fen­lei­ter mit einem neu­er­li­chen Auf­schwung in die nächs­te Run­de. Der Preis dafür ist die Ver­nich­tung von viel Kapi­tal und Gütern, sowie wach­sen­de Erwerbs­lo­sig­keit und Ver­ar­mung der abhän­gig Beschäftigten.

Karl Marx in Trier (Foto Avanti²)

Karl Marx in Trier (Foto Avanti²)

Pro­fi­tra­te

Es gibt aber auch eine zeit­lich über­grei­fen­de Ten­denz zum Fal­len der Pro­fi­tra­te. Dem kann ent­ge­gen­ge­wirkt wer­den: Durch Erhö­hung der Mehr­wer­tra­te (also durch ver­stärk­te Aus­beu­tung) und durch Ver­bil­li­gung der Pro­duk­ti­ons­kos­ten für Maschi­nen. Die fal­len­de Ten­denz der Pro­fi­tra­te empi­risch zu bele­gen erfor­dert ver­wi­ckel­te Über­le­gun­gen, weil die kapi­ta­lis­ti­sche Öko­no­mie die von Marx her­aus­ge­ar­bei­te­ten kri­ti­schen Kate­go­rien ver­schlei­ert. Dar­um gibt es in der Nach­fol­ge von Marx immer wie­der Kon­tro­ver­sen über den ten­den­zi­el­len Fall der Profitrate.

In unse­rer Zeit ist die Mas­sen­flucht von Kapi­tal in Sphä­ren außer­halb der mate­ri­el­len Pro­duk­ti­on augen­fäl­lig. Vor allem neh­men immer mehr abge­ho­be­ne Spe­ku­la­ti­ons­ge­schäf­te zu. Die­se Ent­wick­lung erhär­tet die Dia­gno­se eines lang­an­hal­ten­den Abwärts­trends recht spek­ta­ku­lär. Fort­schrei­tend wird leben­di­ge Arbeit aus dem Pro­duk­ti­ons­pro­zess ver­drängt, obwohl sie doch die letzt­lich ein­zi­ge Quel­le von Mehr­wert und Pro­fit ist. Die­ser Vor­gang ist eine War­nung vor den unab­seh­ba­ren wirt­schaft­li­chen Kata­stro­phen, die dem Kapi­ta­lis­mus eigen sind.

Anti­ka­pi­ta­lis­mus

Der lang­fris­ti­ge Trend in Rich­tung Zusam­men­bruch wur­de his­to­risch immer wie­der gestoppt – durch die Ent­de­ckung der kali­for­ni­schen Gold­vor­kom­men, durch Kolo­nia­lis­mus und Impe­ria­lis­mus, durch mör­de­ri­sche Welt­krie­ge, zuletzt durch den Unter­gang des post-sta­li­nis­ti­schen Lagers in Ost­eu­ro­pa und Asien.

Letzt­lich muss die kapi­ta­lis­ti­sche Klas­sen­ge­sell­schaft über­wun­den wer­den, allei­ne schon wegen der Plün­de­rung und Zer­stö­rung der Erde. Sonst droht die Rück­kehr zu noch mehr Skla­ve­rei und zu Dik­ta­tu­ren, die den bewaff­ne­ten End­kampf um die ver­blie­be­nen Res­sour­cen füh­ren. Unse­re Alter­na­ti­ve ist auch des­halb der glo­ba­le Sturz der Macht des Kapi­tals, die sozia­lis­ti­sche Weltrevolution.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Novem­ber 2018
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