Du Vata, gell, der Krieg is was Gefähr­li­ches?“ (Karl Valentin)

Ein Gespräch mit Bet­ti­na Fran­ke und Bernd Köhler

 

Bet­ti­na Fran­ke  Bernd Köh­ler

 

Avan­ti² sprach mit der Schau­spie­le­rin Bet­ti­na Fran­ke (Rezi­ta­ti­on und Text­aus­wahl) und dem Musi­ker Bernd Köh­ler (Gitar­re, Gesang) über ihr aktu­el­les Pro­gramm zu „Ent­rüs­ten­dem aus Lite­ra­tur und Musik“.*

Bernd Köhler und Bettina Franke. (Fotos: S.Ehlers/A.Stamm.)

Bernd Köh­ler und Bet­ti­na Fran­ke. (Fotos: S.Ehlers/A.Stamm.)

Nach Eurem musi­ka­lisch-lite­ra­ri­schen Pro­jekt gegen alten und neu­en Faschis­mus „Wirk­lich, wir leben in fins­te­ren Zei­ten“ setzt Ihr Euch nun künst­le­risch mit Krieg und Auf­rüs­tung aus­ein­an­der. Was hat Euch dazu moti­viert? Mehr die Ori­en­tie­rung an der alten Paro­le „Nie wie­der Faschis­mus, nie wie­der Krieg!“ oder eher die aktu­el­le Kam­pa­gne für „Kriegs­tüch­tig­keit“?

Bet­ti­na: Mei­ne Moti­va­ti­on für unser Pro­gramm war die grund­sätz­li­che Ableh­nung von Krie­gen und die immer maß­lo­ser wer­den­de Auf­rüs­tung. Von Sei­ten der Poli­tik wird ganz selbst­ver­ständ­lich von „Kriegs­tüch­tig­keit“ und von Euro­pas Umstel­lung auf „Kriegs­wirt­schaft“ gespro­chen. Ein Wahnsinn!

Bernd: Die Fra­ge, die mich vor­her schon umge­trie­ben hat­te, war, wie wir uns dem schlei­chen­den Hin­ein­schlit­tern in einen mög­li­chen Drit­ten Welt­krieg ent­ge­gen­stel­len kön­nen. Wir erle­ben zur­zeit eine sich per­ma­nent beschleu­ni­gen­de Eska­la­ti­ons­spi­ra­le, die nur noch die mili­tä­ri­sche Logik kennt. In der Spra­che wie im Tun. Die­ser ver­häng­nis­vol­len Ent­wick­lung stel­len wir unser Pro­gramm entgegen.

Ihr unter­nehmt mit Tex­ten unter ande­rem von Jean-Jac­ques Rous­se­au über Rosa Luxem­burg bis Elfrie­de Jel­li­nek und mit Musik­stü­cken etwa von Erich Wei­nert, Hans-Die­ter Hüsch und Wolf Bier­mann eine her­aus­for­dern­de Zeit­rei­se in die Welt des kul­tu­rel­len Pro­tests gegen Ver­nich­tung durch Krieg. Was war Euer Leit­fa­den bei die­ser Aus­wahl und für die letzt­end­li­che Kom­po­si­ti­on des Abends?

Bet­ti­na: Der Leit­fa­den für die Aus­wahl der lite­ra­ri­schen Tex­te war für mich der über die Jahr­hun­der­te beschrie­be­ne Irr­sinn des Krie­ges, der in ver­schie­dens­ten Vari­an­ten dar­ge­stellt wird und doch immer gleich ist. Wir haben ver­sucht, die Tex­te und Lie­der so mit­ein­an­der kor­re­spon­die­ren zu las­sen, dass die­ser Irr­sinn auf den Punkt gebracht wird. Der Zwei­te Welt­krieg, des­sen 80jähriges Ende über­all „gefei­ert“ wur­de, spielt eine gro­ße Rol­le in unse­rem Pro- gramm. Wenn man den lite­ra­ri­schen Tex­ten von Zeit­zeu­gen wie Wolf­gang Bor­chert, Ber­tolt Brecht, Hanns-Die­ter Hüsch zuhört, dann gibt es nur ein Fazit: Nie wieder!!!

