ISO-Info­abend Juli 2024

Frank­reich nach den Wahlen

 

R. G.

Am 7. Juli 2024 ende­ten in Frank­reich die vor­ge­zo­ge­nen Par­la­ments­wah­len. Für vie­le über­ra­schend gewann nicht der faschis­ti­sche Ras­sem­blem­ent Natio­nal (RN), son­dern das lin­ke Bünd­nis Nou­veau Front Popu­lai­re (NFP). Dar­über dis­ku­tier­ten wir bei unse­rem Info­abend im Juli 2024.

NFP-Kundgebung in Paris, 30. Juni 2024. (Foto: Photothèque Rouge / Martin Noda / Hans Lucas.)

NFP-Kund­ge­bung in Paris, 30. Juni 2024. (Foto: Pho­to­t­hè­que Rouge / Mar­tin Noda / Hans Lucas.)

Unser Refe­rent begann mit dem Auf­schwung auto­ri­tä­rer oder faschis­ti­scher Par­tei­en in Euro­pa, der sich auch bei den Euro­pa­wah­len am 9. Juni 2024 fort­ge­setzt hat. So lag in Frank­reich der RN in nahe­zu allen Wahl­krei­sen vorn.

Macrons Wahl-Poker
Den Erfolg des RN nahm Frank­reichs Prä­si­dent Macron zum Anlass, die Natio­nal­ver­samm­lung auf­zu­lö­sen und für den 30. Juni 2024 und 7. Juli 2024 Neu­wah­len anzu­set­zen. Damit nahm er das Risi­ko eines Wahl­siegs der RN in Kauf.

Tat­säch­lich lag beim ers­ten Wahl­gang der RN deut­lich vorn. Aber mit einer akti­ven Wahl­kam­pa­gne der Lin­ken und mit Abspra­chen der soge­nann­ten repu­bli­ka­ni­schen Front, konn­te im zwei­ten Wahl­gang eine RN-Mehr­heit ver­hin­dert wer­den. Uner­war­tet gewann die NFP die meis­ten Sit­ze und Macrons Wahl­bünd­nis Ensem­ble wur­de noch vor dem RN, trotz mas­si­ver Stim­men­ver­lus­te, zur zweit­stärks­ten Parlamentsfraktion.

Die Nou­veau Front Populaire
Die NFP wur­de am 13. Juni von La France Inso­u­mi­se, der Par­ti Socia­lis­te, den Les Éco­lo­gis­tes und der Par­ti Com­mu­nis­te gegrün­det. Rund 100 wei­te­re Orga­ni­sa­tio­nen sind betei­ligt. Dar­un- ter die anti­fa­schis­ti­sche Grup­pe Jeu­ne Gar­de und die fran­zö­si­sche Schwes­ter­par­tei der ISO, die Neue Anti­ka­pi­ta­lis­ti­sche Par­tei (NPA). Unter­stützt wird die NFP auch von ein­zel­nen Gewerk­schaf­ten wie der CGT.

Das Bünd­nis ver­stän­dig­te sich auf ein Pro­gramm, den Legis­la­tiv­ver­trag, der über150 Punk­te ent­hält. Dar­un­ter Sofort­maß­nah­men wie die Erhö­hung des Min­dest­lohns, die Sen­kung des Ren­ten­al­ters, einen Preis­stopp für lebens­not­wen­di­ge Pro­duk­te und Ener­gie sowie Inves­ti­tio­nen in den sozia­len Woh­nungs­bau. Mit die­sem Pro­gramm strebt die NFP einen poli­ti­schen Bruch mit der neo­li­be­ra­len und auto­ri­tä­ren Poli­tik Macrons an.

Außen­po­li­tisch for­dert die NFP einen Waf­fen­still­stand im Gaza-Krieg und die Ein­stel­lung von Waf­fen­lie­fe­run­gen an Isra­el. Sie ver­ur­teilt den rus­si­schen Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne und ver­tei­digt die Sou­ve­rä­ni­tät des Ukrai­ni­schen Vol­kes. Sie ist für wei­te­re Waf­fen­lie­fe­run­gen an die Ukrai­ne, for­dert den Erlass der ukrai­ni­schen Aus­lands­schul­den sowie die Beschlag­nah­me des Ver­mö­gens rus­si­scher Oligarchen.

Zwie­späl­ti­ger Wahlausgang
Die Ver­hin­de­rung einer Par­la­ments-Mehr­heit des RN ist ein groß­ar­ti­ger Erfolg. Er hat eine Regie­rung des faschis­ti­schen RN der­zeit unmög­lich gemacht.

Aber der Wahl­er­folg der NFP darf nicht über die wirk­li­chen poli­ti­schen Kräf­te­ver­hält­nis­se hin­weg­täu­schen: Die NFP hat kei­ne abso­lu­te Mehr­heit, um ihr Pro­gramm unein­ge­schränkt umset­zen zu kön­nen. Der RN hat die meis­ten Stim­men erhal­ten. Macron ver­tritt wei­ter­hin eine auto­ri­tä­re und neo­li­be­ra­le Poli­tik. Er will mit allen Mit­teln und Tricks einen poli­ti­schen Kurs­wech­sel verhindern.

Nicht zuletzt spricht sich ein Teil der fran­zö­si­schen Kapi­ta­lis­ten offen gegen die NFP und für den RN aus.

Wie wei­ter?
Unse­re Genoss:innen der NPA tre­ten dafür ein, dass die ver­ei­nig­te Lin­ke nicht nur für das NFP-Pro­gramm, son­dern dar­über hin­aus auch für einen Bruch mit dem Kapi­ta­lis­mus ein­tre­ten muss. Dies kann nur mit außer­par­la­men­ta­ri­schen Mobi­li­sie­run­gen, dem Auf­bau von Ein­heits­ko­mi­tees und der Akti­ons­ein­heit der gesam­ten Lin­ken gelin­gen. Dies ist die Vor­aus­set­zung, dass vie­le Men­schen den Schwung des Wahl­er­folgs der NFP auf­grei­fen, aktiv blei­ben, sich orga­ni­sie­ren und eine wirk­li­che Ver­än­de­rung durchsetzen.

Nach einem zurück­hal­ten­den Start wur­de im Lau­fe der Dis­kus­si­on deut­lich, wie groß die poli­ti­sche Bedeu­tung der fran­zö­si­schen Ent­wick­lung für Euro­pa und für Deutsch­land ist.
Auch in Deutsch­land könn­te der Auf­bau einer gemein­sa­men Front den neo­li­be­ra­len Raub­zug der letz­ten Jahr­zehn­te umkeh­ren und die Rei­chen für die kapi­ta­lis­ti­sche Kri­se zah­len las­sen. Sie wäre ein äußerst wich­ti­ger Schritt, um den Rechts­ruck zu stoppen.

Wie­der ein­mal gilt: Fran­zö­sisch lernen!

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Sep­tem­ber 2024
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