Frauenemanzipation als Zielscheibe
N. B.
Die AfD wurde im vergangenen Jahr stärkste bzw. zweitstärkste Partei in mehreren Bundesländern. Die Prognosen für die Bundestagswahl zeichnen ein ähnliches Bild.
Gleichzeitig gab es in den letzten zwei Jahren einen massiven Anstieg von Femiziden – von Tötungen an Frauen, weil sie Frauen sind. Ein Zusammenhang wie der von Storch und Baby? Wohl kaum. Vielmehr zeigt sich darin besonders deutlich die Gefahr, die von rechten und faschistischen Parteien für das Wohl und Leben von Frauen ausgeht.
Männlichkeit und Weiblichkeit
In der Ideologie der AfD hat der Mann das Recht an der Frau. Sogenannte Incels (involuntary celibate men, unfreiwillig im Zölibat lebende Männer) sind nur die Spitze des Eisbergs eines frauenhassenden Männlichkeitsbildes.
Incels inszenieren sich als Opfer der Frauenemanzipation, diverser Geschlechtsidentitäten und sexueller Orientierungen. Daraus entwickeln sie ihren (lebens-)gefährlichen Hass auf Frauen, aus dem sie auch das Recht auf körperliche Gewalt ableiten.
Eng verknüpft ist ihr Frauenhass mit der Hetze gegen Migranten und queere Personen, von denen Männer der rechten Szene ihren Zugang zu Frauen bedroht sehen.
Dass Frauen gleiche Rechte haben könnten, kommt ihnen nicht in den Sinn, da die Selbstbestimmung der Frau in ihrem Weltbild nicht existiert. Denn emanzipierte, selbstbestimmte Frauen bedrohen ihren männlichen Machtanspruch. Gesellschaftliche Privilegien sind für sie keine historisch gewachsene Ungerechtigkeit, sondern Naturgesetze, die nicht angetastet werden dürfen.
Geschlechterrollen im Fokus
Aus einer solchen Einstellung leitet sich auch ab, wieso tradierte Geschlechterrollen für Rechte und Faschisten eine so zentrale Rolle spielen. Den Hintergrund der massiven Hetze gegen emanzipierten Feminismus und geschlechtliche sowie sexuelle Selbstbestimmung von Frauen und queeren Personen bildet die Sorge um den Verlust der männlichen Vorherrschaft.
Tradierte Geschlechterrollen zur Unterdrückung der Frau bilden eine Klammer, die verschiedenste konservative und rechte Strömungen von erzreaktionären katholischen sowie evangelikalen Christen über die neue Rechte bis hin zu klassischen Faschisten zusammenbringt. Auch daraus leitet sich die strategische Be- deutung sowie die besondere Gefahr ihrer Frauenverachtung ab.
Konkret äußert diese sich im Wahlprogramm der AfD darin, dass sie das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche noch weiter als bisher einschränken will. Die Frau soll weder über ihren Körper noch über ihre Lebensumstände entscheiden können, sondern in Abhängigkeit vom Mann ihrer zugewiesenen Geschlech- terrolle nachkommen: als Hausfrau und mehrfach gebärende Mutter. Schon eine Patchwork-Familie gilt als Ausdruck einer gescheiterten „normalen“ Familie.
Gerade in diesem Kontext bedeutet das von der AfD propagierte massive Kürzen von Sozialleistungen die Prekarisierung weiblicher Lebensumstände: Wer als Hausfrau kein eigenes Einkommen hat und keine oder nur geringe finanzielle Unterstützung erhält, ist umso abhängiger von dem männlichen „Allein- versorger“. Dieses Abhängigkeitsverhältnis ist fast schon ein Freifahrtschein für Gewalt in der „Partnerschaft“ und Ehe.
Spitzenkandidatin Weidel
Weidel fokussiert sich auf die Migrationspolitik, also auf die Hetze gegen Migrant:innen und Personen, die von der AfD als solche definiert werden. Sie propagiert jedoch auch ein traditionelles Familienmodell, dem ihre eigene Lebensweise zu widersprechen scheint.
Dies kann in ihrem Fall jedoch ein privates Thema bleiben, da sie nicht von staatlicher Unterstützung für ihre Familie abhängig ist. Unterstützung, die die AfD in dem Maße ausbauen möchte, in dem sie deutsche, wohlhabende, heterosexuelle Eltern mit eigenen Kindern und einer „Vollzeitmutter“ fördern. Familien, die diesem Bild nicht entsprechen, hätten unter der AfD nichts zu lachen und erst recht nichts zu erwarten.
Wir dürfen uns daher nicht täuschen lassen von Geschlecht und sexueller Orientierung der Spitzenkandidatin der AfD. Beides bewahrt sie nicht vor der Durchsetzung einer menschenverachtenden, faschistischen Politik. Im Gegenteil: Die AfD scheint sie für so geeignet für diese Aufgabe zu halten, dass sie über Widersprüche bereitwillig hinwegsieht.
Vor der Bundestagswahl müssen wir daher immer wieder thematisieren und davor warnen, welche existenzielle Gefahr von der AfD für all diejenigen von uns ausgeht, die ihrer völkisch-tradierten „Normalität“ nicht entsprechen. Wir müssen alles daransetzen, das weitere Erstarken der AfD zu verhindern!