Kli­ma, Klas­se, Widerstand!

Erfolg­rei­che Öko­so­zia­lis­ti­sche Kon­fe­renz der ISO

 

J. H. W. / H. S.

Knapp 100 Teil­neh­men­de zwei Dut­zend Refe­rie­ren­de und auf Podi­en Dis­ku­tie­ren­de (dar­un­ter Gäs­te aus Frank­reich, Luxem­burg, Öster­reich, Bra­si­li­en und Kolum­bi­en) haben vom 9. bis 11. Juni 2023 im Natur­freun­de­haus Köln-Kalk in ins­ge­samt drei Ple­nums­ver­an­stal­tun­gen und in 23 Arbeits­grup­pen inten­si­ve Dis­kus­sio­nen geführt.

FFF-Demo in Aachen, 21. Juni 2019. (Foto: Avanti².)

FFF-Demo in Aachen, 21. Juni 2019. (Foto: Avanti².)

Ver­kehrs-, Wär­me- und Ener­gie­po­li­tik, Stra­te­gie der Kli­ma­ge­rech­tig­keits­be­we­gung, Berüh­rungs­punk­te mit den rea­len Kämp­fen in der Arbeits­welt, rea­le und mög­li­che Bünd­nis­se, die Orga­ni­sa­ti­ons­fra­ge und unse­re Vor­schlä­ge für die Bewe­gung – das waren eini­ge der behan­del­ten Themen.

Neu­es Mani­fest der IV. Internationale
Ein Höhe­punkt war sicher­lich die Dis­kus­si­on mit Chris­ti­ne Pou­pin von der fran­zö­si­schen Neu­en Anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Par­tei (NPA) über das Pro­jekt eines öko­so­zia­lis­ti­schen Mani­fests der IV. Inter­na­tio­na­le. Geplant ist, dass ein abge­run­de­ter Ent­wurf ab Herbst 2023 nicht nur inner­halb der IV. Inter­na­tio­na­le dis­ku­tiert wird. Es soll auch einen Aus­tausch mit befreun­de­ten und ande­ren inter­es­sier­ten poli­ti­schen Orga­ni­sa­tio­nen sowie Akti­ven aus Umwelt-Bewe­gun­gen geben. Die Ergeb­nis­se der inter­nen und exter­nen Dis­kus­si­ons­pro­zes­se sol­len dann im Früh­jahr 2025 zur Ver­ab­schie­dung einer über­ar­bei­te­ten Fas­sung durch den nächs­ten Welt­kon­gress der IV. Inter­na­tio­na­le führen.

Rück­bau“, „Abbau“, „Degrowth“?
In die­sem Zusam­men­hang kon­zen­trier­te sich die Dis­kus­si­on auf fol­gen­de Hauptfragen:

• Wenn wir für die Redu­zie­rung von kli­ma­schäd­li­chen Emis­sio­nen ein­tre­ten, was zwangs­läu­fig den Rück­bau bestimm­ter Indus­trien und Ener­gie­for­men bedeu­tet, wie neh­men wir den Beschäf­tig­ten die­ser Berei­che die Angst vor Arbeits­platz­ver­lust und gewin­nen sie für einen gemein­sa­men Kampf?
Hier­zu wur­den ver­schie­de­ne Ansatz­punk­te vor­ge­stellt: die Initia­ti­ve „Stra­ßen­bah­nen statt Autos“ aus Wolfs­burg, den Wider­stand gegen Abbau von Arbeits­plät­zen und für öko­lo­gi­sche Kraft­wer­ke bei Als­tom Power in Mann­heim sowie den Kampf gegen Preistreiberei.

• Wie kön­nen prak­ti­sche Koope­ra­tio­nen von Bewe­gun­gen gegen Mega­pro­jek­te mit der Kli­ma­ge­rech­tig­keits­be­we­gung ent­wi­ckelt wer­den? Sehr moti­vie­rend war die Vor­füh­rung des Films DAS TROJANISCHE PFERD – Stutt­gart 21 über die immer noch anhal­ten­den Pro­tes­te gegen die­ses kri­mi­nel­le Bau­vor­ha­ben, das den Bahn­ver­kehr in und um Stutt­gart mas­siv schä­digt, aber die Pro­fi­te der Berei­che Immo­bi­li­en­spe­ku­la­ti­on und Tun­nel­bau noch wei­ter erhöht.

• Wenn die Ver­bren­nung fos­si­ler Ener­gie­trä­ger glo­bal radi­kal redu­ziert wer­den muss, um den Kli­ma­wan­del zu ver­lang­sa­men, wie über­zeu­gen wir die Men­schen in den Län­dern des glo­ba­len Südens davon, dass der „glo­ba­le Nor­den“ sie nicht schon wie­der zu etwas zwin­gen will? Wie ver­bes­sert sich ihre Lebens­si­tua­ti­on dau­er­haft auch ohne den Bau von Koh­le- und Atom­kraft­wer­ken? Wie lösen wir den Wider­spruch, dass die Men­schen im „Nor­den“ wie im „Süden“ einen Angriff auf ihre heu­ti­gen Kon­sum­ge­wohn­hei­ten (und die Hoff­nung auf genau deren Aus­wei­tung in der Zukunft) in Namen des Kli­ma­schut­zes nicht akzep- tie­ren wer­den? Zumin­dest solan­ge nicht die Idee des „guten“ und „bes­se­ren“ Lebens (jen­seits der kapi­ta­lis­ti­schen Kon­sum­ge­sell­schaft mit ihren künst­lich erzeug­ten „Bedürf­nis­sen“) vor­stell­bar und fass­bar gemacht wird? Und wie kann die­se Idee durch- gesetzt oder kön­nen wenigs­tens glaub­haf­te Wege dahin auf­ge­zeigt werden!

Abschluss­ple­num
Emi von der Kam­pa­gne „RWE & Co ent­eig­nen“, SoZ-Kolum­nist Ingo Schmidt und der Agrar­öko­lo­ge Anto­nio Andrio­li spra­chen am Ende der Kon­fe­renz über mög­li­che Per­spek­ti­ven, über offe­ne Fra­gen und über Hin­der­nis­se, die sich uns entgegenstellen.

Wie kann aus einer Ent­eig­nung eine wirk­li­che Ver­ge­sell­schaf- tung wer­den? Wenn „der Markt“ nicht alles regeln soll und vor allem nicht darf, brau­chen wir dann einen Plan? Und wer stellt ihn auf? Wenn schäd­li­che und über­flüs­si­ge Waren nicht mehr her­ge­stellt wer­den dür­fen, wie kom­men wir zu einer Gesell­schaft, in deren Mit­tel­punkt die Men­schen Din­ge und Leis­tun­gen zur Bedürf­nis­be­frie­di­gung erzeugen?

Ange­sichts der Dring­lich­keit, der Kli­ma­ka­ta­stro­phe ent­ge­gen­zu­tre­ten, schei­nen die Auf­ga­ben rie­sig, die Kräf­te beschei­den und der Weg noch nebu­lös zu sein. Aber wer nicht anfängt los­zu­ge­hen, wird nir­gend­wo hin­kom­men. Sind wir ein paar Schrit­te vor­an­ge­kom­men, wer­den sich die Ant­wor­ten auf eini­ge Fra­gen deut­li­cher abzeich­nen. Es wird wei­te­re Erfah­run­gen aus sozia­len und Kli­ma­kämp­fen lokal und glo­bal geben. Dar­über soll 2024, bei der nächs­ten Öko­so­zia­lis­ti­schen Kon­fe­renz der ISO, der Aus­tausch fort­ge­setzt werden.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Juli / August 2023
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