Betriebs­rats­wahl 2022

Klas­sen­kampf nur von oben?

 

Die bevor­ste­hen­den Betriebs­rats­wah­len spie­len in der ver­öf­fent­li­chen Mei­nung und selbst in wei­ten Tei­len der poli­ti­schen Lin­ken prak­tisch kei­ne Rol­le. Dabei sind sie trotz der sehr mas­si­ven Ein­schrän­kun­gen von Demo­kra­tie in der Arbeits­welt für Mil­lio­nen Arbei­ten­de von gro­ßer Bedeu­tung. Es macht einen spür­ba­ren Unter­schied für Beschäf­tig­te, ob es in „ihrem“ Unter­neh­men eine akti­ve und kämp­fe­ri­sche Inter­es­sen­ver­tre­tung gibt oder nicht. Avan­ti² hat des­halb mit Cla­ra, einem in der IG Metall orga­ni­sier­ten BR-Mit­glied, gesprochen.*

Protest gegen BR-Mobbing am 1. Mai 2020 in Mannheim. ( Foto: helmut-roos@web.de.)

Pro­test gegen BR-Mob­bing am 1. Mai 2020 in Mann­heim. ( Foto: helmut-roos@web.de.)

 

Kannst Du uns zuerst was über „Dein“ Unter­neh­men und Dei­ne Per­son erzählen?
Cla­ra: Unser Unter­neh­men hat rund 1.000 Beschäf­tig­te. Ich selbst bin seit bald 30 Jah­ren in die­sem Betrieb beschäf­tigt. Von Anfang an habe ich mich der IG Metall ange­schlos­sen, da ich schon immer ein gewerk­schaft­li­ches Bewusst­sein hat­te. Ich habe schnell erkannt, dass Lohn­er­hö­hun­gen und gute Arbeits­be­din­gun­gen erkämpft wer­den müs­sen. Für die Inter­es­sen der Arbei­ten­den sor­gen nur gewerk­schaft­lich Orga­ni­sier­te. Kapi­ta­lis­ten machen sowas nicht. Des­halb habe ich mich auch schnell für den Betriebs­rat inter­es­siert. Ich bin seit nun fast 20 Jah­ren in unse­rem BR-Gre­mi­um aktiv.

War­um ist es wich­tig, einen Betriebs­rat zu haben?
Cla­ra: Ohne einen Betriebs­rat sind die Beschäf­tig­ten dem Unter­neh­mer mehr oder weni­ger aus­ge­lie­fert. Eigent­lich haben Fir­men­eig­ner und ihr Manage­ment eine Ver­ant­wor­tung für die Men­schen, die für sie arbei­ten. Doch dar­an müs­sen sie stets erin­nert wer­den. Mir ist zum Bei­spiel Arbeits- und Gesund­heits­schutz beson­ders wich­tig. Auch der Daten­schutz nimmt für mich in der heu­ti­gen Zeit eine immer bedeu­ten­de­re Rol­le ein. Der Betriebs­rat schützt die Beschäf­tig­ten und setzt sich für ihre Rech­te und Inter­es­sen ein. Er hat vie­le Vor­tei­le für die Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen und sogar für die Fir­ma. So wird die Beleg­schaft nicht nur vor Schä­den bewahrt, son­dern es wer­den auch mora­li­sche und sozia­le Aspek­te berück­sich­tigt. Hin­ge­gen hat die Gegen­sei­te meist aus­schließ­lich die Pro­fit­ma­xi­mie­rung im Sinn. Viel zu oft bekämpft sie des­halb enga­gier­te Betriebsräte.

Strebt Ihr für die Betriebs­rats­wahl Lis­ten- oder Per­sonen­wahl an?
Cla­ra: Seit ich im Unter­neh­men bin, hat­ten wir immer die Per­so­nen­wahl, bei uns als Per­sön­lich­keits­wahl bekannt. Eine Per­sön­lich­keits­wahl macht aus mei­ner Sicht auch mehr Sinn. Auf Lis­ten sind zu vie­le Unbe­kann­te und Men­schen, die in der Regel nicht für den Betriebs­rat kan­di­die­ren wür­den. Es stel­len sich nicht sel­ten die merk­wür­digs­ten Lis­ten auf. Viel zu oft ste­hen dann Men­schen auf die­sen Lis­ten, denen es nicht um die Inter­es­sen der Beleg­schaft geht. Mal ganz davon abge­se­hen, dass bei einer Per­sön­lich­keits­wahl die Beleg­schaft ihren Wunsch­be­triebs­rat zusam­men­stel­len kann, haben auch alle Kan­di­die­ren­den glei­che Chan­cen. Bei einer Lis­ten­wahl haben nur die Lis­ten­füh­rer gute Kar­ten, und der Ein­fluss der Beleg­schaft bei der Wahl wird eingeschränkt.

