Es wird Zeit zu rebellieren!
M. G.
Gegen eines der größten Probleme – die drohende Klimakatastrophe – wendet sich die weltweite Bewegung Fridays for Future. Mit dem Schulstreik der damals 15-jährigen schwedischen Schülerin Greta Thunberg fing am 20. August 2018 alles an. Am 15. März 2019, dem großen internationalen Aktionstag, haben dann Millionen vor allem junger Menschen auf allen Kontinenten für konsequenten Klimaschutz demonstriert.
Auf der UN-Klimakonferenz in Katowice im Dezember 2018 sprach Greta unerschrocken das aus, was sich viele Erwachsene ihrer Meinung nach nicht trauten: „Wir können die Welt nicht mehr retten, indem wir nach den Regeln spielen. Es wird Zeit zu rebellieren, um unsere Zukunft zu retten.“
Und weiter führte sie aus: „Wir können eine Krise nicht lösen, ohne sie als Krise zu behandeln. Wir müssen die fossilen Brennstoffe im Boden lassen und wir müssen uns auf Gerechtigkeit konzentrieren. Und wenn Lösungen innerhalb dieses Systems so unmöglich zu finden sind, dann sollten wir vielleicht das System selbst ändern.“
Kapitalismus heute
Alle diejenigen, die Gretas Aussagen für richtig halten, laden wir deshalb ein, weitere Fragen zu stellen. Zum Beispiel: Was heißt Kapitalismus heute?
Die bekannten Fakten sprechen für sich:
• Umweltzerstörung und Klimawandel bedrohen unsere Lebensbedingungen und die Rest-Natur.
• Mit den vorhandenen Atomwaffen kann die Menschheit mehrfach vernichtet werden.
• Etwa 1 % der Weltbevölkerung besitzt fast die Hälfte des Weltvermögens.
• 1.300 Konzerne kontrollieren 80 % der Weltwirtschaft.
• Konzerne und Superreiche minimieren durch Tricks skrupellos ihre Steuern.
• Rund 158 Mrd. € an Steuern werden so pro Jahr allein hierzulande vermieden.
Das sind keine akzeptablen Grundlagen für eine gute Zukunft der großen Mehrheit der Menschen.
Ist der Kapitalismus nun aber alternativlos, wie seitens Politik, Medien und Wirtschaft behauptet wird? Nein. Aber warum sind alle bisherigen Versuche, ihn zu „zähmen“ oder ihn abzuschaffen, gescheitert?
Um Antworten zu finden, müssen wir einen Blick zurückwerfen.
Ein Blick zurück
Vor mehr als 170 Jahren fand die Gründung der organisierten ArbeiterInnenbewegung statt. Sie war eng verbunden mit der Verteidigung der sozialen und wirtschaftlichen Interessen der arbeitenden Klasse gegen das Kapital – und mit der Perspektive einer neuen, einer sozialistischen Gesellschaft.
Wir sind gut beraten, nicht nur aus dem Scheitern revolutionärer Klassenkämpfe im 19. und 20. Jahrhundert Schlussfolgerungen zu ziehen. Wir müssen auch den historischen Bankrott von Sozialdemokratie und Stalinismus verstehen.
Die Sozialdemokratie hatte mit der Zustimmung zu den Kriegskrediten im August 1914 endgültig die Seiten gewechselt. Sie trägt auch die politische Verantwortung für die blutige Unterdrückung der Novemberrevolution 1918. Statt dem Sozialismus wurde so dem Faschismus – also dem Kapitalismus in seiner bisher brutalsten Form – der Weg geebnet.
Die bürokratisch gewendete KPD durfte auf Befehl Stalins in den Jahren vor 1933 nicht für eine Einheitsfront eintreten. Sie musste die SPD als „Sozialfaschisten“ bekämpfen. Die Zerschlagung der stärksten ArbeiterInnenorganisationen der damaligen kapitalistischen Welt durch die Nazis konnte so besiegelt werden. Das war eine historische Niederlage, die bis heute nachwirkt.
