BR-Mob­bing

Abschieds­brief einer Bau­haus-Betriebs­rä­tin (Teil II)*

G. K.

Mehr als zehn Jah­re hat sie in einer Bau­haus­fi­lia­le gear­bei­tet. Die letz­ten drei Jah­re war sie Betriebs­rä­tin. Bei Bau­haus ist das etwas beson­de­res, denn bei dem Heim­wer­ker­markt, des­sen deut­sche Geschäfts­füh­rung auch von „betriebs­rats­ver­seuch­ten Filia­len“ spricht, gibt es nicht vie­le Betriebsräte.


Meh­re­re Aus­zu­bil­den­de hat­ten sich an ein­zel­ne BR-Mit­glie­der gewandt. Wir rie­ten ihnen, ihre Pro­ble­me in einer BR-Sit­zung vor­zu­tra­gen. Das woll­ten sie aber nicht. Aus Angst. Wir boten ihnen an, statt­des­sen einen Bericht zu schrei­ben, ohne Nen­nung des Namens. Dafür wur­de ich um Hil­fe gebe­ten. Ich bekam die Fak­ten per Mail zuge­schickt, habe nur die Rei­hen­fol­ge eini­ger Sät­ze ver­scho­ben und den zwei Azu­bis zum Kor­rek­tur­le­sen gege­ben. Sie gaben die kor­ri­gier­ten Berich­te zur Vor­la­ge frei. Auch das Gre­mi­um, der BR, war mit der anony­men Bear­bei­tung ein­ver­stan­den und berich­te­te der Geschäfts­lei­tung. Die­se gab schließ­lich Feh­ler im Umgang mit den Azu­bis zu, und woll­te künf­tig den Lehr­auf­trag befolgen.

Aber es blieb nicht lan­ge ruhig: Nach eini­gen Wochen kam das The­ma wie­der auf die Tages­ord­nung, da sich der Azu­bi-Beauf­trag­te, der eigent­lich für die Unter­wei­sung der Lehr­lin­ge ver­ant­wort­lich war, plötz­lich durch mei­ne Bear­bei­tung des Sach­ver­hal­tes im Betriebs­rat ange­grif­fen fühlte.

Auf ein­mal hagel­te es Beschwer­den von den Azu­bis – und das über eine Sache, die eigent­lich längst erle­digt war. Sie behaup­te­ten, ich hät­te die Vor­wür­fe frei erfun­den. Gleich­zei­tig ver­sprach die Geschäfts­lei­tung den Azu­bis, sie wür­den nach ihrer Aus­bil­dung über­nom­men. Eine der bei­den soll­te sogar eine beson­de­re beruf­li­che För­de­rung erhal­ten. Auch wenn das bis heu­te nicht pas­siert ist: Die jun­ge Kol­le­gin fing an, gegen mich zu agie­ren. Sogar auf Face­book behaup­te­te sie, ich hät­te mir das alles aus­ge­dacht, um dem Azu­bi-Beauf­trag­ten zu schaden.

Man leg­te mir einen Auf­he­bungs­ver­trag vor, for­der­te die Nie­der­le­gung des BR-Man­dats. Ich tat dies nicht, infor­mier­te aber in einem Aus­hang mei­ne Kolleg*innen über die­sen Vor­fall. Der wur­de sofort ent­fernt. Ich hing ihn wie­der auf, dann war er gleich wie­der ver­schwun­den. Anschlie­ßend gab es eine schrift­li­che Beschwer­de über die­sen Aus­hang von der Geschäfts­lei­tung, dass mein Aus­hang nichts am Schwar­zen Brett ver­lo­ren hät­te, ich Lügen ver­brei­ten wür­de und ich das künf­tig unter­las­sen solle.

Eine Kol­le­gin, die den Aus­hang zusam­men mit mir unter­zeich­net hat­te, erhielt kei­ne Ermah­nung. Am 17.12.2017, mit­ten im Weih­nachts­ge­schäft, bekam ich dann die ers­te frist­lo­se Kün­di­gung wegen „Stö­rung des Betriebsfriedens“.

Es wur­de das Gerücht gestreut, ich hät­te Haus­ver­bot. Ich habe den­noch wei­ter die Kolleg*innen in der Filia­le auf­ge­sucht, ohne dass mich irgend­je­mand hin­aus­ge­wor­fen hät­te. In die­ser Zeit bekam ich mehr über die Sor­gen und Nöte mei­ner Kolleg*innen mit als der eigent­li­che Betriebs­rat. Sie beschwer­ten sich bei mir über Abmah­nun­gen, über die Dienst­plä­ne, Über­stun­den und über wei­te­re, angeb­li­che „Eigen­kün­di­gun­gen“ von Mitarbeiter*innen.

Nach­dem mein Kün­di­gungs­ver­fah­ren durch sämt­li­che gericht­li­che Instan­zen gegan­gen war, bekam ich ein­ein­halb Jah­re spä­ter, im März 2019, Recht vor dem Bun­des­ar­beits­ge­richt in Erfurt. Bau­haus muss­te mich wie­der ein­stel­len, und ich trat mei­ne Arbeit im April wie­der an.

