Hans-Jürgen Schulz
Redaktionelle Vorbemerkung
Den folgenden Text entnehmen wir – in gekürzter Fassung – den Vorbemerkungen des von unserem Genossen Hans-Jürgen Schulz (1933-1998) herausgegebenen Buchs Sie sind wieder da! (Faschismus und Reaktion in Europa, Frankfurt am Main [isp-Verlag] 1990).
Die darin formulierten Überlegungen, vom Autor als „erster Beitrag“ bezeichnet, reflektieren notwendigerweise die damalige Situation. Die heute grundlegenden Fragen des Kampfs gegen die wachsende faschistische Gefahr können aber ohne Kenntnis der damaligen Debatten und Erfahrungen nicht ernsthaft beantwortet werden.
Wir haben die damalige Schreib- und Ausdruckweise beibehalten, offensichtliche Fehler korrigiert, wenige knappe Erläuterungen und Zwischenüberschriften eingefügt.
H. N., 25. Mai 2025

Hans-Jürgen Schulz. (Foto: Privat.)
Die Gefahr für die bürgerliche Demokratie ist heute viel größer als Ende der sechziger Jahre, als nach drei Jahren überraschender Erfolge die NPD noch schneller zerfiel als sie aufgestiegen war. Die in dieser Gesellschaft durch Dauerarbeitslosigkeit, Lohn- und Sozialabbau ausgelösten Spannungen sind viel schärfer als zwei Jahrzehnte zuvor. Den etablierten Kräften wird keine Lösung der Probleme und den sozialistischen keine glaubhafte Alternative mehr zugetraut.
Bisher existierte ein liberaler Grundkonsens aller etablierten Parteien und Verbände, der missverständlich als antifaschistisch bezeichnet wird. Ihr politisches Einverständnis bis zu den Konservativen ist bestenfalls nichtfaschistisch und bürgerlich demokratisch. […]
Daran hat man sich jahrzehntelang gehalten. Das Verbot einer Kollaboration wurde freilich nie auf die Probe gestellt, weil die extreme Rechte parlamentarisch fast nicht existierte und gesellschaftlich nirgendwo wirklich verankert war, darum auch nicht beachtet werden musste.
Dieser nichtfaschistische Grundkonsens wankte, als sich die Republikaner [1983 gegründete rechte Partei] parlamentarisch durchzusetzen begannen. Sofort wurde argumentiert, sie seien keine Faschisten – was richtig ist. Daraus wurde stillschweigend gefolgert, sie müssten Demokraten sein – was eindeutig falsch ist. Es hieß, sie seien zu viele, um sie noch ausgrenzen zu können. Die Christdemokraten verboten nur zögernd eine Zusammenarbeit, und es bleibt abzuwarten, wie lange das gilt. Die Sozialdemokraten freuten sich eher über die Schwächung der Konservativen, als daß sie den Kampf gegen die Republikaner aufnahmen. Und die Gewerkschaften mit ihrer jahrzehntelangen Tradition von Ausschlüssen gegen Kommunisten lehnten Unvereinbarkeitsbeschlüsse ab.
Notwendigkeit eigener Initiativen
Wie schon beim Widerstand gegen Atomrüstung und Atomkraft, beim Kampf zum Schutze der Umwelt und zur Sicherung des Friedens bewiesen die etablierten Organisationen, daß Bewegungen nur gegen oder bestenfalls ohne sie aufgebaut werden können. Wenn nun der Aufbau einer Bewegung gegen Faschismus und Reaktion auf der Tagesordnung steht, wird das nicht anders sein. Darum gilt es, auf eigene Initiativen zu bauen und der eigenen Kraft zu vertrauen. Geschieht das nicht, dann wird auch nichts passieren.
Die Diskussion darüber, mit welchen Zielen und Forderungen angetreten wird, muss noch geführt werden. Hier kann nicht mehr als ein erster Beitrag geleistet werden.
Noch haben die alten und neuen Rechten sich als starke Kraft politisch und organisatorisch nicht festigen können. Aber sie nutzen das weit verbreitete reaktionäre Bewusstsein und haben damit das Wahlverhalten ändern können. Noch schrecken die meisten Gesinnungsfaschisten vor dem Aktionsfa- schismus zurück. Darum gelang kein Aufbau politischer Bewegungen auf Massenbasis, nicht einmal Initiativen zur „Ausländerrückführung“. Bisher blieben alle Organisationen schwach und, bis auf die NPD, auch instabil. Mit den Erfolgen der Republikaner beginnt sich das zu ändern. Wenn diese Kräfte politisch geschlagen und wieder bedeutungslos werden sollen, dann muss bald mit der Arbeit begonnen werden.
