Fir­men und Kon­zer­ne als „Inves­ti­ti­ons­ob­jek­te“

Beleg­schaf­ten als Spiel­ball des Großkapitals

(Teil III*)

S. T.

Ein Gespenst geht um. Auch in der Rhein-Neckar-Regi­on. Immer öfter kommt es zum Kauf bezie­hungs­wei­se Ver­kauf von Fir­men, ja von gan­zen Kon­zer­nen. ABB und Hita­chi, Als­tom und Gene­ral Elec­tric, Nora und Inter­face, PFW und Hut­chin­son, VAG und Aure­li­us – das sind nur eini­ge der Namen, die in der letz­ten Zeit bekannt gewor­den sind.

Die Maß­nah­men der im zwei­ten Teil unse­rer Arti­kel­se­rie beschrie­be­nen „sys­te­ma­ti­sche Gehirn­wä­sche“ sind nur der Anfang.

Protest gegen Arbeitsplatzabbau am 1. Mai 2017 in Mannheim (Foto: helmut-roos@web.de)

Pro­test gegen Arbeits­platz­ab­bau am 1. Mai 2017 in Mann­heim (Foto: helmut-roos@web.de)

Zusätz­lich wird in Betrie­ben oft auch zu einer „Matrix­or­ga­ni­sa­ti­on“, das heißt einer „Mehr­li­ni­en­or­ga­ni­sa­ti­on“, über­ge­gan­gen. Da in der Matrix fast alle zwei oder sogar mehr Chefs haben, müs­sen alle Berei­che ler­nen, mit den mehr­fa­chen und oft wider­sprüch­li­chen Anfor­de­run­gen umzu­ge­hen. So ent­ste­hen wei­te­re Druck­po­ten­zia­le, von denen die Beleg­schaft noch mehr belas­tet wird.

Das Betriebs­kli­ma ver­schlech­tert sich daher. Der Wunsch nach Arbeits­platz­si­cher­heit und ver­läss­li­chen Infor­ma­tio­nen wächst hin­ge­gen. Der Infor­ma­ti­ons­be­darf der Beleg­schaft trifft auf ein Manage­ment, das stän­dig tak­tiert und sei­ne stra­te­gi­schen Zie­le verdeckt.

Geheim­rat oder Betriebsrat?
Ein „sozi­al­part­ner­schaft­li­cher“ Betriebs­rat lässt sich ger­ne von der Geschäfts­lei­tung ein­bin­den und wird gegen­über der Beleg­schaft zum Geheim­rat. Wenn Inter­es­sen­ver­tre­tun­gen sich so ver­hal­ten, för­dern sie direkt oder indi­rekt die Pas­si­vi­tät und Resi­gna­ti­on der Belegschaft.

Das ers­te Jahr nach der Über­nah­me ist schnell vor­bei und damit der gesetz­li­che Schutz nach § 613a BGB beendet.

Das Manage­ment ver­kün­det eine „neue“ Stra­te­gie. Sie wird mit Begrif­fen wie „Opti­mie­rung“ und „Restruk­tu­rie­rung“ getarnt. Die­se Wor­te ste­hen in Wirk­lich­keit für Pro­fit­ma­xi­mie­rung durch Per­so­nal­ab­bau. Die han­deln­den Mana­ger ver­harm­lo­sen, beschwich­ti­gen und ver­su­chen, mit Schein­ar­gu­men­ten zu bewei­sen, dass es über­haupt kei­nen Grund gibt, sich Sor­gen zu machen.

Bei Per­so­nal­ab­bau im Zuge von „Restruk­tu­rie­rung“ ist rela­tiv schnell die Schwel­le zu einer Mas­sen­ent­las­sung erreicht: Bei mehr als 500 Beschäf­tig­ten sind das 30 Ent­las­sun­gen inner­halb von 30 Arbeits­ta­gen (§ 17 Kün­di­gungs­schutz­ge­setz). Dies be- deu­tet meist eine Betriebs­än­de­rung im Sin­ne des § 111 BetrVG. Mit dem Betriebs­rat muss also ein Inter­es­sen­aus­gleich ver­han­delt und gemäß § 112 a BetrVG ein Sozi­al­plan ver­ein­bart werden.

