Coro­na: Alles wird gut?

 

N. B.

Die Pan­de­mie ist besiegt, wir kön­nen wie­der dem nor­ma­len Leben nach­ge­hen“. Die­sen Ein­druck erzeugt die aktu­el­le Bericht­erstat­tung der eta­blier­ten Medi­en.

Fast im glei­chen Atem­zug wird die Inzi­denz genannt. Sie liegt neu­er­dings wie­der bei über 100 Neu­in­fi­zier­ten pro 100.000 Einwohner*innen, direkt gefolgt von einer zwei­stel­li­gen Zahl von Toten inner­halb des jeweils ver­gan­ge­nen Tages. Der offen­sicht­li­che Wider­spruch zwi­schen die­sen ein­deu­ti­gen Zah­len und der ver­harm­lo­sen­den Bewer­tung der Situa­ti­on scheint nicht der Rede wert zu sein.

Kundgebung „Solidarität in Zeiten der Pandemie“ in Mannheim, 10. April 2021. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Kund­ge­bung „Soli­da­ri­tät in Zei­ten der Pan­de­mie“ in Mann­heim, 10. April 2021. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Ich mach mir die Welt …
Wie ist eine sol­che Irre­füh­rung mög­lich? Sicher­lich sind wir alle der Pan­de­mie müde. Nach­dem die Regie­run­gen der BRD und der meis­ten kapi­ta­lis­ti­schen Staa­ten der Pan­de­mie zu kei­nem Zeit­punkt kon­se­quent, plan­voll und effi­zi­ent ent­ge­gen­ge­tre­ten sind, scheint die Situa­ti­on fast aus­weg­los zu sein.

Gleich­zei­tig ist der Wunsch nach einem Leben ohne pan­de­mie­be­ding­te Ein­schrän­kun­gen groß. Des­we­gen will man uns nun glau­ben machen, man kön­ne die Zusam­men­hän­ge ein­fach umdre­hen: Wenn wir nicht mehr in der Pan­de­mie leben wol­len, müs­sen wir eben ein­fach auf­hö­ren, uns zu ver­hal­ten, wie es in einer Pan­de­mie gera­ten ist. Pip­pi Lang­strumpf lässt grü­ßen: Ich mach‘ mir die Welt – wid­de­wid­de, wie sie mir gefällt.

In Län­dern wie Bri­tan­ni­en wird der­zeit gera­de deut­lich, wel­che fata­len Fol­gen die Erklä­rung des Endes der Pan­de­mie ent­ge­gen aller Fak­ten hat. Eine hohe Impf­quo­te und der star­ke Wunsch nach dem Ende der Pan­de­mie allein sind dabei offen­sicht­lich nicht ausreichend.

Die (irre­füh­ren­de) Kraft der Zahlen
Beharr­lich wer­den wir mit zwei unter­schied­li­chen Zah­len gefüt­tert, die eine ein­fa­che Inter­pre­ta­ti­on der Zusam­men­hän­ge nahe­le­gen: Auf der einen Sei­te die Infek­ti­ons- und Ster­be­ra­ten, auf der ande­ren Sei­te die Impf­quo­te. So wird wie­der bestärkt, was seit min­des­tens einem Jahr beharr­lich wie­der­holt wird: Wir sol­len glau­ben, dass das ein­zig wirk­sa­me Mit­tel gegen die Pan­de­mie die Imp­fung sei. Da (in der Theo­rie) mitt­ler­wei­le in Deutsch­land fast alle Men­schen Zugang zu einer Imp­fung hät­ten, wird die Ver­ant­wor­tung für die Ent­wick­lung der Pan­de­mie auf die­je­ni­gen abge­wälzt, die sich nicht imp­fen las­sen. Geimpf­te kön­nen sich somit in Sicher­heit wäh­nen, auch wenn eine stei­gen­de Zahl von Infek­tio­nen und sogar schwe­ren Ver­läu­fen bei geimpf­ten Per­so­nen das Gegen­teil beweisen.

Akti­ons­plan für Gesundheitsschutz
Regie­rung und Kon­zer­ne reden sich so fein aus der Ver­ant­wor­tung. Indem die Schuld an stei­gen­den Infek­ti­ons­zah­len den „unver­nünf­ti­gen“ Nicht-Geimpf­ten zuge­scho­ben wird, wird die Ver­ant­wor­tung für die eige­ne Gesund­heit auf das Indi­vi­du­um abge­wälzt. Was jedoch fehlt, ist ein effek­ti­ver Gesund­heits­schutz in allen gesell­schaft­li­chen Bereichen.

Eine sinn­voll geplan­te Stra­te­gie für einen soli­da­ri­schen Weg aus der Kri­se kann nur in einem demo­kra­tisch ent­wi­ckel­ten Akti­ons­plan her­aus­ge­ar­bei­tet wer­den. Ins­be­son­de­re ist der Gesund­heits­schutz am Arbeits­platz in den Mit­tel­punkt zu stel­len. Zudem muss die Über­win­dung der schrei­en­den glo­ba­len Ungleich­heit im Gesund­heits­schutz durch die Frei­ga­be von Paten­ten auf Impf­stof­fe ermög­licht werden.

In der Pan­de­mie erle­ben wir jeden Tag, wie zer­stö­re­risch ein neo­li­be­ra­les Gesund­heits­sys­tem auf die Men­schen wirkt. Denn dort ste­hen anstatt der Men­schen die Pro­fi­te im Zen­trum. Wir soll­ten die Pan­de­mie also auch zum Aus­gangs­punkt neh­men, für eine wirk­sa­me Gesund­heits­ver­sor­gung ein­zu­tre­ten. Sie hat die Gesund­heits­prä­ven­ti­on und -för­de­rung in den Mit­tel­punkt zu stel­len und ist an den Bedürf­nis­sen der Men­schen aus­zu­rich­ten. Gesund­heit ist kei­ne Ware.

Gegen Covid­leug­nung und Faschismus
Nur so kön­nen wir der kapi­tal­ori­en­tier­ten Poli­tik und den erstar­ken­den faschis­ti­schen Kräf­ten ernst­haft etwas ent­ge­gen­set­zen. Gelingt uns das nicht, nimmt die Gefahr durch die­ses Lager immer wei­ter zu. Es beein­flusst in der aktu­el­len Kri­se mit Erfolg zuneh­mend Tei­le des bür­ger­li­chen und sogar des lin­ken Spek­trums. Sei­ne Aggres­si­vi­tät ist besorg­nis­er­re­gend. Die faschis­ti­sche Gewalt gegen eman­zi­pa­to­ri­sche Ein­rich­tun­gen und gegen zu Fein­den abge­stem­pel­te Men­schen nimmt bedroh­lich zu.

Eine soli­da­ri­sche Bewe­gung gegen die Pan­de­mie­po­li­tik der Herr­schen­den ist umso dringlicher.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Novem­ber 2021
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