Capi­ta­lis­mus - Coro­na - Chaos

Stop­pen!

H. N.

Zum gro­ßen Erstau­nen der poli­ti­schen Kas­te ist die zwei­te Wel­le der COVID-19-Erkran­kun­gen in Deutsch­land bis­her nicht gestoppt. Offen­sicht­lich kön­nen die im Auf­trag der herr­schen­den Klas­se Regie­ren­den nichts aus ihrem fort­ge­setz­ten Ver­sa­gen lernen.

Bruno Beye, Triumph des Todes I, Holzschnitt, Titelblatt von Die Aktion, Heft 8/9, 1919. Abbildung: Privatarchiv. Bearbeitung/Zusammenstellung A².

Bru­no Beye, Tri­umph des Todes I, Holz­schnitt, Titel­blatt von Die Akti­on, Heft 8/9, 1919. Abbil­dung: Pri­vat­ar­chiv. Bearbeitung/Zusammenstellung A².

Bereits im Früh­jahr 2020 wur­den die töd­li­chen Gefah­ren der seit Wochen offen­kun­di­gen Pan­de­mie igno­riert oder klein­ge­re­det. Danach ist erneut wert­vol­le Zeit von Poli­tik, Behör­den und Unter­neh­men aus Unfä­hig­keit und aus Rück­sicht­nah­me auf die Logik der Pro­fit­ma­xi­mie­rung ver­geu­det worden.

Die pro­ka­pi­ta­lis­ti­sche Poli­tik der „Scha­dens­be­gren­zung“ hat ver­sagt. Das Sys­tem­ver­sa­gen ange­sichts des Aus­ma­ßes der Coro­na-Kata­stro­phe wird immer deut­li­cher sicht­bar. Erin­nern wir an die Ursa­chen: bru­ta­le „Glo­ba­li­sie­rung“ zur Pro­fit­ma­xi­mie­rung, radi­ka­le Pri­va­ti­sie­rung und dras­ti­scher Abbau zen­tra­ler Berei­che des Gesund­heits­sek­tors, Abbau des staat­li­chen Zivil­schut­zes, Dezi­mie­rung der Gewer­be­auf­sicht, der Gesund­heits­äm­ter und des gesam­ten Gesund­heits­sys­tems, Ver­ur­sa­chen eines enor­men Per­so­nal­man­gels im Pfle­ge­be­reich, Ver­la­ge­rung der Pro­duk­ti­on von immer noch feh­len­den medi­zi­ni­schen und phar­ma­zeu­ti­schen Pro­duk­ten in asia­ti­sche „Low-Cost“-Länder …

Vor­beu­gen­der Gesund­heits­schutz?
Prak­tisch nicht dis­ku­tiert wird in der „Öffent­lich­keit“ die fata­le Miss­ach­tung der Gebo­te des prä­ven­ti­ven Gesund­heits­schut­zes. 1989 wur­de die „EG-Rah­men­richt­li­nie Arbeits­schutz“ (89/391/EWG) für alle Staa­ten der dama­li­gen Euro­päi­schen Gemein­schaft ver­ab­schie­det. In der BRD ist die­se ver­bind­li­che Vor­ga­be erst 1996 mit dem Arbeits­schutz­ge­setz (ArbSchG) umge­setzt worden.

Das ArbSchG for­dert für alle pri­va­ten und öffent­li­chen Tätig­keits­be­rei­che die Durch­set­zung eines prä­ven­ti­ven Beschäf­tig­ten­schut­zes. Das heißt: Es gibt eine gesetz­li­che Pflicht zu einem vor­beu­gen­den ganz­heit­li­chen Gesund­heits­schutz am Arbeits­platz. Und dem­zu­fol­ge sind über­all (mit Aus­nah­me von Haus­an­ge­stell­ten, Beschäf­tig­ten auf See­schif­fen und Berg­leu­ten) ganz­heit­li­che Gefährdungsanalysen/Gefährdungsbeurteilungen (GFA/GFB) durch­zu­füh­ren. Das gilt ins­be­on­de­re auch für die aktu­el­len Coro­na- Brenn­punk­te: Alten­hei­me, Flücht­lings­un­ter­künf­te, Schu­len, Kin­der­ta­ges­stät­ten, Indus­trie­be­trie­be, Handelshäuser …

„Die Kunst ist eine Waffe der massiven Gestaltung“ - Demo für die Wiedereröffnung der Kulturräume in Paris, 15.12.2020 (Foto: Copyright  Photothèque Rouge Martin Noda-Hans Lucas)

Die Kunst ist eine Waf­fe der mas­si­ven Gestal­tung“ - Demo für die Wie­der­eröff­nung der Kul­tur­räu­me in Paris, 15.12.2020 (Foto: Copy­right Pho­to­t­hè­que Rouge Mar­tin Noda-Hans Lucas) Une ban­de­ro­le avec le slo­gan l art est une arme de con­s­truc­tion mas­si­ve, ras­sem­blem­ent pour la reou­ver­tu­re des lieux de spec­ta­cle , Place de la Bas­til­le, Paris, 15 decembre 2020. Pho­to­gra­phie de Mar­tin Noda / Hans Lucas

