Mehrwertproduktion als verschleierte Ausbeutung
Manuel Kellner
Jede Ware muss einen Gebrauchswert haben. Sie muss aber auch einen Tauschwert haben, damit sie von einer Hand in die andere gelangen kann. Eine bestimmte Ware wird zum allgemeinen Gegenwert getauscht. Sie erwirbt damit einen neuen Gebrauchswert als Zahlungsmittel, Mittel der Wertabschätzung und der Schatzbildung.
In der einfachen Warenproduktion bereichert sich normalerweise niemand auf Kosten anderer. Anders sieht das in der entwickelten Warenproduktion aus, in der das Geld zum Kapital geworden ist.
Die Preise bilden sich durch Angebot und Nachfrage vermittelt über die Kaufhandlungen auf dem Markt heraus. Dabei schwanken die Preise um den Wert und pendeln sich auf die entsprechende Höhe ein. Die Höhe des Werts wird durch die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit bestimmt, die zur Produktion der entsprechenden Ware erforderlich ist. Dabei wird die Arbeit nicht als konkrete Arbeit aufgefasst, die ganz bestimmte Produkte hervorbringt, sondern als abstrakte Arbeit, als menschliche Arbeit überhaupt.
Kapital
Kapital ist zunächst einfach eine Geldsumme, die sich vermehrt. Dieses zusätzliche Geld ist der Mehrwert. Beim Wucherkapital geschieht das ganz direkt, indem der Zins dem Schuldner einfach aus der Tasche gezogen wird. Doch auch das Handelskapital vermehrt sich durch Wertübertragung von einer Tasche in die andere, indem Waren billiger eingekauft als verkauft werden. In einer gesamten Nation kann so der Reichtum insgesamt nicht vermehrt werden. In der politischen Ökonomie, der klassischen Volkswirtschaftslehre, wurde deshalb der folgenden Frage nachgegangen: Wie kann es sein, dass sich der Reichtum einzelner und zugleich der Gesamtreichtum einer Nation vermehren kann, auch wenn der Tausch von Waren mit gleichen Werten (Äquivalententausch) vorausgesetzt wird?
Dafür ist eine Klasse von Menschen Voraussetzung, die nichts zu verkaufen haben außer ihrer Arbeitskraft. Diese müssen sie verkaufen, um überleben zu können. Kapitaleigentümer kaufen diese Arbeitskraft und setzen sie in der Produktion ein. Der Wert der Ware Arbeitskraft entspricht ihren gesellschaftlich gegebenen Reproduktionskosten (Lebenshaltungskosten). Sie wird mit dem Arbeitslohn bezahlt. Die produzierten Waren können vom Kapitaleigentümer ebenfalls zu ihrem Wert verkauft werden. Trotzdem hat er nach diesem Vorgang sein eingesetztes Kapital nicht nur wieder zurückerhalten, sondern vermehrt. Wie kann das geschehen?
Mehrwert
Insofern die Arbeit als konkrete Arbeit betrachtet wird, übertragen die ArbeiterInnen den ganzen Arbeitstag über den Wert der Rohstoffe und Maschinen auf das Endprodukt. Wenn sie aber als abstrakte, wertschöpfende, warenproduzierende Arbeit betrachtet wird, bringt sie laufend neuen Wert hervor.
Einen Teil des Arbeitstags wenden die Beschäftigten dafür auf, den Gegenwert (das Äquivalent) ihres Arbeitslohns zu produzieren: Das ist die notwendige Arbeit. Während des verbliebenen Teils erzeugen sie einen zusätzlichen Wert: Das ist die Mehrarbeit. Aus ihr kommt der Mehrwert, der beim Verkauf der Ware realisiert werden kann.
Ausbeutung
Den Mehrwert versuchen die Kapitaleigentümer mit zwei verschiedenen Mitteln zu vergrößern. Erstens durch die Verlängerung des Arbeitstags (absoluter Mehrwert) und zweitens durch die Verkürzung der notwendigen Arbeit (relativer Mehrwert). Letzteres erfordert die Erhöhung der Arbeitsproduktivität durch rationellere Arbeitsorganisation, verstärkten Einsatz von Maschinerie und durch technischen Neurungen. In der kapitalistischen Produktionsweise dreht sich der elementare Klassenkampf daher ebenso sehr um die Arbeitszeit und die Arbeitsbedingungen wie um die Lohnhöhe.
Kapitalistische Ausbeutung ist vielfach verschleiert. Die Beteiligten erscheinen als freie und souveräne Wareneigentümer. Bei Kauf und Verkauf ihrer Waren sollten sie idealistischer Weise nicht geprellt werden. Doch der „Vampirdurst“ des Kapitals nach Mehrwert (Karl Marx) peitscht die kapitalistische Produktionsweise voran und droht, die Menschheit ins Verderben zu treiben.