Brü­cken schla­gen zu einer bes­se­ren Welt (Teil II)

Kapi­ta­lis­ti­sche Bar­ba­rei oder Sozialismus?

U. D.

Am 14. Novem­ber 2020 führ­te die ISO Rhein-Neckar ihr Herbst-Semi­nar „Schnell noch die Welt ver­än­dern?“ in „hybri­der“ Form durch. Wir doku­men­tie­ren hier Teil II des Ein­lei­tungs­re­fe­rats in stark gekürz­ter Fassung.

Graffito in Mnnheim, 4. April 2020 (Foto. Avanti²)

Graf­fi­to in Mnn­heim, 4. April 2020 (Foto. Avanti²)

Aber wenn alles dafür spricht, dass der Kapi­ta­lis­mus abge­schafft wer­den muss und eine ande­re Gesell­schaft mög­lich ist, war­um hat dann die Arbeiter*innenklasse ihn nicht längst durch eine sozia­lis­ti­sche Räte­de­mo­kra­tie ersetzt?

Herr­schen­de Ideen
Im Kom­mu­nis­ti­schen Mani­fest schrei­ben Engels und Marx: „Die herr­schen­den Ideen einer Zeit waren stets nur die Ideen der herr­schen­den Klasse.“

Die herr­schen­den Klas­sen haben immer ihre Pri­vi­le­gi­en und ihre Macht ver­tei­digt und die jewei­li­ge Gesell­schaft als die ein­zig mög­li­che dar­ge­stellt. Solan­ge dies gelang, wur­de ihre Herr­schaft nicht in Fra­ge gestellt.

Dies gilt auch für die herr­schen­de Klas­se der Bour­geoi­sie im Kapi­ta­lis­mus. Im „Nor­mal­be­trieb“ ist sie bestrebt, die Arbeiter*innenklasse mit Zuge­ständ­nis­sen, Pro­pa­gan­da, Mani­pu­la­ti­on, Erzie­hung, Medi­en usw. zu inte­grie­ren. Im „Not­fall“ ist sie bereit, ihre Herr­schaft mit Waf­fen­ge­walt und offe­ner Repres­si­on auf­recht zu erhalten.

His­to­ri­sche Niederlagen
Der Kapi­ta­lis­mus wird erst dann grund­sätz­lich in Fra­ge gestellt, wenn die Inter­es­sen der arbei­ten­den Klas­sen in einen schar­fen und unauf­lös­li­chen Wider­spruch zu den Inter­es­sen des Kapi­tals gera­ten. Ent­ste­hen dar­aus mas­si­ve Kämp­fe, kann sich ein anti­ka­pi­ta­lis­ti­sches Mas­sen­be­wusst­sein entwickeln.

Dies war in der Geschich­te wie­der­holt der Fall. Aller­dings führ­ten die­se Kämp­fe und Revo­lu­tio­nen nicht zu einem dau­er­haf­ten Erfolg. Im Gegen­teil: Im Ver­lauf der Geschich­te hat die sozia­lis­ti­sche Bewe­gung wie­der­holt schwe­re Nie­der­la­gen erlit­ten. Nicht zuletzt wur­de und wird bis heu­te „Sozia­lis­mus“ zur Bezeich­nung blu­ti­ger Dik­ta­tu­ren miß­braucht. Durch die­se his­to­ri­schen Erfah­run­gen wur­den Hoff­nun­gen ent­täuscht und das revo­lu­tio­nä­re Bewusst­sein der Arbeiter*innenklasse erschüt­tert oder sogar zerstört.

Dafür tra­gen zwei poli­ti­sche Strö­mun­gen beson­de­re Ver­ant­wor­tung: die Sozi­al­de­mo­kra­tie und der Stalinismus.
• Die Sozi­al­de­mo­kra­tie wech­sel­te mit der Bewil­li­gung der Kriegs­kre­di­te am 4. August 1914 auf die Sei­te des kapi­ta­lis­ti­schen Bür­ger­tums. Sie ver­riet mit die­ser Hal­tung die Idee des sozia­lis­ti­schen Inter­na­tio­na­lis­mus. Noch schwe­rer wiegt ihre Ver­ant­wor­tung für die Nie­der­wer­fung der deut­schen Revo­lu­ti­on 1918 und die Kapi­tu­la­ti­on vor dem nach 1930 auf­stei­gen­den Faschismus.
• Der Sta­li­nis­mus errich­te­te im Namen des Sozia­lis­mus büro­kra­ti­sche Dik­ta­tu­ren. Er unter­drück­te die Kri­tik an der ver­ra­te­nen Revo­lu­ti­on und ver­nich­te­te die Kritiker*innen vor allem inner­halb der sta­li­nis­ti­schen Gesell­schaf­ten. Bis heu­te dis­kre­di­tie­ren die Ver­bre­chen des Sta­li­nis­mus die frei­heit­li­che Idee des Sozialismus.

Die­se Ent­wick­lun­gen waren wesent­li­che Vor­aus­set­zun­gen für den Sieg des Faschis­mus 1933. Aber genau­so wich­tig war die Wei­ge­rung von KPD und SPD, zum Ende der Wei­ma­rer Repu­blik eine gemein­sa­me Ein­heits­front gegen den Faschis­mus auf­zu­bau­en. Erst dies mach­te den Weg frei für die Nazis und deren 12-jäh­ri­ge Terrordiktatur.

Lan­ge Schat­ten der Geschichte
Nach der Befrei­ung vom deut­schen Faschis­mus im Jahr 1945 konn­te die orga­ni­sier­te Arbeiter*innenbewegung in Deutsch­land ihre alte Stär­ke nicht wie­der erlan­gen. Hun­der­tau­sen­de Aktivist*innen waren durch Faschis­mus und Krieg ermor­det, demo­ra­li­siert oder trau­ma­ti­siert worden.

Auf die­sem, vom Faschis­mus berei­te­ten Boden konn­te in der BRD der Kapi­ta­lis­mus wie­der erstar­ken und in der DDR eine sta­li­nis­ti­sche Dik­ta­tur errich­tet wer­den. Bei­des hat­te mit den frei­heit­li­chen Ideen des Sozia­lis­mus nichts zu tun.

Auf­grund die­ser Nie­der­la­gen der orga­ni­sier­ten Arbeiter*innenklasse konn­te der Neo­li­be­ra­lis­mus sei­nen Sie­ges­zug antre­ten. Dabei benutz­te er zur Durch­set­zung sei­ner Ideo­lo­gie auch blu­tig-auto­ri­tä­re Metho­den wie z. B. 1973 in Chile.

Schließ­lich darf der Nie­der­gang des „sta­li­nis­ti­schen Blocks“ nicht ver­ges­sen wer­den. Die­ser wird bis heu­te von der kapi­ta­lis­ti­schen Pro­pa­gan­da als „Beweis“ dafür genutzt, dass Sozia­lis­mus nicht funk­tio­nie­re und der „demo­kra­ti­sche“ Kapi­ta­lis­mus das Bes­te aller Sys­te­me sei.

Dies alles trug zur Schwä­chung der Kampf­kraft und des Klas­sen­be­wusst­seins sowie dem Rück­gang sozia­lis­ti­scher Ideen in der Arbeiter*innenklasse bei.

Wie wir dies wie­der ändern kön­nen und was dies für unser Pro­gramm sowie unse­re poli­ti­sche Arbeit bedeu­tet, soll im drit­ten Teil behan­delt werden.


*[Teil I wur­de in Avan­ti² von Janu­ar 2021 ver­öf­fent­licht, Teil III wird in der nächs­ten Avan­ti² folgen.]


Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Febru­ar 2021
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