Die meis­ten Betriebs­rä­te ver­su­chen zum Nach­teil der Beschäf­tig­ten einen Per­so­nal­ab­bau so „sozi­al­part­ner­schaft­lich“ als mög­lich zu beglei­ten. Hin­ge­gen schöpft das Unter­neh­men in der Regel sämt­li­che recht­li­chen Mög­lich­kei­ten aus, um die betrof­fe­nen Kol­le­gen­In­nen mög­lichst rasch, bil­lig und zu Las­ten der Sozi­al­kas­sen loszuwerden.

Das Arbeits­um­feld vie­ler Kol­le­gen­In­nen wird kräf­tig durch­ein­an­der­ge­wir­belt. Etli­che erhal­ten einen neu­en Chef und / oder wer­den neu­en Berei­chen zuge­ord­net. Vie­le müs­sen umzie­hen oder wer­den degra­diert, eini­ge Abtei­lun­gen und Füh­rungs­ebe­nen wer­den auf­ge­löst oder neu zusammengesetzt.

In solch einer Situa­ti­on steht der gesam­te Betrieb unter mas­si­ven Stress. Die Angst vor dem Per­so­nal­ab­bau über­wiegt im Ver­hält­nis zu der Angst vor den orga­ni­sa­to­ri­schen Ver­än­de­run­gen. Bald wird klar unter­schie­den zwi­schen denen, die gehen müs­sen, und denen, die blei­ben dürfen.

Ein­bin­dung durch das Management
Das neue Manage­ment ver­sucht, die Beleg­schaft und die Betriebs­rä­te mit immer neu­en Tricks zu über­lis­ten. Auf­wen­di­ge Stu­di­en die­nen dazu, die „Not­wen­dig­keit“ wei­te­rer „Ein­spa­run­gen“ durch den „Nach­weis von Pro­duk­ti­vi­täts­re­ser­ven“ als „alter­na­tiv­los“ dar­zu­stel­len. Dabei hel­fen Refa-Stu­di­en, Mul­ti­mo­ment­auf­nah­men, Gemein­kos­ten­wert­ana­ly­sen und Prozesskostenrechnungen.

Der Betriebs­rat oder zumin­dest ein Teil des Betriebs­rats wird in den Pro­zess „mit­ein­be­zo­gen“. Die schein­ba­re Ein­be­zie­hung erzeugt Akzep­tanz. Denn nie­mand stellt „Lösun­gen“ infra­ge, die er oder sie selbst mit ent­wi­ckelt hat.

Die Kom­mu­ni­ka­ti­on des gesam­ten Inte­gra­ti­ons­pro­zes­ses und des damit ver­bun­de­nen Per­so­nal­ab­baus ist eine urei­ge­ne Auf­ga­be des Managements.

Wenn aber der Betriebs­rat sich als Über­mitt­ler der schlech­ten Nach­rich­ten benut­zen lässt, ver­liert er mas­siv an Anse­hen und an Glaub­wür­dig­keit in der Beleg­schaft. Wenn dann auch noch auf Betriebs­ver­samm­lun­gen sei­tens des Betriebs­rats die „Restruk­tu­rie­rungs­plä­ne“ der Geschäfts­lei­tung nicht infra­ge gestellt wer­den, resi­gniert die Beleg­schaft schnell. So wird die Chan­ce zur gemein­sa­men Gegen­wehr vertan.

* [Teil I und Teil II sind in Avan­ti² Nr. 65 und 66 erschienen.]

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar März 2020
Tagged , , , . Bookmark the permalink.