N. B.
„Die Pandemie ist besiegt, wir können wieder dem normalen Leben nachgehen“. Diesen Eindruck erzeugt die aktuelle Berichterstattung der etablierten Medien.
Fast im gleichen Atemzug wird die Inzidenz genannt. Sie liegt neuerdings wieder bei über 100 Neuinfizierten pro 100.000 Einwohner*innen, direkt gefolgt von einer zweistelligen Zahl von Toten innerhalb des jeweils vergangenen Tages. Der offensichtliche Widerspruch zwischen diesen eindeutigen Zahlen und der verharmlosenden Bewertung der Situation scheint nicht der Rede wert zu sein.
Ich mach mir die Welt …
Wie ist eine solche Irreführung möglich? Sicherlich sind wir alle der Pandemie müde. Nachdem die Regierungen der BRD und der meisten kapitalistischen Staaten der Pandemie zu keinem Zeitpunkt konsequent, planvoll und effizient entgegengetreten sind, scheint die Situation fast ausweglos zu sein.
Gleichzeitig ist der Wunsch nach einem Leben ohne pandemiebedingte Einschränkungen groß. Deswegen will man uns nun glauben machen, man könne die Zusammenhänge einfach umdrehen: Wenn wir nicht mehr in der Pandemie leben wollen, müssen wir eben einfach aufhören, uns zu verhalten, wie es in einer Pandemie geraten ist. Pippi Langstrumpf lässt grüßen: Ich mach‘ mir die Welt – widdewidde, wie sie mir gefällt.
In Ländern wie Britannien wird derzeit gerade deutlich, welche fatalen Folgen die Erklärung des Endes der Pandemie entgegen aller Fakten hat. Eine hohe Impfquote und der starke Wunsch nach dem Ende der Pandemie allein sind dabei offensichtlich nicht ausreichend.
Die (irreführende) Kraft der Zahlen
Beharrlich werden wir mit zwei unterschiedlichen Zahlen gefüttert, die eine einfache Interpretation der Zusammenhänge nahelegen: Auf der einen Seite die Infektions- und Sterberaten, auf der anderen Seite die Impfquote. So wird wieder bestärkt, was seit mindestens einem Jahr beharrlich wiederholt wird: Wir sollen glauben, dass das einzig wirksame Mittel gegen die Pandemie die Impfung sei. Da (in der Theorie) mittlerweile in Deutschland fast alle Menschen Zugang zu einer Impfung hätten, wird die Verantwortung für die Entwicklung der Pandemie auf diejenigen abgewälzt, die sich nicht impfen lassen. Geimpfte können sich somit in Sicherheit wähnen, auch wenn eine steigende Zahl von Infektionen und sogar schweren Verläufen bei geimpften Personen das Gegenteil beweisen.
Aktionsplan für Gesundheitsschutz
Regierung und Konzerne reden sich so fein aus der Verantwortung. Indem die Schuld an steigenden Infektionszahlen den „unvernünftigen“ Nicht-Geimpften zugeschoben wird, wird die Verantwortung für die eigene Gesundheit auf das Individuum abgewälzt. Was jedoch fehlt, ist ein effektiver Gesundheitsschutz in allen gesellschaftlichen Bereichen.
Eine sinnvoll geplante Strategie für einen solidarischen Weg aus der Krise kann nur in einem demokratisch entwickelten Aktionsplan herausgearbeitet werden. Insbesondere ist der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz in den Mittelpunkt zu stellen. Zudem muss die Überwindung der schreienden globalen Ungleichheit im Gesundheitsschutz durch die Freigabe von Patenten auf Impfstoffe ermöglicht werden.
In der Pandemie erleben wir jeden Tag, wie zerstörerisch ein neoliberales Gesundheitssystem auf die Menschen wirkt. Denn dort stehen anstatt der Menschen die Profite im Zentrum. Wir sollten die Pandemie also auch zum Ausgangspunkt nehmen, für eine wirksame Gesundheitsversorgung einzutreten. Sie hat die Gesundheitsprävention und -förderung in den Mittelpunkt zu stellen und ist an den Bedürfnissen der Menschen auszurichten. Gesundheit ist keine Ware.
Gegen Covidleugnung und Faschismus
Nur so können wir der kapitalorientierten Politik und den erstarkenden faschistischen Kräften ernsthaft etwas entgegensetzen. Gelingt uns das nicht, nimmt die Gefahr durch dieses Lager immer weiter zu. Es beeinflusst in der aktuellen Krise mit Erfolg zunehmend Teile des bürgerlichen und sogar des linken Spektrums. Seine Aggressivität ist besorgniserregend. Die faschistische Gewalt gegen emanzipatorische Einrichtungen und gegen zu Feinden abgestempelte Menschen nimmt bedrohlich zu.
Eine solidarische Bewegung gegen die Pandemiepolitik der Herrschenden ist umso dringlicher.