Vorbedingungen erfolgreicher Bekämpfung ist die genaue Kenntnis des Feindes. Gut analysiert ist die ideologische Entwicklung, die Agitation und der Stand der Organisationen, während über deren inneres Funktionieren, die Zusammenset- zung und Tätigkeit der Mitgliedschaft und Wählerschaft oder ihre Motive, über die aktuelle Politik und strategischen Planungen relativ wenig bekannt ist und die Aktionsplanungen meist verborgen bleiben. Völlig unzureichend aufgedeckt sind zudem die Finanzierung, die politischen Verbindungen zu konservativen Kräften und mögliche geheime Mitgliedschaften oder Infiltrationen in anderen Organisationen und im Staatsapparat. Zwar lässt sich grundsätzlich konspirative Zusammenarbeit zwischen Faschisten und Geheimdiensten mit den Mitteln politischer Arbeit nicht aufklären. Doch die politische Infiltration von Faschisten und noch mehr von Reaktionären in kon- servativen Parteien – wie in Frankreich oder in England – wäre zu ermitteln. Schwieriger, aber nicht unmöglich ist es, die Besetzung staatlicher Schaltstellen und Repressionsorgane festzustellen. Ebenso ist Wachsamkeit gegen das Eindringen in linke Gruppen geboten. Das wurde früher bei den Grünen oder ökologischen Basisinitiativen versucht. Ähnliches unternahm die britische NF [National Front].
Gegenwärtig werden von antifaschistischen Organisationen die zugänglichen Materialien sorgfältig ausgewertet und viele Aktionen beobachtet. Damit wird sich die allgemeine Kenntnis langfristig wesentlich verbessern. Interne Informationen lassen sich meist, wenn noch nicht ausschließlich, freilich nur durch zumindest zeitweise Mitarbeit in solchen Organisationen erlangen, wie Anna Tristan es in der französischen FN [Front National] erprobte. Wenn sie überhaupt möglich ist, wird sie nur bemerkenswerte Ausnahme bleiben. Gelegentliche Beutezüge wie die des „MAK“ (Militantes Antifaschistisches Kommando) dürften noch seltener sein, zumal sie ohne solide Kenntnis aller Umstände völlig unmöglich sind.
Aufklärung über Verbrechen des Faschismus
Die Erarbeitung solcher Informationen ist nötig, um eine zielgerichtete Taktik und eine entsprechende Politik entwickeln zu können. Unabhängig davon bleibt eine Grundlage der antifaschistischen Arbeit die nimmermüde Aufklärung über die Verbrechen des deutschen Faschismus aber auch die anderer Bewegungen dieser Art und die Aufklärung über ihre gegenwärtigen Theorien und Programme. Zwar werden durch Informationen über die Geschichte weder Faschisten noch Kon- servative überzeugt, aber die nachwachsende Generation wird erzogen und – was sehr wichtig ist – viele für ein antifaschistisches Engagement motiviert. Auch wird die Rehabilitierung der Verbrecher verhindert. Denn anders als die Erben Stalins sind schon die Konservativen und erst recht offene Reaktionäre oder Faschisten an der Verklärung und nicht an der Aufklärung [der Verbrechen des Faschismus] interessiert.
Darum beschäftigt sich eine ganze Historikerschule in der BRD nicht mit der Ermittlung und Erklärung der Verbrechen, sondern mit der Bagatellisierung und Rechtfertigung.
Durch Verbreitung der geschichtlichen Wahrheit werden jene in die Defensive gedrängt, die Kollaborateure und Täter, deren Vorbilder und Erblasser verteidigen – die deutsche Wehrmacht, die Finanzkapitalisten, den Staatsapparat und das ehrbare Bür- gertum. Diese Aufklärung untergräbt jede moralische Glaubwürdigkeit aller Rechten, die darum nicht zufällig Ehrenerklärungen für Verbrecher fordern oder die Diskussion über diese Frage vermeiden wollen. Durch Popularisierung des wirklichen Widerstandes könnte zudem die Identifikation mit den Opfern und antifaschistisches Engagement heute gefördert werden.
