Nachlese zu einem spannenden Seminar
B.G.
Unser zweites Betriebs- und Gewerkschaftsseminar im Jahr 2015 befasste sich mit dem Thema Arbeitszeit. GenossInnen und KollegInnen aus der IG BCE, der IGM und von ver.di nahmen daran in Mannheim am 28. November teil.
Drei Referate standen auf dem Tagungsprogramm: „Arbeitszeit und Kapitalismus”, „Zur Geschichte der Arbeitszeitverkürzung” und „Flexibilisierung, Prekarisierung und Rationalisierung - die Herausforderungen von ‚Industrie 4.0‘“. Gemeinsam diskutierten die TeilnehmerInnen zum Abschluss über die Fragen „Welche Alternativen haben wir? ” und „Was tun? ”.
Eine wesentliche Antwort auf die arbeitspolitischen Herausforderungen des Kapitalismus - so ein Fazit - ist der strategisch angelegte Kampf für eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit für alle - bei vollem Lohn- und Personalausgleich mit definierten Arbeitsbedingungen. In diesem Zusammenhang geht es nicht „nur”um die gewerkschaftspolitische Debatte um die 35- , die 30- oder gar die 20-Stundenwoche, sondern um eine gleitende Skala der Arbeitszeit.
Um solche zentralen Themen besser angehen zu können, kam der Vorschlag auf, im Frühjahr 2016 ein Seminar zu Grundsätzen von Strategie durchzuführen. Diese Idee fand die Zustimmung der Anwesenden, die im übrigen die Veranstaltung als sehr konstruktiv bewerteten.
Gleitende Skala der Arbeitszeit
(Aus dem Übergangsprogramm der IV. Internationale)
Will es sich nicht selbst dem Untergang ausliefern, dann darf das Proletariat nicht dulden, daß ein wachsender Teil der Arbeiterschaft zu chronisch Arbeitslosen, zu Elenden gemacht wird, die von den Krümeln einer sich zersetzenden Gesellschaft leben. Das Recht auf Arbeit ist das einzig ernsthafte Recht, das der Arbeiter in einer auf Ausbeutung begründeten Gesellschaft besitzt. Ihm wird jedoch in jedem Augenblick dieses Recht genommen. Gegen die Arbeitslosigkeit – sowohl die strukturelle wie die konjunkturelle – ist es an der Zeit, neben der Parole der öffentlichen Arbeiten die Losung der Gleitenden Skala der Arbeitszeit auszugeben.
Die Gewerkschaften und andere Massenorganisationen müssen diejenigen, die Arbeit haben, und diejenigen, die keine haben, durch die gegenseitige Verpflichtung zur Solidarität verbinden. Auf dieser Basis muß die verfügbare Arbeit unter alle vorhandenen Arbeitskräfte aufgeteilt und so die Dauer der Arbeitswoche bestimmt werden. Der Durchschnittslohn jedes Arbeiters bleibt der gleiche wie bei der bisherigen Arbeitswoche. Der Lohn, mit einem fest garantierten Minimum, folgt der Bewegung der Preise. Kein anderes Programm ist für die jetzige Periode der Katastrophen annehmbar.
Die Besitzenden und ihre Anwälte werden die „Unmöglichkeit der Verwirklichung“ dieser Forderungen darlegen. Die Kapitalisten von geringerer Statur, insbesondere diejenigen, die dem Ruin entgegengehen, werden außerdem auf ihre Buchführung verweisen. Die Arbeiter werden kategorisch diese Argumente und Empfehlungen abweisen. Es handelt sich nicht um den „normalen“ Zusammenstoß entgegengesetzter materieller Interessen. Es geht darum, das Proletariat vor Verfall, Demoralisierung und Ruin zu bewahren. Es geht um Leben und Tod der einzig schöpferischen und fortschrittlichen Klasse und damit um die Zukunft der Menschheit selbst.
Wenn der Kapitalismus unfähig ist, die Forderungen zu befriedigen, die unausweichlich aus den Übeln hervorgehen, die er selbst erzeugt hat, dann soll er untergehen! Die „Möglichkeit“ oder „Unmöglichkeit“, diese Forderungen zu verwirklichen, ist hierbei eine Frage des Kräfteverhältnisses, die nur durch den Kampf gelöst werden kann. Auf der Grundlage dieses Kampfes werden die Arbeiter – was auch immer seine unmittelbaren praktischen Erfolge sein mögen – am besten die Notwendigkeit begreifen, die kapitalistische Sklaverei zu liquidieren.