Ima­gi­ne

Mehr als ein Antikriegslied?

M. G.

Neue Popu­la­ri­tät hat Ima­gi­ne durch die der­zei­ti­gen Anti­kriegs­pro­tes­te erlangt. Dies zeig­te sich etwa am 13. März 2022 bei der Kund­ge­bung des Bünd­nis­ses „Stoppt den Krieg“ im Stutt­gar­ter Obe­ren Schloss­gar­ten. 35.000 Men­schen san­gen und summ­ten dort das berühm­te Lied vol­ler Inbrunst.

John und Yoko bei einer Irland-Demo in London, August 1971 (Foto: Red Mole vom 1. September 1971).

John und Yoko bei einer Irland-Demo in Lon­don, August 1971 (Foto: Red Mole vom 1. Sep­tem­ber 1971).

John Len­non hat­te den Song am 27. Mai 1971 in sei­nem eng­li­schen Pri­vat­stu­dio auf­ge­nom­men. Mit dabei war neben ande­ren Musi­kern sein alter Kum­pel Klaus Voor­mann am Bass. Im Juli des­sel­ben Jah­res erfolg­te die fina­le Abmi­schung in New York.

Ima­gi­ne gilt als Len­nons größ­ter Hit. In Wirk­lich­keit war es jedoch ein Len­non-Ono-Titel. Yoko hat­te einen wesent­li­chen Bei­trag zu Text und Kon­zep­ti­on von Ima­gi­ne geleistet.

Ima­gi­ne ist eine sehr poli­ti­sche Hym­ne. Sie ist laut Len­non mit einem musi­ka­li­schen „Zucker­guss“ über­zo­gen und des­halb welt­weit bekannt geworden.

Gegen den Krieg
Der Lied­text beginnt − in deut­scher Über­set­zung – mit den Zeilen:
Stell Dir vor, es gibt kei­nen Himmel
Es ist ganz ein­fach, wenn Du es versuchst
Kei­ne Höl­le unter uns
über uns nur Himmel
Stell Dir vor all die Menschen
leben nur für heute
Und danach heißt es:
Stell Dir vor, es gibt kei­ne Länder
es ist nicht schwer, das zu tun
Nichts, wofür es sich zu töten oder zu ster­ben lohnt
und auch kei­ne Religion
Stell Dir vor, alle Menschen,
leben ihr Leben in Frieden
Es sind vor allem die­se letz­ten Zei­len, die Ima­gi­ne zum Anti­kriegs­lied wer­den ließen.

Gegen den Kapitalismus
Ima­gi­ne war für Len­non nicht nur ein inter­na­tio­na­lis­ti­sches, son­dern auch ein anti­ka­pi­ta­lis­ti­sches Stück. Er bezeich­ne­te es sogar als revo­lu­tio­nä­re Musik. Ima­gi­ne soll­te dem Traum von einer sozia­lis­ti­schen Demo­kra­tie jen­seits der büro­kra­ti­schen Dik­ta­tu­ren im Osten neue Kraft verleihen.

Die­se Hoff­nung bringt die fol­gen­de Stro­phe zum Ausdruck:
Stell’ Dir vor es gibt kei­nen Besitz
Ich frag’ mich, ob Du das kannst
Kei­nen Grund für Gier oder Hunger
Eine Gemein­schaft der Menschen
Stell’ Dir vor, alle Menschen
tei­len sich die gan­ze Welt

Gegen die Resignation
Anfang der 1970er Jah­re gab es zwar viel mehr Men­schen als heu­te, die sich für die Über­win­dung des Kapi­ta­lis­mus ein­setz­ten. Aber schon damals waren poli­ti­sche Apa­thie und Resi­gna­ti­on weit verbreitet.

John Len­non und Yoko Ono igno­rier­ten kei­nes­wegs die­sen Teil der Rea­li­tät. Aber sie tra­ten dem Skep­ti­zis­mus mit der fol­gen­den Stro­phe ent­ge­gen, die zur Beto­nung im Lied zwei Mal wie­der­holt wird:
Du wirst viel­leicht sagen, ich sei ein Träumer
Aber ich bin nicht der Einzige
Ich hof­fe, eines Tages wirst Du Dich uns anschließen
Und die gan­ze Welt wird eins sein

Es ist kei­ne Fra­ge, dass gera­de in Zei­ten wie die­sen Ima­gi­ne kein ver­staub­ter Song ist. Ganz im Gegen­teil! Denn: „Wer kei­ne Kraft zum Träu­men hat, hat kei­nen Mut zum Kämpfen.“

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar April 2022
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