Medien und Schulen informieren, aber sie klären nicht auf. Sie verschweigen meist den eigentlich verbreiteten, nämlich den kommunistischen Widerstand und idealisieren den des 20. Juli [1944], obwohl dessen treibende Kräfte fast alle zumindest Kollaborateure der Nazis waren und Ziele vertraten, die heute nicht einmal die Republikaner wagen öffentlich zu verbreiten. Ausgeklammert werden auch die Verbrechen der Wehrmacht, insbesondere wenn sie in der Sowjetunion verübt wurden. Der deutsche Faschismus erscheint darum als ein unverständliches Unglück, dass nicht erklärt und oft genug mit wenig überzeugender Moralität verurteilt wird. Darum ist es notwendig, ihn aus seinen gesellschaftlichen Bedingungen und die Taten aus dem Programm und der Ideologie heraus verständlich zu machen.
Wird von Provokationen wie der „Historikerdebatte“ [1986/87] abgesehen, dann wird reaktionäres Denken in Wahrheit selten bekämpft. Das gilt noch mehr für den modernen Antisemitismus, nämlich die Ausländerfeindlichkeit, die geduldet, vielleicht beklagt, aber doch hingenommen oder nur moralisch verurteilt wird. Dabei ist sie das wichtigste Mittel reaktionärer Bewusstseinsveränderungen und die Einbruchsstelle faschistischer Agitation. Nicht einmal die Gewerkschaftspresse nimmt das wirklich ernst, obwohl gerade in den Betrieben das Problem unüberhörbar und unübersehbar ist. Wenn es nicht gelingt, die eigentlichen Ursachen der Krise der Gesellschaft zu erklären, dann werden Losungen wie „die Ausländer sind an allem schuld“ und „Ausländer raus“ eine Lawine auslösen, die jede Freiheit überrollen wird. Gegenwärtig ist noch nicht einmal die Einsicht in diese Gefahr wirklich verbreitet, geschweige denn daß Konsequenzen gezogen würden.
Welche politische Gegenwehr?
So bleiben Aufklärung und Auseinandersetzung mit faschistischen und reaktionären Ideen eine bisher weitgehend unbewältigte Aufgabe, während der antifaschistische Kampf die Sache weniger bleibt – und die meisten sich auf gelegentliche Proteste beschränken. Die sind sicher notwendig, weil sie zumindest das Problem aufwerfen, mit geeigneten Losungen auch Be- wusstsein schaffen und vielleicht manche dauerhaft aktivieren. Solche Aktionen haben bis vor kurzem auch die Veranstaltungen von Faschisten zumindest erschwert und öffentliche Agitation wie über Infotische oft verhindert. Darum erfolgen viele Planungen der Faschisten vertraulich und manches ist nur unter massivem Polizeischutz möglich.
Trotzdem bleiben solche Aktionen weiter sinnvoll, auch wenn durch sie nicht sehr viel wirklich verhindert werden kann. Sie haben Signalwirkung und Gesinnungsfaschisten werden abgeschreckt. Doch sind breitere Mobilisierungen nur relativ selten möglich. Sie können auch nur so lange Erfolg haben, wie Faschisten noch zu schwach bleiben, um die Protestierenden wirksam angreifen zu können. Gegen Propaganda bei Wahlen wie Wahlspots, Inserate oder Postwurfsendungen und über Zeitschriften oder Bücher greift dies ohnehin nicht.
Andererseits kommt es häufiger zu Überfällen und Schlägereien von Faschisten, zu Angriffen auf Veranstaltungen und Einrichtungen wie monatelang nach Bundesligaspielen in Ham- burg auf die Hafenstraße [ein Zentrum der linken Szene]. Unter solchen Bedingungen wird die Fähigkeit zur Selbstverteidigung zwingende Notwendigkeit, so wie sie am Hafen in einigen Stadtteilen zumindest zeitweise auch praktiziert wurde. Das ist nur bei körperlichem Training und Organisierung von Gruppen möglich, weil nur gemeinsame Abwehr sinnvoll ist. Bedingung dafür ist politische Einsicht und Verantwortungsbewußt- sein, weil antifaschistische Schlägergruppen mehr schaden als nützen würden.
Die politische Auseinandersetzung mit Faschisten und Reaktionären wollen viele mit einem Verbot lösen. Teile der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften (12. DGB-Bundeskon- greß 1982 und verschiedene Einzelgewerkschaften) begründen das mit den offenkundig antidemokratischen Zielen (Artikel 21[2] des Grundgesetzes). Doch wurde mit dieser Recht- fertigung einst die KPD verboten, und linke Organisationen werden noch immer observiert. Darum argumentieren viele mit dem alliierten Verbot, das als Rechtsgrundlage in das Grundgesetz aufgenommen wurde (Artikel 139). Das bezieht sich auf das Kontrollratsgesetz Nr. 2, durch das NSDAP, SA und SS sowie Nachfolgeorganisationen verboten wurden.