Und nach dem Ende der NS-Diktatur? Bis heute ist es nicht gelungen, eine konsequente antikapitalistische Partei zu schaffen. Auch die 1980 gegründeten Grünen hatten sich nach kapitalismuskritischen Anfängen schnell zu einer etablierten, parlamentsfixierten Partei gewandelt. Sie sind mitverantwortlich für die Politik des Weiter so – nicht zuletzt in der Klima- und Umweltfrage.
Widerstand statt Klimakatastrophe!
Dem jüngsten Bericht des Weltklimarats zufolge ist nur mit radikalen Maßnahmen, die Erderwärmung bis zum Ende dieses Jahrhunderts auf 1,5 Grad Celsius einzudämmen.. Die globalen CO2-Emissionen müssen bis 2030 um 45 % reduziert werden, bezogen auf das Basisjahr 2010. Bis 2050 muss die Weltwirtschaft CO2-neutral sein. Vor allem ist erforderlich, dass Energie gespart und nicht weiter vergeudet wird. Zudem müssen bis dahin mindestens 80 % der fossilen Energieträger in der Erde bleiben. Doch die Vorkommen von Erdöl, Erdgas, Steinkohle und Braunkohle bedeuten für die großen Energiekonzerne immense Profite. Darum kämpfen sie mit Zähnen und Klauen.
Nicht nur der Energiesektor, sondern die gesamte Wirtschaftsordnung beruht auf demselben Prinzip: Gnadenlose Ausbeutung von Mensch und Natur, um immer mehr „Wachstum“ zu produzieren. Dieses Vorgehen macht Kapitaleigner immer reicher.
Vor der Durchsetzung des Kapitalismus gab es diesen Zwang zu stetigem Wachstum nicht. Dessen Ergebnis ist eine andauernde Überproduktion, die immer wieder Wirtschaftskrisen verursacht.
Konzernmacht brechen
Auch deshalb muss die Macht der Konzerne gebrochen werden. Die Wirtschaft darf nicht weiter auf Gewinnmaximierung beruhen. Sie muss den Bedürfnissen von Mensch und Natur gerecht werden. Das können wir nur durch eine sehr große außerparlamentarische Massenbewegung und durch allgemeine Streiks erreichen – hier bei uns und weltweit.
Die wirtschaftlich und politisch Herrschenden handeln vollkommen unverantwortlich. Sie nehmen die Vernichtung der Erde und unser aller Zukunft in Kauf.
Ihr Motto lautet: „Vor allem darf es keine Verluste für die Aktionäre geben!“ Ein aktuelles Beispiel dafür ist der Einfluss der Konzerne auf die Kohlekommission, die den Ausstieg aus der Kohleverstromung auf 2038 verschieben will.
Die herrschende Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung führt auch zu immer größerer sozialer Ungleichheit und zu Kriegen. Sie richtet immer schlimmere Verwüstungen und Zerstörungen an.
Eine andere, eine bessere Welt ist nötig und möglich! Das erfordert eine grundlegende Veränderung von Wirtschaft und Gesellschaft. Nicht mehr der Profit, sondern die demokratisch organi- sierte Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse (Ernährung, Bildung, Wohnen, Kultur, Arbeit, Gesundheit, Pflege, Infrastruktur …) und der Schutz der Natur werden dann im Zentrum stehen.
Müssen wir dann auf Wohlstand verzichten? Nein! Wir werden ein viel besseres Leben gewinnen. Reichtum wird dann nicht mehr an Geld, sondern an der Qualität des Lebens gemessen. Freie, selbstbestimmte Zeit für alle Menschen wird dann ausreichend vorhanden sein – für ein aktives gesellschaftliches und politisches Engagement, für Kreativität, Genuss und Ruhe, Fürsorge und Liebe.
Gleiche Rechte statt Rassismus!