Die­se GFA/GFB müs­sen vor allem Gefah­ren­quel­len auf­zei­gen, Gefähr­dun­gen besei­ti­gen bzw. mini­mie­ren, Belas­tun­gen und Erkran­kun­gen vor­beu­gen, alle Beschäf­tig­ten für Gesund­heits­ge­fähr­dun­gen am Arbeits­platz sen­si­bi­li­sie­ren und alle im Arbeits­le­ben erfah­re­nen phy­si­schen und psy­chi­schen Belas­tun­gen fort­lau­fend dokumentieren.

Skan­da­lö­ses Mißachten
Skan­da­lö­ser­wei­se wird das Arbeits­schutz­ge­setz nur an den wenigs­ten Arbeits­plät­zen umge­setzt. In den sel­te­nen Fäl­len, in denen es jedoch auf­grund akti­ver Betriebs­rä­te ernst genom­men wird, kann ein wirk­sa­mer Infek­ti­ons­schutz gegen das Coro­na­vi­rus sicher­ge­stellt wer­den. Denn dort wird mehr getan, als die AHA-L-Regeln ein­zu­hal­ten. Es wird das soge­nann­te TOP-Prin­zip des Gesund­heits­schut­zes ver­wirk­licht. Dies bedeu­tet, dass in die­ser Rang­fol­ge tech­ni­sche (z. B. Trenn­wän­de), orga­ni­sa­to­ri­sche (z. B. ver­setz­te Arbeits­zei­ten) und per­sön­li­che Schutz­maß­nah­men (z. B. FFP2-Mas­ken) ergrif­fen wer­den müssen.

Ergän­zend zum Arbeits­schutz­ge­setz ver­pflich­tet übri­gens das Sozi­al­ge­setz­buch VII in § 14 die Berufs­ge­nos­sen­schaf­ten zur Ver­hü­tung arbeits­be­ding­ter Gesund­heits­ge­fah­ren und zur Ana­ly­se der Ursa­chen von arbeits­be­ding­ten Gefah­ren für Leben und Gesund­heit. Auch hier herrscht – von weni­gen Aus­nah­men abge­se­hen – das sprich­wört­li­che „Schwei­gen im Walde”.

Das Ver­sa­gen von Poli­tik, Behör­den, Unter­neh­mens- und Ein­rich­tungs­lei­tun­gen aber auch der meis­ten Gewerk­schaf­ten und Betriebs­rä­te hat fata­le Fol­gen. Aktu­ell stei­gen die Infek­ti­ons- und zeit­ver- zögert auch die Ster­be­zah­len wei­ter an. Offi­zi­ell über 36.000 Men­schen haben wegen der Pan­de­mie bis­her ihr Leben ver­lo­ren, über 1,8 Mil­lio­nen haben sich infi­ziert (Stand 05.01.2021). Vie­le davon lei­den auch heu­te noch an den Fol­gen ihrer Erkran­kung. Dass es anders gin­ge, zei­gen Län­der wie Viet­nam, Thai­land oder Neuseeland.

Transparent gegen Pflegenotstand (Foto: Privat)

Trans­pa­rent gegen Pfle­ge­not­stand (Foto: Privat)

Was tun?
Coro­na ist zum Brand­be­schleu­ni­ger für die Kri­se der kapi­ta­lis­ti­schen Wirt­schaft und Gesell­schaft gewor­den. Sie erhöht stän­dig den Druck auf alle, die ihre Arbeits­kraft ver­kau­fen müs­sen – vor allem aber auf die­je­ni­gen, die schon jetzt gezwun­gen sind, in pre­kä­ren Ver­hält­nis­sen zu arbei­ten und zu leben.

Wir müs­sen das Grund­recht „auf Leben und kör­per­li­che Unver­sehrt­heit“ gegen den Zynis­mus der Herr­schen­den und ihrer poli­ti­schen Inter­es­sen­ver­tre­tun­gen ver­tei­di­gen. Wir müs­sen der kapi­ta­lis­ti­schen Krisen-„Lösung“ Wider­stand entgegensetzen.

Erfor­der­lich ist sys­te­ma­ti­sche Auf­klä­rung. So kön­nen wir sowohl Falsch­mel­dun­gen bekämp­fen als auch Pro­blem­be­wusst­sein stär­ken. Zudem bedarf es eines Akti­ons­plans gegen Kapi­ta­lis­mus, Coro­na und Kri­se. Vor allem aber brau­chen wir den Auf­bau einer sozia­len Front zur Stär­kung soli­da­ri­scher Zusam­men­ar­beit über alle Orga­ni­sa­ti­ons-, Bereichs- und Staatsgrenzen.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Janu­ar 2021
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