Klassenkampf nur von oben?
Die bevorstehenden Betriebsratswahlen spielen in der veröffentlichen Meinung und selbst in weiten Teilen der politischen Linken praktisch keine Rolle. Dabei sind sie trotz der sehr massiven Einschränkungen von Demokratie in der Arbeitswelt für Millionen Arbeitende von großer Bedeutung. Es macht einen spürbaren Unterschied für Beschäftigte, ob es in „ihrem“ Unternehmen eine aktive und kämpferische Interessenvertretung gibt oder nicht. Avanti² hat deshalb mit Clara, einem in der IG Metall organisierten BR-Mitglied, gesprochen.*
Kannst Du uns zuerst was über „Dein“ Unternehmen und Deine Person erzählen?
Clara: Unser Unternehmen hat rund 1.000 Beschäftigte. Ich selbst bin seit bald 30 Jahren in diesem Betrieb beschäftigt. Von Anfang an habe ich mich der IG Metall angeschlossen, da ich schon immer ein gewerkschaftliches Bewusstsein hatte. Ich habe schnell erkannt, dass Lohnerhöhungen und gute Arbeitsbedingungen erkämpft werden müssen. Für die Interessen der Arbeitenden sorgen nur gewerkschaftlich Organisierte. Kapitalisten machen sowas nicht. Deshalb habe ich mich auch schnell für den Betriebsrat interessiert. Ich bin seit nun fast 20 Jahren in unserem BR-Gremium aktiv.
Warum ist es wichtig, einen Betriebsrat zu haben?
Clara: Ohne einen Betriebsrat sind die Beschäftigten dem Unternehmer mehr oder weniger ausgeliefert. Eigentlich haben Firmeneigner und ihr Management eine Verantwortung für die Menschen, die für sie arbeiten. Doch daran müssen sie stets erinnert werden. Mir ist zum Beispiel Arbeits- und Gesundheitsschutz besonders wichtig. Auch der Datenschutz nimmt für mich in der heutigen Zeit eine immer bedeutendere Rolle ein. Der Betriebsrat schützt die Beschäftigten und setzt sich für ihre Rechte und Interessen ein. Er hat viele Vorteile für die Kolleginnen und Kollegen und sogar für die Firma. So wird die Belegschaft nicht nur vor Schäden bewahrt, sondern es werden auch moralische und soziale Aspekte berücksichtigt. Hingegen hat die Gegenseite meist ausschließlich die Profitmaximierung im Sinn. Viel zu oft bekämpft sie deshalb engagierte Betriebsräte.
Strebt Ihr für die Betriebsratswahl Listen- oder Personenwahl an?
Clara: Seit ich im Unternehmen bin, hatten wir immer die Personenwahl, bei uns als Persönlichkeitswahl bekannt. Eine Persönlichkeitswahl macht aus meiner Sicht auch mehr Sinn. Auf Listen sind zu viele Unbekannte und Menschen, die in der Regel nicht für den Betriebsrat kandidieren würden. Es stellen sich nicht selten die merkwürdigsten Listen auf. Viel zu oft stehen dann Menschen auf diesen Listen, denen es nicht um die Interessen der Belegschaft geht. Mal ganz davon abgesehen, dass bei einer Persönlichkeitswahl die Belegschaft ihren Wunschbetriebsrat zusammenstellen kann, haben auch alle Kandidierenden gleiche Chancen. Bei einer Listenwahl haben nur die Listenführer gute Karten, und der Einfluss der Belegschaft bei der Wahl wird eingeschränkt.
Was erwartet Ihr jetzt für diese Wahl?
Clara: Die Firmenleitung nimmt aggressiv Einfluss auf die BR-Wahl. Sie hat ein Schreiben veröffentlicht, in dem sie den amtierenden Betriebsrat angreift. Sie ruft sogar die Belegschaft dazu auf, gegnerische Listen zu bilden. Das Management wirft uns vor, dass wir uns zu sehr gemäß unserer gesetzlichen Aufgabe engagieren würden. Lieber würde die Geschäftsleitung einen Pseudo-Betriebsrat haben, der keinen „Ärger“ macht. Da wir aber das Betriebsverfassungsgesetz ernst nehmen, werden wir als Störfaktor dargestellt und bekämpft.
Mit was rechnet Ihr jetzt?
Clara: Aus unserer Sicht wird die Kapitalseite alles versuchen, um den jetzigen Betriebsrat zu zerstören. Mittlerweile müssen wir mit Allem rechnen, von Bestechung bis hin zur Verdachtskündigung. Wir dürfen jetzt keine Fehler machen und uns nicht provozieren lassen. Außerdem brauchen wir eine gute Strategie, um gegen die ständigen Angriffe vorzugehen. Dazu holen wir uns Unterstützung, wo es nur möglich ist. Vor allem von externen Gewerkschaftsaktiven, dem Überbetrieblichen Solikomitee und dem Solidaritätskomitee gegen Betriebsratsmobbing bekommen wir große Unterstützung.
Ist die Firmenleitung Euer einziges Problem?
Clara: Leider nein. Von unseren 13 Betriebsräten sind 8 in besonderem Maße für die Belegschaft aktiv. Dann gibt es noch ein paar „neutrale“ Betriebsräte und es gibt noch eine kleine Fraktion, die Handlanger der Unternehmensführung ist. Die Hauptfigur dieser Gruppe ist ein früher freigestelltes BR-Mitglied, das aber von der Betriebsratsmehrheit, die sich für die Belegschaft einsetzt, abgewählt worden ist. Jetzt hofft diese Gruppierung, gemeinsam mit dem Unternehmer die aktiven Betriebsräte in die Minderheit oder sogar ganz aus dem Betriebsrat zu drängen. Diese Leute haben schon immer betont, wie wichtig ihnen die „Sozialpartnerschaft“ mit dem „Arbeitgeber“ ist.
Wie geht Ihr jetzt vor?
Clara: Wir haben schon mit der IG Metall abgesprochen, dass wir jetzt eine offene Gewerkschaftsliste aufstellen. Wir wollen damit die Persönlichkeitswahl verteidigen. Natürlich müssen wir uns auf alle Eventualitäten, so gut es geht, vorbereiten. Und natürlich sind wir ganz nah an der Belegschaft dran, weil es ja schließlich um sie geht. Wir hoffen, dass die Kolleginnen und Kollegen sich nicht von der Firmenleitung beeinflussen lassen und uns mit ihrer Stimme unterstützen. Aufgeben und sich wegducken war für uns eh‘ nie eine Option. Wer kämpft kann verlieren, aber wer nicht kämpft, hat schon verloren. Oder anders ausgedrückt: Nur wer kämpft, der kann auch gewinnen!
Danke für das Interview! Wir drücken Euch fest die Daumen und unterstützen Euch mit allen Kräften. Gemeinsam sind wir stark.