Gegen den Einsatz für eine humane Alternative zum Kapitalismus betreiben nicht nur die Erben der Nazis seit Jahren eine niederträchtige Hetzkampagne. Mit Parolen wie „Flüchtlingsflut“, „Islamisierung“ oder „Asylschmarotzer“ machen vor allem rechte Kreise Stimmung. Sie organisieren und unterstützen Terror. Sie schüren Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. In den letzten Jahren haben sie ihre Kampagne noch einmal verstärkt.
Ihre Hassobjekte sind die Ärmsten der Armen. Menschen, die vor Krieg, Unterdrückung, Ausbeutung, Armut und Perspektivlosigkeit fliehen. Menschen, die deswegen ihr Leben riskieren.
Weltweit waren 2017 laut UN rund 68,5 Millionen Menschen auf der Flucht. Das ist ein neuer Höchststand seit dem Zweiten Weltkrieg. Dennoch ist die Zahl der Asylanträge in Deutschland laut FAZ vom 30.06.2018 von 745.545 (2016) auf 65.846 (im 1. Hj. 2018) aufgrund der Abschottungspolitik der EU massiv gesunken.
Rassismus als Spaltpilz
Vordergründig geht es den Rechten und Ultrarechten um Wahlerfolge. Strategisch geht es ihnen um die Beseitigung unserer demokratischen und sozialen Grund- und Menschenrechte.
Sie bauen mit Rassismus Sündenböcke (die MigrantInnen) auf und vertiefen die Spaltung der arbeitenden Klasse (deutsche Arme gegen ausländische Arme). Sie lenken damit von der hemmungslosen Bereicherung an der Spitze der Gesellschaft ab.
Nennen wir das Problem beim Namen: Es heißt Kapitalismus, und es heißt Rassismus.
In dem Aufruf „Solidarität statt Heimat“ heißt es zurecht: „25 Jahre nachdem der Deutsche Bundestag auf rechtsextreme Anschläge und Morde mit der Einschränkung des Grundrechts auf Asyl antwortete, erleben wir wieder eine Politik, die ohne Not und am laufenden Band Zugeständnisse an rassistische Ressentiments macht. Es wird auf Abschottung und Ausschluss gesetzt, die Grenzen werden wieder hochgezogen, Schutzsuchende in Lager gesperrt, Menschenrechte missachtet, Bürgerrechte systematisch abgeschafft und dort, wo sie noch existieren, kaltschnäuzig umgangen.“
Grund- und Menschenrechte verteidigen
In Deutschland und der EU wurden und werden aufgrund der neoliberalen Umverteilungspolitik enorme Mittel für gesellschaftliche Solidarität gekürzt. Statt der dringend erforderlichen öffentlichen Investitionen wurden und werden vor allem die Interessen der Konzerne und Reichen bedient. Statt gute Arbeit, Bildung, Gesundheit, Infrastruktur, Kultur, Pflege, Umweltschutz und Wohnungsbau wirksam zu fördern, erhält die grenzenlose Bereicherung der herrschenden Klasse weiter Vorfahrt.
Im Kampf gegen Rechts sind Bündnisse und Initiativen erforderlich, die auf eine breitestmögliche Einheit aller antifaschistischen Kräfte orientieren. Das Hofieren der AfD als „normale Partei“ ist ebenso abzulehnen, wie die Beschränkung ihrer Abwehr auf institutionelles Vorgehen.
Unterstützenswert sind auch möglichst breit getragene Demonstrationen und eine Vielzahl von Aktionsformen (z. B. Blockaden). Da staatliche Organe erfahrungsgemäß in vielfacher Weise mit rechten Gruppen verbunden sind, sollten in erster Linie die solidarische gemeinsame Selbstverteidigung und der Schutz der von Nazis angegriffenen Menschen im Vordergrund stehen.
Für besonders wichtig halten wir, dem nicht nur von der radikalen Rechten versprühten rassistischen Gift in der arbeitenden Klasse entgegenzuwirken.
