Betriebs­rats­ar­beit - Bes­ser mit Stra­te­gie (Teil II)

U. D.

Am 21. Mai 2022 orga­ni­sier­te die ISO Rhein-Neckar ein Betriebs­rats- und Gewerk­schafts­se­mi­nar. Das Ein­lei­tungs­re­fe­rat setz­te sich mit den Rah­men­be­din­gun­gen von Betriebs­rats­ar­beit aus­ein­an­der. Sein ers­ter Teil erschien in Avan­ti² von Juli / August 2022. Hier folgt nun der zwei­te Teil.

Der bereits skiz­zier­te gesell­schafts­po­li­ti­sche Rah­men hat erheb­li­che Aus­wir­kun­gen auf die Arbeits- und Lebens­be­din­gun­gen der arbei­ten­den Klas­se und damit auch auf die poli­ti­sche und gewerk­schaft­li­che Arbeit im Betrieb und im Betriebs­rat. Aber ent­schei­dend für die­se Arbeit sind immer noch die betrieb­li­chen Bedin­gun­gen: Die Bran­che des Unter­neh­mens, pro­du­ziert es oder bie­tet es Diens­te an, wel­ches Gewicht haben Pro­duk­ti­on, Ver­wal­tung, Ent­wick­lung, Instandhal- tung, Logis­tik, ist es tarif­ge­bun­den, gibt es eine gewerk­schaft­li­che Tra­di­ti­on, ist die Beleg­schaft kämp­fe­risch, wie agiert der betrieb­li­che Führungsapparat …

Protest bei ICL-Giulini in Ladenburg, 19. Januar 2015. (Foto: Avanti².)

Pro­test bei ICL-Giu­li­ni in Laden­burg, 19. Janu­ar 2015. (Foto: Avanti².)

Bewusst­sein und Organisierung
Die meis­ten Beschäf­tig­ten haben ande­re Inter­es­sen als „ihr“ Unter­neh­men. Sie wol­len kür­zer arbei­ten, mehr Urlaub, höhe­re Löh­ne und weni­ger Arbeits­druck. Ande­rer­seits sehen sie sich in einer „Schick­sals­ge­mein­schaft“ mit „ihrem“ Unter­neh­men. Geht es dem Unter­neh­men schlecht, ist „ihr“ Arbeits­platz bedroht. Geht es ihm gut, füh­len sie sich rela­tiv sicher.

Aber der Unter­neh­mens­er­folg ist kein Garant für siche­re Arbeits­plät­ze. Ver­käu­fe, Umstruk­tu­rie­run­gen, Aus­glie­de­run­gen und Ver­la­ge­run­gen von Unternehmen(steilen) sowie ste­ti­ge „Opti­mie­rung“ der Arbeits­pro­zes­se und Erhö­hung des Arbeits­drucks sind betrieb­li­cher All­tag und erzeu­gen per­ma­nen­te, oft­mals unbe­wuss­te Verunsicherung.

Doch nicht jede Beleg­schaft reagiert dar­auf mit Gegen­wehr und Wider­stand. Im Gegen­teil! Feh­len gewerk­schaft­li­che Orga­ni­sie­rung und betrieb­li­che Kampf­tra­di­ti­on kann die Beleg­schaft sogar bereit sein, auf bestehen­de Rech­te und Ansprü­che zu ver­zich­ten. Genau dies führt zu einer Unter­bie­tungs­kon­kur­renz zwi­schen Beleg­schaf­ten oder ein­zel­nen Beschäf­tig­ten und droht die Bedin­gun­gen der gesam­ten arbei­ten­den Klas­se zu verschlechtern.

