Kämp­fen statt Kungeln!

U. D.

Auch für den Okto­ber 2022 ermit­tel­te das Sta­tis­ti­sche Bun­des­amt eine Infla­ti­ons­ra­te von über 10 Pro­zent im Ver­gleich zum Vor­jah­res­mo­nat. Erneut stie­gen ins­be­son­de­re die Prei­se für Ener­gie und Nah­rungs­mit­tel. Ein Ende der Preis­trei­be­rei ist nicht in Sicht.

Titelbild: IGM-Kundgebung in Mannheim,
16. November 2022. (Foto-helmut-roos@web.de.)

Titel­bild: IGM-Kund­ge­bung in Mann­heim,
16. Novem­ber 2022. (Foto-helmut-roos@web.de.)

Bereits Ende 2021 – also vor dem Ukrai­ne-Krieg – sind die Prei­se mas­siv gestie­gen. Aber immer noch wer­den der rus­si­sche Über­fall Ende Febru­ar 2022 und sei­ne ver­hee­ren­den Fol­gen als wesent­li­cher Grund der Teue­rung genannt. Zum einen soll damit die Infla­ti­on als unver­meid­lich dar­ge­stellt wer­den. Zum ande­ren soll von ihrer wirk­li­chen Ursa­che, dem kapi­ta­lis­ti­schen Pro­fit­sys­tem, abge­lenkt werden.

Zei­ten­wen­de“ im Inter­es­se des Kapitals
Die Polit-Kas­te die­ses Lan­des ver­kün­det uner­müd­lich, dass „wir“ ange­sichts des Krie­ges, der Ener­gie­kri­se und der Teue­rung „soli­da­risch zusam­men­rü­cken“ müss­ten. Dabei ist offen­sicht­lich, wer dabei zah­len soll – vor allem die arbei­ten­de Klasse.

Dage­gen hal­ten sich die Rei­chen, Super­rei­chen und Kon­zer­ne beim „soli­da­ri­schen“ Zusam­men­rü­cken vor­nehm zurück. Statt­des­sen nut­zen sie die aktu­el­le Lage und ihre Kapi­tal­macht rück­sichts­los aus, um auf Kos­ten der gro­ßen Mehr­heit ihre Klas­sen- und Pro­fit­in­ter­es­sen durch­zu­set­zen. Begrün­det wird dies mit „wirt­schaft­li­chen Not­wen­dig­kei­ten“ sowie der „Siche­rung des Stand­or­tes Deutsch­land“ und „unse­res“ Wohlstandes.

Die Ampel­par­tei­en, die CDU/CSU und die faschis­tisch gepräg­te AfD unter­stüt­zen trotz aller Unter­schie­de, die­se Poli­tik des Kapi­tals. Sie schaf­fen bes­te Aus­beu­tungs- und Pro­fit­be­din­gun­gen mit Nied­rig­lohn­sek­tor, Leih­ar­beit und „Bür­ger­geld“ und ver­kau­fen dies als „sozi­al“ und „alter­na­tiv­los“.

Ein Bei­spiel für die­ses poli­ti­sche Ver­wirr­spiel ist die ver­lo­ge­ne Debat­te um das „Bür­ger­geld“. Laut­stark wur­de über angeb­lich feh­len­de Sank­tio­nen, hohe Schon­ver­mö­gen, gerin­ge Abstän­de zu den Nied­rig­löh­nen und arbeits­un­wil­li­ge Anspruchs­be­rech­tig­te „gestrit­ten“. So wur­de die arbei­ten­de Klas­se in faul und flei­ßig gespal­ten und ihr Sand in die Augen gestreut. Die eigent­li­chen Skan­da­le, der Nied­rig­lohn­sek­tor und die Erwerbs­lo­sig­keit, blie­ben ledig­lich ein Randthema.

