Rechts­ruck bei der Bun­des­tags­wahl - Was nun?

 

Demo gegen AfD in Mannheim, 23.09.2017. Foto: helmut-roos@web.de

H. N.

Die Bun­des­tags­wahl 2017 bestä­tigt und ver­stärkt den Rechts­ruck der letz­ten Jah­re. Die Wahl­er­geb­nis­se in der Rhein-Neckar-Regi­on (Mann­heim, Lud­wigs­ha­fen, Hei­del­berg) unter­schei­den sich in Nuan­cen vom Gesamt­ergeb­nis im Bund. Zum Bei­spiel sind rechts des Rheins die Grü­nen und nicht die AfD dritt­stärks­te Par­tei. Die Lin­ke hin­ge­gen ist links­rhei­nisch wesent­lich schwä­cher als auf Bundesebene. 
Alar­mie­rend sind die 20 % plus X-Ergeb­nis­se der blau-brau­nen Rech­ten in Stimm­be­zir­ken wie bei­spiels­wei­se in Mann­heim-Schön­au und -Vogel­stang oder in Speyer-Nord. 
Es gilt jetzt, die Bedeu­tung der gefähr­li­chen Kom­bi­na­ti­on aus Rechts­ruck und kapi­ta­lis­ti­scher Offen­si­ve zu ver­ste­hen. Sie droht, bei Beginn einer neu­en Wirt­schafts­kri­se explo­siv zu werden.
Die kom­men­de Bun­des­re­gie­rung wird wahr­schein­lich die Form einer „Jamaica“-Koalition (CDU/CSU, FDP, Grü­ne) anneh­men. Damit dro­hen uns nun wei­te­re „Refor­men“ zur „Moder­ni­sie­rung“ Deutsch- lands und zur Durch­set­zung der Inter­es­sen der herr­schen­den 0,1 Prozent.

Kapi­tal­of­fen­si­ve
Ziel ist die Fort­füh­rung der stra­te­gi­schen Offen­si­ve des Kapi­tals. Sie lässt sich mit eini­gen Schlag­wor­ten zusam­men­fas­sen: „Glo­ba­li­sie­rung“, Washing­ton-Kon­sens, Lis- sabon-Pro­zess, Agen­da 2030, Frei­han­dels­ab­kom­men, Medi­en­macht, Glo­bal­über­wa­chung, Digi­ta­li­sie­rung, Elek­tro­mo­bi­li­tät, Pre­ka­ri­sie­rung, Fis­kal­pakt, Zurück­drän­gen und Zer­stö­ren der sozia­len Siche­rungs­sys­te­me („Ren­te mit 70“) und nicht zuletzt his­to­ri­sche Schwä­chung der Gewerkschaften.
Zuneh­mend wer­den Ent­so­li­da­ri­sie­rung und der Kampf der ein­zel­nen Men­schen gegen­ein­an­der geför­dert. Die all­ge­gen­wär­ti­ge Ellen­bo­gen­men­ta­li­tät ver­tieft die wach­sen­de sozia­le Unge­rech­tig­keit. Bis in die zwi­schen­mensch­li­chen Bezie­hun­gen und das All­tags­le­ben hin­ein wirkt der glo­ba­le Konkurrenzkampf.
Gegen die auf Ver­nich­tung aus­ge­rich­te­te Kon­kur­renz und die sozia­le Ungleich­heit ver­tre­ten wir den Stand­punkt der sozia­len Gleich­heit und der inter­na­tio­na­len Soli­da­ri­tät. Das sind kei­ne heh­ren Prin­zi­pi­en für eine fer­ne Zukunft, son­dern kann und muss schon heu­te in Ansät­zen wirk­sam werden.

Alter­na­ti­ven
Eine Alter­na­ti­ve zu pro-kapi­ta­lis­ti­scher Poli­tik soll­te des­halb auf fol­gen­den vier Kern­punk­ten beruhen:

1. Kampf gegen Pre­ka­ri­tät und Arbeits­lo­sig­keit! Jedem Men­schen sei­nen Arbeits­platz. Der Aus­schluss aus dem Arbeits­pro­zess zer­stört den Ein­zel­nen, fügt aber auch der Gesell­schaft Scha­den zu. Jedem eine sinn­vol­le, siche­re und gute (auch gut bezahl­te!) Arbeit zu geben, muss zu einer Not­wen­dig­keit wer­den. Natür­lich ist dies mit einem Umbau der Wirt­schaft (Auto­in­dus­trie, Che­mie, Ener­gie, Finanz­sek­tor, Land­wirt­schaft…) auf gesell­schaft­lich und öko­lo­gisch nütz­li­che Zie­le zu kom­bi­nie­ren. Das ist der all­ge­mei­ne Aus­gangs­punkt einer alter­na­ti­ven Wirtschaftspolitik.

2. Vor­rang für die Befrie­di­gung gesell­schaft­li­cher Bedürf­nis­se! Das bedeu­tet nicht zuletzt, Sozi­al­ab­bau und Pri­va­ti­sie­run­gen zu stop­pen. Aus- und Fort­bil­dung, das Gesund­heits­we­sen, die Alten­für­sor­ge, die Kin­der­be­treu­ung, die För­de­rung von Kul­tur, der Aus­bau umwelt­freund­li­cher Ver­kehrs­sys­te­me und vor allem die För­de­rung öffent­li­cher Woh­nungs­bau­pro­gram­me in Ver­bin­dung mit dem Recht auf ange­mes­se­nen Wohn­raum für alle sind hier zu berücksichtigen.