Die ent­schei­den­de Ant­wort der arbei­ten­den Klas­se auf die­se Situa­ti­on war die über­be­trieb­li­che, gewerk­schaft­li­che Orga­ni­sie­rung. Erst dadurch konn­te die Ver­ein­ze­lung über­wun­den und soli­da­risch gegen die Kapi­tal­macht gehan­delt wer­den. Die Erfah­rung und das Wis­sen dar­über gehen jedoch immer mehr ver­lo­ren. Nicht zuletzt, weil die Gewerk­schafts­füh­run­gen auf „Sozi­al­part­ner­schaft“ mit dem Kapi­tal und auf ein­zel­be­trieb­li­che „Stand­ort­lo­gik“ ori­en­tie­ren. Die­ser Kurs führt zu Ent­po­li­ti­sie­rung und Ent­so­li­da­ri­sie­rung und schwächt die arbei­ten­de Klasse.

Wer eine akti­ve und kämp­fe­ri­sche Arbeit im Betrieb und im Betriebs­rat auf­bau­en will, muss ver­su­chen, die­ser Ten­denz ent­ge­gen­wir­ken. Zum Bei­spiel durch die Ableh­nung der „Sozi­al­part­ner­schaft“ als Richt­schnur für die Pra­xis, durch die Ver­deut­li­chung der unter­schied­li­chen Inter­es­sen von Beleg­schaft und Unter­neh­men sowie den Auf­bau der Gewerk­schaft im Betrieb als ele­men­ta­re Klassenorganisation.

Stra­te­gi­sche Pro­fit­ma­xi­mie­rung
Das zen­tra­le Inter­es­se eines Unter­neh­mens bzw. sei­nes Manage­ments ist es, den maxi­ma­len Pro­fit zu erzie­len. Dabei wird ver­sucht, nichts dem Zufall zu über­las­sen, son­dern stra­te­gisch zu pla­nen und zu han­deln. Das gesam­te Unter­neh­men wird dafür hier­ar­chisch von oben nach unten durch­or­ga­ni­siert und die­sem Ziel des Maxi­mal-Pro­fits unter­ge­ord­net. Dar­an ändern auch „moder­ne“ Füh­rungs­me­tho­den nichts. Wesent­li­che Ent­schei­dun­gen wer­den immer noch zen­tra­lis­tisch auf obers­ter Ebe­ne getroffen.

Zur Ver­fol­gung des Pro­fit­ziels wird ein gro­ßer Unter­neh­mens­ap­pa­rat beschäf­tigt: Das Füh­rungs­per­so­nal vom obers­ten Manage­ment bis hin zur Grup­pen- und Schicht­lei­tung, gan­ze Abtei- lun­gen wie Per­so­nal­we­sen, Con­trol­ling und Recht sowie exter­ne Unternehmensberatungen.

Die­ser Appa­rat arbei­tet gleich­zei­tig an vie­len Auf­ga­ben und The­men. Und die meis­ten berüh­ren direkt oder indi­rekt die Beschäf­tig­ten. Daher wird ein Betriebs­rat oft­mals zur glei­chen Zeit mit unter­schied­li­chen The­men und Pro­ble­men kon­fron­tiert. Aller­dings ver­fügt er im Ver­hält­nis zum Unter­neh­men nur über einen klei­nen „Appa­rat“.

Stra­te­gi­sche Betriebsratsarbeit
Den poli­tisch Akti­ven in Betrieb und Betriebs­rat steht also ein gut orga­ni­sier­ter Geg­ner gegen­über. Aber es gibt Aus­we­ge aus die­sem Ungleich­ge­wicht der Kräf­te. Zum einen die Kraft der Vie­len. Sie ensteht dadurch, dass die Beleg­schaft orga­ni­siert und ihre Unter­stüt­zung sicher­ge­stellt wird. Zum ande­ren, der Stra­te­gie des Unter­neh­mens eine eige­ne ent­ge­gen­zu­set­zen und eben­falls stra­te­gisch zu den­ken, pla­nen und handeln.

Was dies kon­kret bedeu­ten kann, wird in der Okto­ber-Aus­ga­be von Avan­ti² zu lesen sein.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Sep­tem­ber 2022
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