Aber trotz des höchst­rich­ter­li­chen Urteils war die Geschäfts­lei­tung nicht besänf­tigt und woll­te sich an mir rächen. Sie hat mich dau­er­haft an die Kas­se straf­ver­setzt, dabei waren in mei­nem Arbeits­ver­trag ganz ande­re Auf­ga­ben beschrie­ben. Eigent­lich war ich ein­ge­stellt als Mit­ar­bei­te­rin in Ver­kauf und Bera­tung, nur mit gele­gent­li­cher Kas­sier­tä­tig­keit in Ausnahmefällen.

An der Kas­se wur­de ich regel­recht aus­ge­grenzt: Fast immer muss­te ich an einer Kas­se sit­zen, obwohl stun­den­lang so gut wie kei­ne Kun­den kamen. Ande­re Mitarbeiter*innen wur­den von mir fern­ge­hal­ten, ich saß immer an einer Kas­se in Rand­la­ge und durf­te mich nicht wegbewegen.

Gegen die­sen Zustand habe ich geklagt. Ich woll­te ein­fach wis­sen, ob das rech­tens ist, was die Geschäfts­lei­tung da mit mir macht. Auch ande­re Kolleg*innen wur­den an die Kas­se „straf­ver­setzt“, wenn sie in Ungna­de gefal­len waren.

Die Betriebs­rats­ar­beit lief äußerst schlep­pend. Zu not­wen­di­gen Semi­na­ren schick­te man mich nur wider­wil­lig, wohl auch weil ich zu Semi­na­ren woll­te, die von der Gewerk­schaft orga­ni­siert waren. Auch wenn ich lan­ge Anfahrts­we­ge zu den Semi­na­ren hat­te, wur­de mir eine Über­nach­tung ver­wei­gert. Der Geschäfts­lei­tung nahe­ste­hen­den Mitarbeiter*innen wur­den die Über­nach­tun­gen immer geneh­migt, selbst wenn die Semi­na­re an ihrem Wohn­ort waren.

Gegen die Mehr­heit der Kolleg*innen, die im Gre­mi­um vor allem die Inter­es­sen der Geschäfts­füh­rung und nicht die der Beleg­schaft ver­folg­ten, konn­te ich und mei­ne Mit­strei­te­rin wenig aus­rich­ten. Unse­re Betriebs­ver­ein­ba­run­gen gin­gen nie über die gesetz­li­chen Min­dest­re­ge- lun­gen hin­aus, und dafür braucht man ja eigent­lich gar kei­ne aus­zu- han­deln. Eine rei­ne Alibi-Veranstaltung.

Aber ich habe mei­nen Mund nicht gehal­ten, habe immer wie­der ver­sucht, mit den Kolleg*innen ins Gespräch zu kom­men und auch gegen die Inter­es­sen der Geschäfts­füh­rung die Pro­ble­me der Mitarbeiter*innen im Betrieb zur Spra­che zu brin­gen. Das brach­te mir dann erneut eine Kün­di­gung ein, mei­ne letzte.

Auch wenn ich nicht mehr dabei bin, mich ent­schie­den habe, nicht mehr ins Unter­neh­men zurück­zu­keh­ren, bin ich den­noch über­zeugt: Es hat sich gelohnt, die­sen Kampf auf­zu­neh­men. Mit Betriebs­rats­ar­beit machst Du Dir bei vie­len Geschäfts­lei­tun­gen sicher kei­ne Freun­de, aber Du kannst Mitarbeiter*innen zum Zusam­men­halt bewe­gen. Das ist uns ansatz­wei­se gelun­gen. Nur waren wir lei­der zu wenige.

Die per­ma­nen­ten Dro­hun­gen der Geschäfts­lei­tung mit Job­ver­lust oder Zwangs­ver­set­zung haben vie­le Mitarbeiter*innen in Angst ver­setzt. Ich kann jeden ver­ste­hen, der Angst hat. Aber die kann nur dann wirk­lich grei­fen, wenn man allei­ne steht, kei­nen Rück­halt hat in der Beleg­schaft. Hät­ten mehr von uns an einem Strang gezo­gen und für ihre Rech­te gekämpft, wären wir sicher erfolg­rei­cher gewe­sen und hät­ten mehr bewe­gen können.

Kurz­um: Ich hät­te mir mehr Unter­stüt­zung von den Kolleg*innen gewünscht, die nicht im Betriebs­rat waren. Nur mit dem BR allei­ne kann man kei­nen Blu­men­topf gewin­nen, kaum etwas durch­set­zen. Vor allem wenn man immer­zu gegen eine BR-Mehr­heit arbei­ten muss, die sich der Geschäfts­füh­rung und nicht den Kolleg*innen ver­pflich­tet fühlt.


*[Teil I ist in Avan­ti² von Janu­ar 2021 erschie­nen. Die Bear­bei­tung des Abschieds­briefs besorg­te G. K. von www.work-watch.de.]


Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Febru­ar 2021
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