N. B.
Etwa 60 Genoss*innen der IV. Internationale aus der ganzen Welt diskutierten in einem Online-Seminar des Internationalen Forschungs- und Bildungsinstituts (IIRE – International Institut for Research and Education) vom 18.-21. Juli 2020 das Thema Rassismus in seinem Zusammenhang mit dem Kapitalismus sowie Strategien des antirassistischen sozialistischen Kampfes.
In den theoretischen Beiträgen und persönlichen Erfahrungen der Genoss*innen wurde deutlich, wie eng Rassismus und Kapitalismus zusammenhängen.
Rassismus im globalen Kapitalismus
Diese brutale Verbindung geht bis auf die Entstehung des Kapitalismus zurück, als Menschen versklavt und im globalen Handel gegen unterschiedliche Produkte eingetauscht wurden. Diese Verdinglichung von Menschen sowie die Verdrängung und Ausrottung der indigenen Bevölkerung ermöglichte als Teilaspekt der „ursprünglichen Akkumulation“ den Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus.
Kolonialismus und Imperialismus setzten den Kapitalismus letztlich in der ganzen Welt durch. Erst zur Legitimierung dieser Politik wurde der „wissenschaftliche“ Rassismus entwickelt, der eine biologische Unterlegenheit Schwarzer und anderer indigener Menschen zu erklären vorgab.
Heute entfernen sich Rassist*innen meist von solch biologistischen Argumenten und bewegen sich hin zu einem Ethnozentrismus. Er zielt auf die Einheit der vermeintlich überlegenen abendländischen Kultur und fordert daher „undurchlässige“ nationale Grenzen zu ihrem „Schutz“.
Nachdem der Rassismus dem Kapitalismus eine nützliche Ideologie zu seiner weltweiten Durchsetzung geliefert hatte, funktioniert er heute als willkommenes Hindernis bei der Bildung von Klassenbewusstsein, indem er die arbeitenden Klassen in sich spaltet.
Ähnlich wirkt auch die Unterdrückung der Frau, die zudem „rassifizierte“ – d. h. mit rassistischen Zuordnungen diskriminierte – Arbeiterinnen in eine besonders prekäre und gefährliche Lage bringt. Genossinnen berichteten von tödlichen illegalen Abtreibungen, Zwangssterilisierungen indigener Frauen und politisch motivierten Vergewaltigungen.
Dabei müsste der Rassismus der Herrschenden uns eigentlich als Warnung davor dienen, in welcher Brutalität sie in der Lage sind, Arbeiter*innen auszubeuten – zunächst nur einen Teil, mit der Zeit die ganze Klasse.
Antirassistische Kämpfe
Aus dem engen Zusammenhang von Rassismus und Kapitalismus ergibt sich, dass antirassistische Kämpfe gleichzeitig antikapitalistische Klassenkämpfe sind und Klassenkämpfe immer auch antirassistisch geführt werden müssen.
Die Black Lives Matter-Bewegung in den USA und die erstmalige breite Beteiligung weißer Arbeiter*innen daran wurden als Ausdruck dessen gedeutet, dass die unterschiedlich rassifizierten Arbeiter*innen zunehmend erkennen, dass sie im Grunde unter dem gleichen System leiden – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – und das gemeinsame Interesse teilen, ihre Unterdrückung und Ausbeutung zu überwinden. Verbindende Elemente finden sich neben der Sphäre der (Lohn-) Arbeit auch in anderen Lebensbereichen wie dem Zugang zu gutem Wohnraum, Transport, Nahrung und Gesundheit.
Am Ende des Seminars stand fest, dass dieses nur ein Neuanfang in der antirassistischen Arbeit der IV. Internationale sein konnte. Sowohl die Diskussion um die Entstehung und Wirkweise von Rassismus als auch die Untersuchung und Entwicklung antirassistischer, sozialistischer Kämpfe müssen vertieft und ausgebaut werden.