O. T.
Über 2 Millionen palästinensische Menschen erleben seit Wochen im Gazastreifen die Hölle. Ihr Leben und ihr Überleben ist bedroht. Sie haben kaum zu essen und zu trinken. Sie sind in einem täglich größer werdenden Trümmerfeld gefangen.
Seit Beginn der Bombardierung des Gazastreifens durch die israelische Armee hat am 27.12.2023 die Zahl der Todesopfer 21.000 überschritten. Gleichzeitig ist die Zahl der Verletzten auf mehr als 55.000 gestiegen, darunter ein großer Anteil von Schwer- und Schwerstverletzten.
Schon vor der einwöchigen Waffenruhe hatte die israelische Armee mehr als 100.000 Gebäude im Gazastreifen zerstört. Jetzt ist sie dabei, das zu zertrümmern, was übriggeblieben ist. Menschen und Umwelt werden weiter vernichtet.
Eskalation nicht im luftleeren Raum
Diese Brutalität ist nicht durch die Gräueltaten der fundamentalistischen und reaktionären Hamas und weiterer Gruppen am 7. Oktober 2023 zu rechtfertigen. Das rücksichtslose Vorgehen der israelischen Armee ist unmenschlich und völkerrechtswidrig.
Sowohl die Verbrechen der Hamas als auch der barbarische Krieg Israels gegen die palästinensische Bevölkerung in Gaza, bedeuten eine neue blutige Eskalation des seit vielen Jahrzehnten ungelösten Konfliktes zwischen Israelis und Palästinensern.
UN-Generalsekretär António Guterres hat recht mit seiner Feststellung, dass diese Eskalation nicht im luftleeren Raum stattfindet. Die bisherige Politik der israelischen Regierungen, der palästinensischen Bevölkerung die ihr zustehenden gleichen Rechte zu verweigern und sie von ihrem Land zu vertreiben, ist der Ursprung dieser Zuspitzung.
Dies festzustellen, bedeutet keine Legitimierung der Gräueltaten der Hamas und der anderen Gruppen am 7. Oktober. Aber ohne diesen politischen Hintergrund ernst zu nehmen und daraus weitreichende Konsequenzen zu ziehen, wird es im Nahen Osten keinen dauerhaften Frieden geben.
Ein israelischer Staat, der einen vermeintlich geschützten Raum für jüdisches Leben auf der anhaltenden Vertreibung und Tötung palästinensischer Menschen aufbaut, bleibt die Quelle immerwährender kriegerischer Konflikte.
Deutsche „Staatsräson“
Was aber macht die deutsche Politik? Sie rechtfertigt den Vernichtungskrieg der israelischen Führung als „Akt der Selbstverteidigung“ und fordert bedingungslose Solidarität mit Israel.
Diese Unterstützung für Kriegstreiberei und Missachtung der Menschenrechte bestärkt jedoch den Rechtsruck auch hierzulande: Zunahme von Sozialabbau und Armut, von Rassismus, Antisemitismus und Antiislamismus sowie Abbau und Missachtung demokratischer Rechte.
Mit einer „Staatsräson“ wird jegliche Kritik am Vorgehen der rechtsextremen israelischen Regierung als „antisemitisch“ diffamiert und kriminalisiert. Demos werden verboten. Die Meinungsfreiheit wird eingeschränkt.
Die abscheulichen Verbrechen der Nazis werden zudem missbraucht, um jene zu diskreditieren, die sich gegen Unterdrückung, Kolonialismus und ethnische Säuberung aussprechen.
Diese Politik der Bundesregierung steht in krassem Widerspruch zu Artikel 1, Absatz 2 des Grundgesetzes, das sich „zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grund- lage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Ge- rechtigkeit in der Welt“ bekennt.
Statt diesen Krieg politisch, moralisch, finanziell und mit Waf- fenlieferungen zu unterstützen, muss sich die deutsche Regierung für seinen sofortigen Stopp einsetzen.
Menschenrechte sind unteilbar
In unserem Flugblatt, dass wir Ende 2023 bei verschiedenen Antikriegsprotesten verteilt haben, heißt es: „Es müssen für alle in Israel und in Palästina lebenden Personen die politischen und so- zialen Menschenrechte wirksam durchgesetzt werden. Nur so kann das friedliche Zusammenleben aller in der Region gelingen.
Dazu bedarf es eines staatlichen Überbaus in Form einer nichtreligiösen, binationalen demokratischen und sozialen Republik, in der alle Menschen gleichberechtigt sind. Und es bedarf einer wirtschaftlichen Basis, die nicht auf Profitmaximierung, sondern auf bestmöglicher gesellschaftlicher Bedürfnisbefriedigung und dem Schutz der Umwelt beruht.
Der Weg dorthin ist sehr steinig. Aber wir sollten bereit sein, alle zu unterstützen, die jetzt schon in diese Richtung gehen wollen. Das heißt: Wir stehen an der Seite aller Kräfte in Israel und Palästina, die die scheinbar ausweg- und endlose Spirale von Hass und Gewalt durchbrechen wollen.
Diese Utopie scheint weiter entfernt zu sein denn je, aber es gibt dazu keine bessere Alternative.“