Long COVID − Was tun?

N. B.

Mitt­ler­wei­le hat ein sehr gro­ßer Teil der Bevöl­ke­rung min­des­tens eine Coro­na-Infek­ti­on durch­ge­macht. Genaue Zah­len für die­sen gesund­heits­po­li­ti­schen Skan­dal gibt es nicht.

Bekannt ist aber: Vie­le die­ser Men­schen sind nach ein, zwei oder auch vier Wochen nicht wie­der gesund. Sie lei­den unter Long COVID.

Kundgebung „Solidarität in Zeiten der Pandemie“ in Mannheim, 10. ‎April ‎2021. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Kund­ge­bung „Soli­da­ri­tät in Zei­ten der Pan­de­mie“ in Mann­heim, 10. ‎April ‎2021. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Was ist Long COVID?
Men­schen mit Long COVID sind nicht mehr akut infi­ziert, also auch nicht anste­ckend. Ihre Sym­pto­me hal­ten aber ent­we­der an oder es tre­ten neue Sym­pto­me in Fol­ge der Coro­na-Erkran­kung auf. Die­se kön­nen kör­per­li­cher, kogni­ti­ver und psy­chi­scher Art sein und schrän­ken die Betrof­fe­nen in ihrem All­tag stark ein.

Zu den häu­figs­ten Sym­pto­men gehö­ren Erschöp­fung und ein­ge­schränk­te Belast­bar­keit (auch „Fati­gue“ genannt), Kurz­at­mig­keit, Kon­zen­tra­ti­ons- und Gedächt­nis­pro­ble­me, Schlaf­stö­run­gen, Mus­kel­schwä­che und -schmer­zen, psy­chi­sche Pro­ble­me, wie depres­si­ve Stim­mun­gen und Angst­sym­pto­me, sowie Riech- und Schmeckstörungen.

Im schlimms­ten Fall kommt es zum Chro­ni­schen Erschöp­fungs­syn­drom oder ande­ren kör­per­li­chen Fol­gen, die Men­schen von umfas­sen­der Pfle­ge abhän­gig machen. Manch­mal ist für Betrof­fe­ne schon der Gang ins Bad kaum zu bewäl­ti­gen, sind Licht und Lärm kaum auszuhalten.

Die Sym­pto­me hal­ten Wochen, Mona­te und manch­mal auch Jah­re an − ohne eine Gewiss­heit, wann und ob sie sich wie­der legen. Bestehen sie noch län­ger als 12 Wochen nach Beginn der Coro­na-Infek­ti­on, wird dies als Post-COVID-Syn­drom bezeichnet.

Wen trifft Long COVID?
Der For­schungs­stand zu Long COVID stellt sich dürf­tig dar. Begrün­det wird dies bei­spiel­wei­se vom RKI mit der Neu­ar­tig­keit der Erkran­kung, die sicher ihren Teil dazu beiträgt.

Doch ins­be­son­de­re zu Beginn der Pan­de­mie berich­te­ten vie­le Betrof­fe­ne, in ihren Beschwer­den nicht ernst­ge­nom­men wor­den zu sein. Es dau­er­te daher eine beträcht­li­che Zeit, bis über- haupt ers­te Unter­su­chun­gen zu Ursa­chen, Sym­pto­men und Behand­lungs­mög­lich­kei­ten ein­ge­lei­tet wurden.

Die Daten zur Häu­fig­keit von Long COVID vari­ie­ren in unter­schied­li­chen For­schungs­ar­bei­ten zwi­schen 7,5 % und 41 %. Das ist zwar wenig aus­sa­ge­kräf­tig, macht aber deut­lich, dass Long COVID ein brei­tes und ernst­zu­neh­men­des Pro­blem darstellt.

Die Wahr­schein­lich­keit, an Long COVID zu erkran­ken, nimmt mit der Schwe­re des Ver­laufs der Coro­na-Erkran­kung zu. Den­noch kön­nen auch nach mil­den oder gar sym­ptom­frei­en Ver­läu­fen Long COVID-Sym­pto­me auftreten.

Ent­ge­gen allen Behaup­tun­gen, die Pan­de­mie sei für Kin­der und Jugend­li­che unge­fähr­lich, kön­nen auch sie von Long COVID betrof­fen sein. Der For­schungs­stand lässt hier aller­dings noch mehr zu wün­schen übrig als bei Erwachsenen.

Was tun?
Der ein­zi­ge siche­re Schutz vor Long COVID besteht dar­in, sich nicht zu infi­zie­ren. Ein voll­stän­di­ger SARS-CoV-2-Impf­schutz kann das Risi­ko von Long COVID ver­rin­gern, aber nicht beseitigen.

Auf indi­vi­du­el­ler Ebe­ne bleibt uns – trotz allem „Frei­heits­ge­re­de“ – die Ver­ant­wor­tung für den Schutz der Gesund­heit von uns und unse­ren Mit­men­schen. Das ist durch die Ein­hal­tung der AHA-L-Regeln leicht mög­lich. Zudem ver­bes­sert sich der Schutz vor schwe­ren Erkran­kun­gen durch eine voll­stän­di­ge Impfung.

Ins­be­son­de­re brau­chen wir aber end­lich einen kon­se­quen­ten Infek­ti­ons­schutz im öffent­li­chen Raum und am Aus­bil­dungs- sowie am Arbeits­platz. Sein Kern ist die plan­mä­ßi­ge und kon­trol­lier­te Umset­zung des TOP-Prin­zips, das heißt die Ver­wirk­li­chung tech­ni­scher, orga­ni­sa­to­ri­scher und per­sön­li­cher Schutz­maß­nah­men (vgl. z. B.: www.iso-4-rhein-neckar.de/cor1 oder www.iso-4-rhein-neckar.de/cor2).

Gesund­heit oder Profit?
Nach einer Coro­na-Infek­ti­on müs­sen Betrof­fe­ne genü­gend Zeit haben, sich aus­zu­ku­rie­ren. Häu­fig wird der Ein­druck ver­mit­telt, mit einem nega­ti­ven Test­ergeb­nis kön­ne man direkt wie­der anfan­gen zu arbei­ten. Dabei sagt es aber wenig dar­über aus, ob die betref­fen­de Per­son wie­der gesund ist.

Die Arbeits­be­las­tung trägt außer­dem nicht zur Gesun­dung bei. Sie kann dazu füh­ren, dass Men­schen nach weni­gen Tagen oder Wochen wie­der ver­mehrt unter Erschöp­fungs- und ande­ren Sym­pto­men leiden. 
Es soll­te eine Selbst­ver­ständ­lich­keit und kei­ne Aus­nah­me sein, dass Infi­zier­te auch nach einer aku­ten Erkran­kung sich noch scho­nen kön­nen. Die Rück­kehr an den Arbeits­platz darf nur nach der Wie­der­her­stel­lung der vol­len Belast­bar­keit erfolgen.

Zudem müs­sen ein­fa­che Wege geschaf­fen wer­den, auf denen Long COVID als Berufs­krank­heit aner­kannt, die finan­zi­el­le Sicher­heit und die medi­zi­ni­sche wie gege­be­nen­falls pfle­ge­ri­sche Ver­sor­gung gewähr­leis­tet wer­den. Nur mit finan­zi­el­ler, beruf­li­cher, medi­zi­ni­scher und sozia­ler Sicher­heit haben Men­schen die Mög­lich­keit wie­der wirk­lich zu gesunden. 

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Sep­tem­ber 2022
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