Bernd: Und es waren ja nicht nur die Stim­men aus dem Wider­stand, die ange­sichts der welt­wei­ten Zer­stö­run­gen und Mil­lio­nen von Toten am Ende des Zwei­ten Welt­krie­ges auch das Ende jeg­li­cher krie­ge­ri­scher Kon­flikt­lö­sun­gen anmahn­ten. Sogar der spä­te­re CSU-Hard­li­ner und ers­te Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter der neu geschaf­fe­nen BRD, Franz Josef Strauß, hat­te nach 1945 gefor­dert, dass jedem die Hand abfal­len sol­le, der wie­der ein Gewehr anfasst. Lei­der eine Ansa­ge von kur­zer Dau­er! Das Erin­ne­rungs­ver­mö­gen der Mensch­heit ist kurz, brach­te es Ber­tolt Brecht Anfang der fünf­zi­ger Jah­re auf den Punkt, und die Gier nach der hohen Pro­fi­tra­te der Rüs­tungs­pro­duk­ti­on ist unstill­bar, möch­te ich ergänzen.

Das titel­ge­ben­de Zitat von Karl Valen­tin – „Du Vata, gell, der Krieg is was Gefähr­li­ches?“ – spielt sehr iro­nisch an auf den Wider­spruch von rea­ler Bedro­hung durch Auf­rüs­tung und Krieg einer­seits und das meist noto­ri­sche mehr­heit­li­che Still­hal­ten von unten ange­sichts die­ser immensen Gefahr. Ist es ange­sichts des­sen nicht erfor­der­lich, offen­si­ver die Ent­wick­lung und Ver­brei­tung anti­mi­li­ta­ris­ti­scher Alter­na­ti­ven zu thematisieren?

Bet­ti­na: Natür­lich ist es erfor­der­lich, die Ver­brei­tung anti­mi­li­ta­ris­ti­scher Alter­na­ti­ven zu the­ma­ti­sie­ren. Hof­fent­lich haben wir mit unse­rem Pro­gramm dazu beigetragen!

Bernd: Ich den­ke, wir haben genau das mit die­sem Pro­gramm erreicht. Nicht agi­ta­to­risch, son­dern eher in dem Sin­ne des Sze­nen­spruchs „Stell dir vor, es ist Krieg, und kei­ner geht hin“.

Erfreu­li­cher­wei­se unter­stütz­te auch der DGB Nord­ba­den for­mal Eure Ver­an­stal­tung am 7. Mai im Cine­ma Qua­drat. Gibt es ange­sichts der zuneh­men­den Mili­ta­ri­sie­rung von Gesell­schaft und Wirt­schaft Über­le­gun­gen, dar­aus mehr mit Ori­en­tie­rung auf die Arbeits­welt zu machen?

Programm-Flyer Köhler/Franke.

Pro­gramm-Fly­er Köhler/Franke.