Die westliche „alliierte hohe Kommission“ hat das übrigens 1949 einseitig außer Kraft gesetzt. Daraus mag dennoch formales Recht, nicht aber ein antifaschistischer Charakter des Grundgesetzes abgeleitet werden. Denn das wurde auf Anweisung der westlichen Besatzungsmächte als bürgerlich-kapitalistische Verfassung von Leuten beschlossen, die in ihrer über- großen Mehrheit mit den Nazis kollaboriert, zumindest aber nie Widerstand geleistet hatten, die darum auch die Nazibeamten wieder in den Staatsdienst übernahmen oder mit vollen Bezügen pensionierten (Artikel 131), nicht aber wenigstens eine materielle Entschädigung der Männer und Frauen des Widerstands regelten.
Die Verbotsforderung kann guten Gewissens nur erheben, wer den bürgerlichen Staat für eine über den Klassen und deren Interessen stehende neutrale Einrichtung der Selbstbestimmung eines Volkes und nicht für ein Instrument zur Verteidigung der bestehenden Ordnung hält, die notfalls mit jedem Mittel verteidigt wird. Da Faschisten und andere Reaktionäre offen und getarnt einen autoritären oder totalitären Staat anstreben, könnten sie nach der bestehenden Rechtslage in fast jedem europäischen Staat verboten werden. Das ist oft in der Verfassung (Artikel 49 in Italien, Artikel 29 in Griechenland, Artikel 6 in Spanien) oder ähnlichen Normen (Artikel 9 des österreichischen Staatsvertrages, finnischer Friedensvertrag mit der Sowjetunion) geregelt. Überdies ist Rassismus durch die europäische Menschenrechtskonvention verboten, die alle Staaten verpflichtet, das auch gesetzlich durchzusetzen.
Bedeutung einer breit angelegten Strategie
Dennoch werden Faschisten überall geduldet. Lediglich Terrorbanden werden, wenn auch nicht immer, wegen Störung der allgemeinen Sicherheit verfolgt. Werden aus Gründen der politischen Opportunität einmal andere Organisationen verboten, weil sie etwa dem westdeutschen Ansehen im Ausland schaden, dann können sie sich fast unbehindert neu organisieren. Die Verbotsgeschichte der westdeutschen Nazis, nicht nur um [Michael] Kühnen, ist dafür ein Beleg. Solch ein Verbot kann nach aller Erfahrung weder durch Mobilisierung noch sonstigen Druck dem Staat abgetrotzt werden. Darum ist die Verbotsforderung gegenüber dem bürgerlichen Staat Ausdruck erstaunlicher Illusionen, aber auch der Hilf- und Ratlosigkeit gegenüber der Frage, wie der Faschismus politisch bekämpft werden könnte.
Absurd wird diese Forderung bei den „Republikanern“. Deren Mitglieder oder Sympathisanten im Staatsapparat müssten dieses Verbot ausführen. Unklar bleibt bei den Fordernden überdies, was sonst noch alles verboten werden soll – neben Organisationen auch Zeitschriften und Bücher. Wer soll das überwachen und damit betraut werden – etwa wieder die bekannten vertrauenswürdigen Staatsorgane? Damit ist nicht gesagt, die Legalität von Faschisten sollte von Demokraten verteidigt, gegen Hetze oder Gewalt nicht vorgegangen werden. Aber generelle Verbote lösen das Problem nicht.
Wichtiger als eine Verbotsforderung ist eine breit angelegte Strategie. Die Republikaner als reaktionäre Wahlpartei setzen darauf, den Staatsapparat politisch zu gewinnen und ihre eigenen Ziele mit dessen Macht durchzusetzen. Das kann nur bekämpft werden, indem Massenbewusstsein und möglichst eine Massenbewegung gegen Repression und Militarismus aufgebaut wird. Die für den Staatsstreich vorgesehenen Instrumente, die Machtorgane des Staates, müssen möglichst neu- tralisiert werden.
Statt jährlich den Wehrdienst zu Zehntausenden zu verweigern, sollten junge Männer in die Bundeswehr gehen – nicht allein und isoliert, sondern organisiert und um dort Soldatengewerkschaften zu bilden. Wer selbstsicher und stark genug ist, sollte auch zur Polizei und deren Gewerkschaft gehen. Das muss ohne jede Illusion erfolgen. Zumindest ist mit den dort vorhandenen kritischen Kräften zusammenzuarbeiten. Auch wenn das alles massenhaft geschieht, werden Bundeswehr und Polizei nicht geändert werden können. Aber demokratische Bewegungen wissen dann wenigstens, was im Machtapparat gedacht, geplant, geübt und getan wird, und der wird vielleicht in Teilen kein zuverlässiges Instrument des Putsches oder Staatsstreiches mehr sein.
