Betriebs­ar­beit in Zei­ten der „Coro­na-Pan­de­mie“

Ein Gespräch mit Betriebs­rä­tin­nen und Betriebs­rä­ten (I.Teil)*

 

Seit Wochen sind die COVID-19-Pan­de­mie und die damit ver­bun­de­nen Ein­schrän­kun­gen die vor­herr­schen­den The­men. Ande­re Pro­ble­me scheint es nicht mehr zu geben. Für uns Grund genug, mit Kol­le­gIn­nen aus Che­mie-, Metall- und Spe­di­ti­ons­un­ter­neh­men über die aktu­el­le betrieb­li­che Situa­ti­on zu reden.

Ist Euer Unter­neh­men von der „Coro­na-Kri­se“ betroffen?
Hei­ko: Bei uns merkt man der­zeit noch nichts von der Kri­se. In Teil­be­rei­chen gibt es jetzt sogar mehr Auf­trä­ge als vorher.

Tom: Wir wickeln die Logis­tik für einen gro­ßen Auf­trag­ge­ber ab. Das läuft noch ganz gut. Aber wenn der Auf­trag­ge­ber Kurz­ar­beit machen soll­te, dann ste­hen auch wir vor Kurz­ar­beit oder Entlassungen.

Cla­ra: Wir hören von der Unter­neh­mens­lei­tung eigent­lich seit Jah­ren die­sel­be Lei­er – die Gewin­ne sind zu nied­rig und die Kos­ten zu hoch. Jetzt feh­len angeb­lich Gewin­ne wegen der Coro­na-Kri­se. Wahr­schein­lich wird es Kurz­ar­beit geben.

Kevin: Der Betrieb steht noch gut da. Aller­dings ist unklar, ob die glo­ba­len Lie­fer­ket­ten wei­ter funk­tio­nie­ren. Es kann also den­noch zu Kurz­ar­beit kommen.

Wird das Virus vom Manage­ment ernst genommen?
Cla­ra: Anfangs nicht. Nach­dem wir jedoch den ers­ten „Coro­na-Fall“ hat­ten, hat sich das geän­dert. Die Unter­neh­mens­lei­tung will kei­ne Infek­ti­ons­wel­le im Unter­neh­men, denn dann wür­de es wirk­lich stillstehen.

Kevin: Bei uns war es ähnlich.

Hei­ko: Wir hat­ten noch kei­ne Infek­ti­on. Anfangs war Coro­na ein „chi­ne­si­sches Pro­blem“. Aber lang­sam wur­de klar, dass dies nicht stimmt. Die Kon­zern­lei­tung hat als ers­te reagiert und danach auch die Standortleitung.

Tom: In unse­rer Nie­der­las­sung gab es noch kei­nen Fall. Aber im Kon­zern schon. Vie­le von uns arbei­ten im Rah­men von Werk­ver­trä­gen in ande­ren Fir­men. Daher ist die Situa­ti­on sehr unterschiedlich.

Torblockade bei Alstom Mannheim, 16. April 2014 (Foto: helmut-roos@web.de)

Tor­blo­cka­de bei Als­tom Mann­heim, 16. April 2014 (Foto: helmut-roos@web.de)

Wer­den im Unter­neh­men Maß­nah­men umgesetzt?
Cla­ra: Die meis­ten Büro-Beschäf­tig­ten wur­den ins „Home­of­fice“ geschickt. Bespre­chun­gen wer­den als Video- oder Tele­fon­kon­fe­renz durch­ge­führt. In Pro­duk­ti­on, Instand­hal­tung und Logis­tik wur­den „Infek­ti­ons­schutz­maß­nah­men“ ange­ord­net. Zum Bei­spiel muss auf den Min­dest­ab­stand geach­tet oder eine Mas­ke getra­gen wer­den, Pau­sen wer­den getrennt gemacht, Umzie­hen und Duschen wur­den ver­bo­ten. Also Punk­te, die auch aus Sicht des Arbeits­schut­zes pro­ble­ma­tisch sind.

Kevin: Auch bei uns wur­den Maß­nah­men ver­ord­net. Fast schon panisch und kopf­los. Kol­le­gIn­nen wur­den ins Home­of­fice geschickt. Man­che muss­ten sogar ihren Büro-PC selbst abbau­en und mit­neh­men. Alles ohne vor­he­ri­ge Zustim­mung des Betriebs­ra­tes. Die Bespre­chun­gen, zumin­dest die in der Ver­wal­tung, wer­den per Tele­fon- oder Video­kon­fe­renz durch­ge­führt. Für die Pro­duk­ti­on wur­den Mas­ken und „Spuck­vi­sie­re“ besorgt.

Das hört sich so an, als gin­ge jetzt der Arbeits- und Gesund­heits­schutz doch vor Pro­duk­ti­on und Gewinn? Stimmt das?
Cla­ra: Nein, lei­der nicht. Es geht letzt­end­lich nur dar­um, dass Pro­duk­ti­on, Ein­kauf und Ver­trieb wei­ter funk­tio­nie­ren. Bei uns gibt es Arbei­ten, bei denen kannst du kei­nen Abstand hal­ten oder dau­er­haft eine Mas­ke tra­gen. Selbst bei „Home­of­fice“ ist es egal, ob die Arbeits­plät­ze den Anfor­de­run­gen genü­gen. Haupt­sa­che es läuft.

Kevin: Die Fra­ge ist wohl eher ein Scherz. Allein wenn ich an die Umset­zung des Arbeits­schut­zes und der Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung in den letz­ten Jah­ren den­ke, wird mir schlecht. Das The­ma ist für die Geschäfts­füh­rung ein rotes Tuch. Die sind der Mei­nung, dass das viel zu viel Geld kos­ten und der Betriebs­rat damit nur in die Ent­schei­dung des Betrie­bes ein­grei­fen wür­de. Das ist jetzt auch nicht anders. Natür­lich müs­sen sie jetzt han­deln. Aber denen geht es nur um den Fort­gang der Pro­duk­ti­on. Und am bes­ten ohne Mit­be­stim­mung des Betriebs­ra­tes. Wenn man die Gesund­heit vor­an­stel­len wür­de, müss­te die Pro­duk­ti­on wahr- schein­lich ein­ge­stellt werden.

Tom: Wir sind im Grun­de ver­pflich­tet, die Vor­ga­ben und Maß­nah­men des Auf­trag­ge­bers umzu­set­zen. Das heißt, die Infek­ti­ons­schutz­maß­nah­men müs­sen ein­ge­hal­ten wer­den, aber gleich­zei­tig müs­sen die Auf­trä­ge erle­digt wer­den. Und am Ende geht das vor den Gesund­heits­schutz, auch wenn etwas ande­res behaup­tet wird.

* [Die Fra­gen stell­te U.D., die Namen der Kol­le­gIn­nen wur­den geändert.]

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Mai 2020

 

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