Was erwar­tet Ihr jetzt für die­se Wahl?
Cla­ra: Die Fir­men­lei­tung nimmt aggres­siv Ein­fluss auf die BR-Wahl. Sie hat ein Schrei­ben ver­öf­fent­licht, in dem sie den amtie­ren­den Betriebs­rat angreift. Sie ruft sogar die Beleg­schaft dazu auf, geg­ne­ri­sche Lis­ten zu bil­den. Das Manage­ment wirft uns vor, dass wir uns zu sehr gemäß unse­rer gesetz­li­chen Auf­ga­be enga­gie­ren wür­den. Lie­ber wür­de die Geschäfts­lei­tung einen Pseu­do-Betriebs­rat haben, der kei­nen „Ärger“ macht. Da wir aber das Betriebs­ver­fas­sungs­ge­setz ernst neh­men, wer­den wir als Stör­fak­tor dar­ge­stellt und bekämpft.

Protest gegen BR-Mobbing am 8. August 2019 in Darmstadt. ( Foto: Privat.)

Pro­test gegen BR-Mob­bing am 8. August 2019 in Darm­stadt. ( Foto: Privat.)

Mit was rech­net Ihr jetzt?
Cla­ra: Aus unse­rer Sicht wird die Kapi­tal­sei­te alles ver­su­chen, um den jet­zi­gen Betriebs­rat zu zer­stö­ren. Mitt­ler­wei­le müs­sen wir mit Allem rech­nen, von Bestechung bis hin zur Ver­dachts­kün­di­gung. Wir dür­fen jetzt kei­ne Feh­ler machen und uns nicht pro­vo­zie­ren las­sen. Außer­dem brau­chen wir eine gute Stra­te­gie, um gegen die stän­di­gen Angrif­fe vor­zu­ge­hen. Dazu holen wir uns Unter­stüt­zung, wo es nur mög­lich ist. Vor allem von exter­nen Gewerk­schafts­ak­ti­ven, dem Über­be­trieb­li­chen Soli­ko­mi­tee und dem Soli­da­ri­täts­ko­mi­tee gegen Betriebs­rats­mob­bing bekom­men wir gro­ße Unterstützung.

Ist die Fir­men­lei­tung Euer ein­zi­ges Problem?
Cla­ra: Lei­der nein. Von unse­ren 13 Betriebs­rä­ten sind 8 in beson­de­rem Maße für die Beleg­schaft aktiv. Dann gibt es noch ein paar „neu­tra­le“ Betriebs­rä­te und es gibt noch eine klei­ne Frak­ti­on, die Hand­lan­ger der Unter­neh­mens­füh­rung ist. Die Haupt­fi­gur die­ser Grup­pe ist ein frü­her frei­ge­stell­tes BR-Mit­glied, das aber von der Betriebs­rats­mehr­heit, die sich für die Beleg­schaft ein­setzt, abge­wählt wor­den ist. Jetzt hofft die­se Grup­pie­rung, gemein­sam mit dem Unter­neh­mer die akti­ven Betriebs­rä­te in die Min­der­heit oder sogar ganz aus dem Betriebs­rat zu drän­gen. Die­se Leu­te haben schon immer betont, wie wich­tig ihnen die „Sozi­al­part­ner­schaft“ mit dem „Arbeit­ge­ber“ ist.

Wie geht Ihr jetzt vor?
Cla­ra: Wir haben schon mit der IG Metall abge­spro­chen, dass wir jetzt eine offe­ne Gewerk­schafts­lis­te auf­stel­len. Wir wol­len damit die Per­sön­lich­keits­wahl ver­tei­di­gen. Natür­lich müs­sen wir uns auf alle Even­tua­li­tä­ten, so gut es geht, vor­be­rei­ten. Und natür­lich sind wir ganz nah an der Beleg­schaft dran, weil es ja schließ­lich um sie geht. Wir hof­fen, dass die Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen sich nicht von der Fir­men­lei­tung beein­flus­sen las­sen und uns mit ihrer Stim­me unter­stüt­zen. Auf­ge­ben und sich weg­du­cken war für uns eh‘ nie eine Opti­on. Wer kämpft kann ver­lie­ren, aber wer nicht kämpft, hat schon ver­lo­ren. Oder anders aus­ge­drückt: Nur wer kämpft, der kann auch gewinnen!

Dan­ke für das Inter­view! Wir drü­cken Euch fest die Dau­men und unter­stüt­zen Euch mit allen Kräf­ten. Gemein­sam sind wir stark.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Febru­ar 2022
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