H. N.
Im laufenden Jahr wollen allein die 30 Dax-Konzerne 100.000 Arbeitsplätze vernichten. Die meisten Stellen – mehr als 30.000 – will Volkswagen streichen. Mit den angekündigten Kürzungsprogrammen sollen die Profite dieser Unternehmen künftig um jährlich 20 Milliarden Euro gesteigert werden. Diese Summe entspricht in etwa einem Viertel des gesamten Nettogewinns im letzten Geschäftsjahr.
Auch hier in der Region ist Stellenabbau nach wie vor kein Fremdwort. Der große Kahlschlag bei General Electric (GE) ist noch nicht abgeschlossen. Bei VAG und anderen Unternehmen ist aus reiner Profitgier die Vernichtung vieler Arbeitsplätze angekündigt worden.
Angesichts der negativen Auswirkungen von „Digitalisierung“ und „Elektromobilität“ auf die Arbeitswelt wird die Sozialplan-Routine von Betriebsräten und Gewerkschaften noch weniger als bisher weiterhelfen. Statt aus Angst vor der Schwächung der „Konkurrenzfähigkeit“ der deutschen Unternehmen immer zahnloser zu werden, ist für die Interessenvertretungen der abhängig Beschäftigten eine radikale Neupositionierung angesagt.
Die Forderung nach einem Verbot von Entlassungen stammt ursprünglich aus unserem Nachbarland Frankreich. Dort wird sie schon seit Jahren vom radikalen Flügel der ArbeiterInnenbewegung vertreten. Auch hierzulande hat diese Parole in der Gewerkschaftsbewegung einen – allerdings bisher noch bescheidenen – Widerhall gefunden.
Alstom-KollegInnen als Vorkämpfer
Es ist kein Zufall gewesen, dass ausgerechnet die Beschäftigten von Alstom in Mannheim die Losung als erste in Deutschland aufgriffen haben. Sie demonstrierten am 2. Juli 2003 mit ihren KollegInnen aus Frankreich und anderen Ländern vor der Pariser Zentrale gegen konzernweite Arbeitsplatzvernichtung.
In Mannheim organisiertem sie mit ihrem Betriebsrat und dem IG -Metall-Vertrauenskörper den Widerstand auf allen Ebenen – vor allem im „eigenen“ Betrieb und vor Ort. Zudem hatten sie glaubwürdige Alternativen zu den Kahlschlagplänen der Unternehmensspitze entwickelt – ohne Verzicht auf tarifliche Standards.
Der „Mannheimer Appell“ des Alstom-Betriebsrats und der IGM-Vertrauenskörperleitung vom Juli 2005 hat nach wie vor seine Berechtigung. Dort heißt es: „Wir rufen […] alle von Entlassungen oder Werksschließungen bedrohten Belegschaften und unsere Gewerkschaften auf: Koordiniert den Widerstand über alle Grenzen hinweg! Fordern wir gemeinsam die Einhaltung des Grundgesetzes ein: ‚Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Eine Enteignung ist […] zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.‘ (Artikel 14 GG.) Kämpfen wir deshalb auch für ein Verbot von Entlassungen! Unterstützen wir aktiv den Widerstand gegen Arbeitsplatzabbau – ob bei Alstom oder anderswo!“
Rechtsfragen sind Machtfragen
Aus ihren Erfahrungen in einem der längsten und phantasievollsten Kämpfe gegen Arbeitsplatzabbau in Deutschland leiteten die AlstomerInnen einerseits die Notwendigkeit ab, durch massiven Druck ein Verbot von Entlassungen durchzusetzen. Andererseits verknüpften sie diese Forderung mit der Frage der Enteignung. All dies wird nicht von oben geschenkt werden. Um es in Anlehnung an Ferdinand Lassalle zu sagen: Rechtsfragen sind Machtfragen. Sie werden allein durch Kämpfe entschieden.
Viele Kapitalisten beziehungsweise „Investoren“ haben begonnen, eine brutale Strategie umzusetzen. Nicht nur aus „wirtschaftlichen“, sondern vor allem auch aus politischen Gründen.
Sie bekämpfen aktive Betriebsräte und die gewerkschaftliche Organisierung. Rechte für Beschäftigte, Betriebsräte und Gewerkschaften sehen sie als Behinderung ihrer Profitmaximierung an. Sie wollen möglichst Ausbeutung pur.
Gegen diesen Klassenkampf von oben hilft kein Kuschelkurs. Der bequeme Traum von der „Sozialpartnerschaft“ wird sonst in einem Alptraum enden.
Erforderlich ist deshalb die Herausbildung von harten Kernen in den Betriebsräten und die aktive gewerkschaftliche Organisierung der Belegschaften. Sie sind wesentliche Vorrausetzungen für betrieblichen Widerstand. Erforderlich ist zudem ein allgemeiner gewerkschaftlicher Kampf für unsere Rechte und gegen Arbeitsplatzvernichtung.
Nicht die Menschen müssen der Wirtschaft, sondern die Wirtschaft muss den Menschen dienen!