Solidarität statt Vereinzelung!
Rechte für Beschäftigte und Betriebsräte, Tarifverträge und Gewerkschaften gelten schon viel zu oft als Hindernisse für Profitmaximierung. Das ist ganz im Sinne des neoliberalen Kapitalismus. Mit der „Digitalisierung“ streben Kapital & Politik zudem eine grundlegende Transformation der Arbeitswelt an.
Durch die beschleunigte Prekarisierung, Verlagerung, Vernichtung und Zerstückelung von Arbeit soll das Kräfteverhältnis noch mehr zu Gunsten des Kapitals verschoben werden. Die verbliebene Schutzmacht von Gewerkschaften soll entscheidend geschliffen werden. Schon jetzt gelten nur noch für 55 % der Beschäftigten und in 27 % der Betriebe in Deutschland Tarifverträge.
Gegen diesen Klassenkampf von oben hilft kein Kuschelkurs. Der Traum von der „Sozialpartnerschaft“ endet sonst immer schneller in dem Albtraum der „marktkonformen Demokratie“ (Merkel).
Erforderlich ist deshalb die Organisierung betrieblicher, gewerkschaftlicher und gesellschaftlicher Gegenwehr. Erforderlich ist ein allgemeiner gewerkschaftlicher und politischer Kampf für unsere Rechte, für unsere Arbeits- und Ausbildungsplätze und gegen den Klimawandel. Macht braucht wirksame Gegenmacht! Hier und überall!
Unsere Aufgabe ist es, geduldig solidarischen Widerstand zu entwickeln.
Organisiert Euch!
Das erfordert aktive „kämpferische Kerne” in den Betrieben, in den Gewerkschaften und in der Gesellschaft. Sie müssen sich vernetzen und demokratisch organisiert handeln.
Unabhängig von dem jeweiligen politischen Aktionsfeld wird es ohne bewusst organisierte und solidarisch handelnde Strukturen keine Wahrnehmung der durchaus existierenden Chancen für Widerstand geben – weder im Kleinen noch im Großen: Ohne Résistance keine Chance!
Unser Aktionsschwerpunkt liegt im Aufbau einer außerparlamentarischen Opposition. Kämpferische Aktionseinheiten können soziale Protestbewegungen stärken. Und sie können Ansätze für eine Einheitsfront der arbeitenden Klasse fördern. Durch solch ein Vorgehen ist es möglich, die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse zu Gunsten der großen Mehrheit zu verbessern.
So können wir nicht nur unsere Rechte verteidigen und Vereinzelung überwinden. Wir vermögen dann auch, besser gegen wirtschaftliche Ausbeutung, soziale Ungleichheit, politische Entmündigung, hemmungslose Naturzerstörung und zynische Menschenverachtung anzukämpfen. Gleichzeitig sind wir so in der Lage, entschiedener Kriegshetze, Nationalismus, Rassismus, Sexismus und braunem Populismus entgegenzutreten.
Unsere strategische Orientierung im Kampf für eine solidarische und ökologische Welt ist nicht neu, aber dennoch hochmodern: Wir wollen geduldig unsere gesellschaftliche Wirkung stärken und im Alltagskampf die Notwendigkeit einer antikapitalistischen und internationalistischen Orientierung deutlich machen. Damit können wir einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau einer revolutionär-sozialistischen Organisation und Internationale leisten. Dies ist kein Selbstzweck, sondern für den Erfolg von Widerstandsbewegungen sehr nützlich und zur Überwindung des Kapitalismus unabdingbar.
Es ist an der Zeit aufzustehen und aktiver zu werden. Gegen Klimakatastrophe, Rassismus und Kapitalismus! Für die Verteidigung unserer Grund- und Menschenrechte!
Eine demokratische, ökologische und solidarische Alternative der 99 % zum Kapitalismus der 1 % ist möglich und durchsetzbar. Hierzulande, in Europa und weltweit.