Ohn­macht statt Gegenmacht
Die füh­ren­den Appa­ra­te der DGB-Gewerk­schaf­ten haben sich die­ser Poli­tik bis­lang nicht in den Weg gestellt. Sie set­zen dem Klas­sen­kampf von oben bewusst kei­nen Klas­sen­kampf von unten ent­ge­gen. Im Gegen­teil, mit ihrer Betei­li­gung an der „Kon­zer­tier­ten Akti­on“ unter­stüt­zen die Gewerk­schafts­füh­run­gen letzt­end­lich ein Bünd­nis mit dem Kapital.

In die­se Rich­tung wei­sen auch die jüngs­ten Tarif­ab­schlüs­se der Indus­trie­ge­werk­schaft Berg­bau, Che­mie, Ener­gie (IGBCE) und der IG Metall (IGM). Mit ihnen haben die jewei­li­gen Gewerk­schafts­spit­zen gewerk­schaft­lich gut orga­ni­sier­te Tei­le der arbei­ten­den Klas­se bis Mit­te 2024 tarif­po­li­tisch ruhig­ge­stellt. Sie haben damit Chan­cen zur soli­da­ri­schen Gegen­wehr gegen die Preis­trei­be­rei für ein tarif­po­li­ti­sches Lin­sen­ge­richt verkauft.

Nicht zuletzt lie­ßen sie eine wei­te­re Mög­lich­keit unge­nutzt, gewerk­schaft­li­che Orga­ni­sa­ti­on und Gegen­macht zu stär­ken. Statt­des­sen wur­den wesent­li­che Zie­le der „Kon­zer­tier­ten Akti­on“ umge­setzt: Real­lohn­ab­bau, Pro­fit­stei­ge­rung und Wah­rung des „sozia­len Frie­dens“. Damit tra­gen die Füh­run­gen von IGBCE und IGM die Ver­ant­wor­tung für die wei­te­re poli­ti­sche und orga­ni­sa­to­ri­sche Schwä­chung vor allem der Industriegewerkschaften.

Ihre Poli­tik steht im Wider­spruch zu den objek­ti­ven Inter­es­sen der arbei­ten­den Klas­se. Trotz „Kon­zer­tier­ter Akti­on“ wird die gro­ße Mehr­heit auch wei­ter­hin von Teue­rung und sozia­ler Unsi­cher­heit betrof­fen sein. Trotz – oder bes­ser wegen – der „Kon­zer­tier­ten Akti­on“ wer­den auch in Zukunft Beleg­schaf­ten, ge- werk­schaft­lich Akti­ve und Betriebs­rä­te in den Fir­men der Che­mie- und der Metall­in­dus­trie mas­siv ange­grif­fen werden.

Soli­da­ri­scher Wider­stand jetzt!
Die viel­leicht größ­te Gefahr der sys­tem­kon­for­men Gewerk­schafts­po­li­tik ist jedoch, dass der poli­tisch unbe­wuss­tes­te Teil der arbei­ten­den Klas­se noch emp­fäng­li­cher für auto­ri­tä­re und faschis­ti­sche Paro­len wird.

Umso wich­ti­ger ist es jetzt, den Kopf nicht in den Sand zu ste­cken. Wer die kapi­tal­ori­en­tier­te „Kri­sen­be­wäl­ti­gung“ von SPD, Grü­nen, FDP, CDU/CSU und AFD ablehnt, soll­te im jewei­li­gen Lebens-, Aus­bil­dungs- und Arbeits­be­reich aktiv werden.

Eine gute Mög­lich­keit dazu ist die Betei­li­gung an soli­da­ri­schen Akti­ons­bünd­nis­sen gegen die Preis­trei­be­rei. Sie ist ein Bei­trag zum not­wen­di­gen Auf­bau einer sozia­len Front gegen die Offen­si­ve des Kapi­tals und das Ent­ste­hen einer faschis­ti­schen Massenbewegung.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Dezem­ber 2022
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