3. Statt des betriebs­wirt­schaft­li­chen Pro­fits müs­sen volks­wirt­schaft­lich und gesell­schaft­lich rele­van­te Kri­te­ri­en in den Vor­der­grund gerückt wer­den! Jede bedeut­sa­me wirt­schaft­li­che Ent­schei­dung muss auf ihre Fol­gen für Arbeits­plät­ze und Umwelt geprüft wer­den. Gegen die als „Indus­trie 4.0“ mas­kier­te digi­ta­le Ratio­na­li­sie­rung muss eine radi­ka­le Ver­kür­zung der Arbeits­zeit durch­ge­setzt werden.
Die arbei­ten­de Bevöl­ke­rung kann sich Ein­fluss­mög­lich­kei­ten erkämp­fen (z.B. das Ver­bot von Ent­las­sun­gen). Die wirt­schaft­li­che Macht der Arbei­ten­den darf nicht den „Markt­ge­set­zen“ (der Pro­fit­ma­xi­mie­rung) unter­wor­fen blei­ben. Sie macht eine demo­kra­tisch kon­trol­lier­te, nicht­bü­ro­kra­ti­sche Pla­nung erfor­der­lich. Die­se ist der ent­schei­den­de Hebel zur Ver­ge­sell­schaf­tung von Inves­ti­tio­nen und damit zen­tra­ler Wirtschaftsbereiche.

4. Für inter­na­tio­na­le Solidarität!
Sowohl inner­halb der Euro­päi­schen Uni­on als auch in Ver­bin­dung mit dem Osten und dem Süden müs­sen wir die gemein­sa­men Inter­es­sen der arbei­ten­den Klas­se her­aus­stel­len. Dar­in besteht die ein­zi­ge Alter­na­ti­ve zum „Immer weni­ger für immer mehr“ des Kapi­ta­lis­mus. Wir müs­sen Wege fin­den, die der impe­ria­lis­ti­schen Orga­ni­sie­rung der Welt­wirt­schaft im Sin­ne der inter­na­tio­na­len Soli­da­ri­tät entgegenwirken.
Die­se vier Grund­sät­ze sind Teil einer demo­kra­ti­schen und soli­da­ri­schen Alter­na­ti­ve jen­seits des Kapi­ta­lis­mus. Es geht nicht um eine büro­kra­ti­sche Ver­staat­li­chung der Wirt­schaft, son­dern um die Fra­ge: Was bestimmt die öko­no­mi­schen Ent­schei­dun­gen der Gesell­schaft – der Pro­fit oder unse­re Bedürf­nis­se? Wir möch­ten letz­te­ren zum Durch­bruch ver­hel­fen, was gleich­be­deu­tend ist mit der Durch­set­zung einer direk­ten Demo­kra­tie der ProduzentInnen.

Gegen­wehr
Die Angrif­fe des Kapi­tals und der bür­ger­li­chen Poli­tik auf die Exis­tenz­be­din­gun­gen, die poli­ti­schen Rech­te und sozia­len Errun­gen­schaf­ten der arbei­ten­den Klas­se sind bis­her ohne ein­heit­li­che Gegen­wehr geblie­ben. In ihrem Wind­schat­ten haben viel­mehr Rechts­extre­mis­mus und Neo-Faschis­mus jetzt auch bei der Bun­des­tags­wahl mas­siv an Boden gewin­nen können. 
Eine ein­heit­li­che Ver­tei­di­gungs­front gegen die Offen­si­ve des Kapi­tals und die poli­ti­sche Rechts­ent­wick­lung zu schaf­fen, ist die zen­tra­le poli­ti­sche Auf­ga­be. Wesent­lich ist hier­bei der Kampf gegen Ras­sis­mus, Frau­en- unter­drü­ckung und alle ande­ren Arten von Dis­kri­mi­nie­rung. Wir tre­ten des­halb ins­be­son­de­re ein für die poli­ti­sche, recht­li­che und sozia­le Gleich­stel­lung aller Menschen. 
Unser Ziel ist es, das Ver­trau­en der Men­schen in ihre eige­ne Kraft zu stär­ken. Mil­lio­nen sind stär­ker als Mil­li­ar­dä­re. Die Kri­tik an den herr­schen­den Ver­hält­nis­sen und der kapi­ta­lis­ti­schen Ideo­lo­gie muss lau­ter wer­den. Die Hand­lungs­fä­hig­keit der arbei­ten­den Klas­se und das Bünd­nis mit sozia­len Bewe­gun­gen ist stär­ker als bis­her zu fördern.
Des­halb kri­ti­sie­ren wir die „Real­po­li­tik“, die Illu­sio­nen in den Par­la­men­ta­ris­mus und jede Art von Stell­ver­tre­ter­po­li­tik schürt. Des­halb liegt der Schwer­punkt unse­rer Akti­vi­tä­ten in den außer­par­la­men­ta­ri­schen Kämp­fen. Nur hier kann die Kraft ent­ste­hen, die in der Lage ist, wirk­sa­me Gegen­wehr zu orga­ni­sie­ren. Gegen Rechts­ruck und Kapitaloffensive!

aus der Rhein-Neckar Bei­la­ge zur Avan­ti Okto­ber 2017
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