Obwohl weltweit seit Jahrzehnten Diktaturen ausschließlich durch das Militär, allenfalls unter Mithilfe faschistischer Gruppen – wie 1965 in Indonesien, 1973 in Chile oder der Arena in El Salvador – getragen werden, das selbst in Europa mehrfach so war, wird es in der Bundesrepublik verdrängt und fast alle politischen Organisationen haben die antimilitaristische Arbeit eingestellt. Obwohl in jedem Jahr auf dieser Erde mehrfach bewiesen wird, daß sich mit der Macht der Gewehre fast jede widerspenstige Mehrheit unterdrücken lässt und selbst Massenverweigerung nichts als Massenflucht ist, muss diese Einsicht erst aufgenommen sein, ehe etwas verändert werden kann.
Solche Forderungen gehen heute sicher völlig am Bewusstseinsstand der Betroffenen, aber auch genauso an dem der Antifaschisten vorbei. Insofern sind sie irreal und werden keine unmittelbaren Konsequenzen haben. Aber sie sollten zumindest diskutiert und von wenigen beispielhaft in die Praxis um- gesetzt werden. Auf Dauer wird eine demokratische Bewegung jedoch diese Aufgaben in Angriff nehmen müssen.
Aufbau einer breiten Bewegung gegen Rechts
Dies sind Überlegungen zur Vorbereitung für den Ernstfall. Wichtigstes Instrument gegen Faschismus und Reaktion heute ist der Aufbau einer breiten Bewegung von Initiativen gegen Faschismus, Reaktion und Rassismus, die in Orten und Stadtteilen, möglichst auch in Betrieben aufgebaut werden müssten. Darin sollten alle Organisierten und Unorganisierten mitarbeiten können, die jeweils ihre eigenen politischen Auffassungen weiter vertreten könnten. In solchen Initiativen würden die Beteiligten eher als in etablierten Parteien und Gewerkschaften eigenständige, politische und organisatorische Erfahrungen sammeln, denn sie sind oft eine Einübung in antiautoritärer politischer Arbeit.
Solche Initiativen können aufklären und demokratisches Bewusstsein verbreiten, faschistische und reaktionäre Organisationen politisch bekämpfen, gegen ihre Werbung und Veranstaltungen antreten und den Widerstand gegen Schläger- banden organisieren. Zusammen mit Parteien und Gewerkschaften kann auf diese Weise eine politische Offensive zur Veränderung des Bewusstseins gestartet werden.
Sie muss dort ansetzen, wo die Einbruchsstelle der reaktionären Agitation liegt – bei Ausländerfeindlichkeit und Rassismus, der heutigen Form des Antisemitismus. Es gibt keinen Grund, das zu dulden und auch keinen, den Ausländerinnen und Ausländern die Menschenrechte zu verweigern, das heißt die politische und gesellschaftliche Gleichberechtigung. Diese Arbeit muss im Stadtteil und vor allem im Betrieb und über die Publikationen der Gewerkschaften erfolgen.
Eine Offensive gegen Faschismus und Reaktion kann auf Dauer vielleicht den Einfluss dieser Kräfte eingrenzen, aber nicht brechen. Es ist nicht mit dem Hinweis getan, Faschismus bedeutet die Einrichtung von KZ. Es ist vielmehr die Einsicht zu vermitteln, daß Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und Rückgang der realen Einkommen nicht Schuld der machtlosen und ausgebeuteten türkischen Kolleginnen oder kurdischen Kollegen sind, sondern der Entscheidungen der Bosse großer Konzerne und ihrer Politiker.
Wenn nicht massenhaft kritisches Bewusstsein und befreiende politische Arbeit entwickelt werden können, und wenn nicht sehr viele die Einsicht in die Notwendigkeit erfaßt, die gesellschaftlichen Ursachen von Faschismus und Militärdiktaturen ein für alle Mal zu beseitigen, indem eine von Räten selbst verwaltete sozialistische Gesellschaft erkämpft wird – dann wird die Gefahr des Faschismus immer wieder heraufziehen. Dann wird der Antifaschismus eine ewig ungelöste Aufgabe bleiben.