Bernd: Der Dia­log des Vaters mit sei­nem Sohn im Text von Karl Valen­tin aus dem Jahr 1945 han­delt genau davon, dass sich eine Viel­zahl von Beschäf­tig­ten immer wie­der in eine Tötungs­in­dus­trie ein­span­nen lässt: 
SOHN: Ja, Vata, wenn du und dei­ne Arbeits­ka­me­ra­den nie in einer Rüs­tungs­fa­brik arbei­ten tatn, dann gäb es doch kei­ne Waf­fen – dann wär doch immer Frie­den, weil man ohne Waf­fen kei­nen Krieg füh­ren kann.
VATER: Jaja, da hast du schon recht – aber das müs­sen alle Arbei­ter auf der gan­zen Welt beherzigen.
SOHN: War­um tuan s’ das nicht?
VATER: Mei, Bua – du bist noch so jung – das ver­stehst noch nicht, wenn ich dir das auch erklär – die Arbei­ter wer­den von den Kapi­ta­lis­ten überlistet.“
Tra­gisch, dass sich auch Orga­ni­sa­tio­nen die ihre Wur­zeln in der Arbei­ter­be­we­gung haben, immer wie­der von der Kriegs­pro­pa­gan­da „über­lis­ten” las­sen oder es gleich aus Über­zeu­gung tun, was am Ende auf das­sel­be hin­aus­läuft, die Legi­ti­ma­ti­on des Tötens für eine über­ge­ord­ne­te Sache. Das war vor dem Ers­ten Welt­krieg so, das ist heu­te so.

Um kei­ne Miss­ver­ständ­nis­se auf­kom­men zu las­sen. Für mich ist der Wider­stand gegen Gewalt und Unter­drü­ckung ein ele­men­ta­res Men­schen­recht. In der Kri­mi­nal­psy­cho­lo­gie weiß man aber seit lan­gem, dass vor allem das Prin­zip der Bewusst­ma­chung und Dees­ka­la­ti­on das erfolg­rei­che­re und nach­hal­ti­ge­re Modell zur Lösung gesell­schaft­li­cher Pro­ble­me ist und nicht das Zuspit­zen von Konflikten.

Das Mann­hei­mer kom­mu­na­le Kino Cine­ma Qua­drat war bei der Pre­mie­re erfreu­li­cher­wei­se gut gefüllt, aber das kom- plet­te Feh­len der jun­gen Gene­ra­ti­on war nicht zu über­se­hen. Wie kann es gelin­gen, Euer neu­es Ange­bot die­sen von der aktu­el­len Ent­wick­lung in Zukunft doch beson­ders betrof­fe­nen Men­schen zu vermitteln?

Bet­ti­na: Ich glau­be, die „jun­ge“ Gene­ra­ti­on hat oft ande­re For­ma­te, über die sie sich aus­tauscht und Mei­nun­gen bil­det. Der von uns im Pro­gramm zitier­te Pazi­fist Ole Nymoen, der das Buch War­um ich nie­mals für mein Vater­land kämp­fen wür­de – Gegen die Kriegs­tüch­tig­keit geschrie­ben hat, ist 27 Jah­re alt und betä­tigt sich erfolg­reich als Pod­cas­ter. Dar­über erreicht er sehr vie­le jün­ge­re Men­schen. Sein Buch war sofort ver­grif­fen, ein gutes Zei­chen! Ich habe nichts dage­gen, für die „älte­re“ Gene­ra­ti­on Pro­gram­me zu gestal­ten, die ja durch­aus aktiv und auch zah­len­mä­ßig nicht ganz unbe­deu­tend ist und auch immer wie­der „empowert“ wer­den muss. Und je nach­dem, wie das For­mat von Ver­an­stal­tun­gen aus­sieht, zum Bei­spiel bei Fes­ti­vals, wo wir auch auf­tre­ten, ist dann auch die jün­ge­re Gene­ra­ti­on vertreten.

Bernd: Sehr ger­ne kann unser Pro­gramm von Schu­len, Jugend­zen­tren oder von demo­kra­ti­schen Jugend­or­ga­ni­sa­tio­nen gebucht wer­den. Ich bin über­zeugt, dass unse­re Metho­dik, die weni­ger auf Agi­ta­ti­on, son­dern mehr auf Bewusst­sein und den eige­nen Kopf setzt, auch für Jugend­li­che eine grif­fi­ge Sache ist. Man muss es nur wol­len und ermöglichen.


* [Die Fra­gen stell­te W. A.; Bet­ti­na Fran­ke und Bernd Köh­ler ant­wor­te­ten am 20. und 22. Mai 2025.]

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Juni 2025
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