(Teil III)
Wir veröffentlichen hier den dritten Teil des Einleitungsreferats unseres Frühjahr-Seminars 2021 zur Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit. Teil I erschien in der Mai-Ausgabe der Avanti² Rhein-Neckar, Teil II in der Juni-Ausgabe. Der vierte und letzte Teil wird in der September-Avanti² erscheinen.
U.D.
Neoliberalismus: Bedrohlich aktuell
Fast 40 Jahre nach Veröffentlichung des „Lambsdorff-Papiers“ hat es nichts von seiner bedrohlichen Aktualität verloren. Auch wenn Teile seiner Forderungen in den letzten Jahrzehnten um- und durchgesetzt wurden, ist das Kapital mit dem Erreichten längst nicht zufrieden.
Beispielhaft dafür sind Veröffentlichungen des Bundesverbands der Arbeitgeberverbände (BDA) und des Verbands der Metallunternehmen (Gesamtmetall) aus dem Jahr 2020.
Vorbereitung weiterer Angriffe
So empfiehlt der BDA in seinem Papier „Zukunft der Sozialversicherungen: Beitragsbelastung dauerhaft begrenzen“ u. a. folgende Maßnahmen zur dauerhaften Begrenzung der Sozialbeiträge:
• Das Renteneintrittsalter soll erhöht werden und automatisch mit der Lebenserwartung steigen.
• Der abschlagsfreie vorzeitige Renteneintritt soll abgeschafft werden.
• Nicht beitragsgedeckte Sozialversicherungsleistungen sollen aus dem Bundeshaushalt finanziert werden.
• Der Anspruch auf Arbeitslosengeld soll auf zwölf Monate be grenzt werden.
Gesamtmetall marschiert mit
Die Vorschläge von Gesamtmetall zur wirtschaftlichen Erholung nach der Corona-Krise unterscheiden sich davon kaum:
• „Bürokratische“ Vorschriften und Regelungen (also alles, was unternehmerische Entscheidungsfreiheit einengt) sollen abgebaut werden.
• Steuern und Abgaben (natürlich vor allem die der Unternehmen und der Reichen), sollen nicht erhöht werden.
• Der Arbeitsmarkt soll noch flexibler werden.
• Die Arbeitszeiten sollen noch flexibler werden.
• Die Mitbestimmung der Betriebs- und Personalräte soll weiter geschwächt werden.
• Das Rentenniveau soll weiter gesenkt und die vorzeitige Rente abgeschafft werden.
Aus diesen und ähnlichen Papieren dampft Lambsdorffs Ungeist. Sie fordern nichts anderes, als auch in den kommenden Jahren die neoliberale Politik zu Gunsten der Klasse der Kapitalbesitzenden fortzusetzen.
Ideologische Kriegsführung
Für die „erfolgreiche“ Fortsetzung neoliberaler Politik ist wie bisher auch die politisch-organisatorische und ideologische Schwächung der arbeitenden Klasse eine entscheidende Voraussetzung.
Die organisatorische Schwächung erfolgt mittels Integration, mit direkter und indirekter Bestechung und − wenn nötig − durch blutige Unterdrückung.
Die ideologische Schwächung erfolgt durch einen permanenten und vielfältig geführten „Kampf um die Köpfe“ der arbeitenden Klasse:
• Gesellschaft und Wirtschaftssystem seien unveränderlich und alternativlos.
• Nur der Kapitalismus könne Wohlstand und politische Freiheit schaffen.
• Die „Freiheit des Kapitals“ sei gleichzusetzen mit der „Freiheit der Menschen“.
• Nur der Kapitalismus sei in der Lage, alle Probleme der Welt zu lösen.
• Die stalinistischen Diktaturen in der Sowjetunion, in China, Nordkorea und der DDR hätten bewiesen, dass der Kommunismus nicht funktioniere und auf Unfreiheit beruhe.
• Soziale Ungleichheit, Konkurrenzverhalten, Gewinnstreben, Individualismus und Egoismus seien „normal“ und lägen „in der Natur des Menschen“.
• Negativ besetzte Begriffe wie „Kapitalismus“ oder „Kapitalist“ seien zu vermeiden. Stattdessen müsse von „sozialer Marktwirtschaft“ und „Unternehmern“ gesprochen werden.
• Der Interessengegensatz von Kapital und Arbeit existiere nicht. Statt Klassenkampf zu führen, würden „Arbeitgeber“ und „Arbeitnehmer“ als „Sozialpartner“ einen „fairen sozialen Ausgleich“ aushandeln.
Kampf auf allen Ebenen
Dieser ideologische Kampf wird auf allen gesellschaftlichen Ebenen geführt. Damit soll das Bewusstsein der arbeitenden Klasse im Sinne des Kapitals beeinflusst und Widerstand bereits im Keim erstickt werden.
Entgegen der erfahrbaren Lebenswirklichkeit wird der Kapitalismus als positiv und alternativlos dargestellt. Aber schon der Gangsterboss Al Capone soll es so auf den Punkt gebracht haben: „Kapitalismus ist der legitimierte Betrug der herrschenden Klasse.“