Während ihres Europaaufenthalts im Herbst 2018 besuchte die Menschenrechtsaktivistin Mabel Carumba auch Mannheim. Wir konnten mit ihr über die Lage in den Philippinen sprechen.*
Unter den „Entwicklungsländern“ gehört die philippinische Wirtschaft zu denjenigen mit den höchsten Wachstumsraten. Wer profitiert davon?
Das ist richtig. Bereits während der Amtszeit von Präsidentin Aquino wuchs die philippinische Wirtschaft. Dies hat sich unter der gegenwärtigen Regierung fortgesetzt. Aber nicht alle hatten davon einen Nutzen. Bei der Mehrheit der armen Bevölkerung ist davon bislang nichts angekommen. Deren Lebensstandard verbesserte sich nicht, da die Löhne und die Massenkaufkraft nicht stiegen.
Im Jahr 2018 kontrollierten die 50 reichsten Personen mit ihren Konzernen den Großteil der nationalen Industrie und Wirtschaft. Und wer in den Philippinen die Wirtschaft kontrolliert, der kontrolliert auch die Politik.
Wie sieht dagegen die Situation der arbeitenden Massen aus?
Gemäß der regierungsoffiziellen Statistik hat im Januar 2018 die Beschäftigungssrate 94,7 % betragen. Dies führte jedoch nicht zu höheren Löhnen. Sehr viele Menschen sind unterbeschäftigt. Rund 15,6 Millionen ArbeiterInnen sind im informellen Sektor tätig – und damit außerhalb des Schutzes durch Arbeitsgesetze. Dies entspricht 38 % der arbeitenden Bevölkerung.
Die arbeitenden Massen leiden unter Armut. Eine landesweite Umfrage der Sozialen Wetterstationen (SWS) im September 2018 ergab, dass sich 52 % der Menschen auf den Philippinen selbst als arm bezeichnen. Dies entspricht 12,2 Millionen Familien. Eine Familie hat durchschnittlich fünf Mitglieder.
Welche Bedeutung hat unter diesen Umständen die Präsidentschaft von Duterte?
Die Großindustrie und die Oligarchen haben nach wie vor sehr großen Einfluss auf die Regierung Dutertes.
Trotz seiner populistischen Propagandakampagne für eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Armen setzt seine Regierung die neoliberale Politik der vorherigen Kabinette fort.
Der Krieg gegen Drogen, der zur Ermordung von mehr als 20.000 Menschen und zur Ausrufung des Kriegsrechts in Mindanao geführt hat, wird vom Großkapital unterstützt, da dadurch „Ruhe und Ordnung“ gesichert werden und dies günstig für dessen Geschäfte ist.
Was sind Eure konkreten Ziele im Mindanao Peoples’ Peace Movement (MPPM)?
Das MPPM ist ein Zusammenschluss von Basisorganisationen der Bangsamoro, der indigenen Völker und der Nachfahren von eingewanderten Siedlern aus verschiedenen Regionen Mindanaos. Es umfasst Organisationen der Menschenrechts-, Friedens- und Umweltbewegung sowie anderer gesellschaftlicher Sektoren (Bauern, Fischer, Arbeiter, Frauen, Jugend, LGBT, Studierende).
Das MPPM will die Solidarität zwischen den verschiedenen Volksgruppen und Gemeinschaften aufbauen, mit dem Ziel eines gerechten und friedlichen Mindanao. Dazu soll eine Plattform geschaffen werden, mit der sie für ihre demokratischen Rechte und die Teilhabe an allen Entscheidungsprozessen, die ihr Leben und ihre Zukunft betreffen, eintreten können.
Das MPPM ist eine der ersten Organisationen, die offen die Ausrufung des Kriegsrechts in Mindanao und die Flut von willkürlichen Tötungen verurteilte. Es dokumentiert Menschenrechtsverletzungen wie Folter, willkürliche Verhaftungen, die Militarisierung der Gemeinden und die Diffamierung von Umwelt- und Bodenrechtsaktivisten, die weiterhin für ihre demokratischen Rechte eintreten, als Terroristen.
Das MPPM arbeitet mit anderen Organisationen wie iDefend zusammen. Es ist mittlerweile Teil von dessen Steuerungsgruppe in Mindanao, wo es konkrete Menschenrechtsverletzungen aufdeckt und sich für Gerechtigkeit und Strafverfolgung einsetzt.
Worin besteht die Arbeit von iDefend (der „Bewegung zur Verteidigung der Menschenrechte und der Menschenwürde auf Mindanao“)?
iDefend ist derzeit eine der größten Menschenrechtsbewegungen in den Philippinen. Als eine der ersten Gruppen kritisierte sie die Politik des Duterte-Regimes, Drogenabhängige und Drogenhändler zu ermorden. Das ist nach wie vor einer der wichtigsten Kritikpunkte an den Menschenrechtsverletzungen und dem Klima der Willkür, das in den Philippinen herrscht.
Wie können wir Euch von Deutschland aus unterstützen?
Menschenrechte zu verteidigen, aktivistisch und uneingeschränkt oppositionell zu sein, ist in den Philippinen derzeit sehr gefährlich.
Wir werden oft als „Unruhestifter“ und „Terroristen“ gebrandmarkt. Jeden Tag werden Menschen ermordet. Die Gewalt wird oft als Bekämpfung der Drogensucht, des Widerstands gegen Verhaftungen oder des Terrorismus dargestellt. Die Willkür und die Straffreiheit dieser Taten verängstigen die Bevölkerung.
Wir bitten die Menschen in Deutschland, auf ihre Regierung anhaltend Druck auszuüben, damit diese die Gräueltaten in unserem Land verurteilt. Unterstützt unsere Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung des Anti-Drogen-Krieges und der willkürlichen Ermordung von Menschen vor dem Internationalen Strafgerichtshof. Genauso wichtig ist es, dass Ihr von Eurer Regierung fordert, bei den Handelsbeziehungen mit den Philippinen nicht wie bisher üblich fortzufahren.
Menschenrechte und die soziale Lage der Bevölkerung sollten wichtiger sein als Profite. Wir brauchen Eure Solidarität, um unsere Stimme des Widerstands verstärken zu können. Gemeinsam sollten wir die Rückkehr von Faschisten und autoritären Regierungen bekämpfen.
*[Die Fragen stellte W.A.; U.D. übersetzte das Interview aus dem Englischen.]