S. T.
In der Regel dient Kurzarbeit dazu, Unternehmen und Beschäftigten durch wirtschaftlich schwierige Zeiten zu helfen. Firmen sollen, wenn es mal etwas schlechter läuft, nicht gleich „ihr“ erfahrenes Personal entlassen, und Beschäftigte müssen nicht gleich um ihren Arbeitsplatz fürchten.
Erste Regelungen in Richtung Kurzarbeitergeld gibt es seit 1910. Die damals vom Kapazitätsabbau der Kali-Industrie betroffenen Arbeiter erhielten eine Kurzarbeiterfürsorge. 1924 wurde dann die „Kurzarbeiterunterstützung“ geschaffen. Das Kurzarbeitergeld wurde am 1. Januar 1957 eingeführt.
Anfällige globale Lieferketten
Viele Unternehmen sind heute in weltweite Produktions- und Vertriebsstrukturen integriert. Sie sind dadurch abhängig von funktionierenden globalen Lieferketten.
Der weitgehende Verzicht auf Lagerhaltung, um Lagerkosten zu reduzieren, sowie die Produktion wichtiger Teile durch Vorproduzenten macht den Herstellungsprozess für kurzfristige Lieferausfälle anfällig. Werden solche Teile, Komponenten oder Rohstoffe knapp oder stehen gar nicht mehr zur Verfügung, kann der gesamte Produktionsablauf eines Betriebes davon betroffen sein.
Im Rahmen der aktuellen Wirtschaftskrise hat die Corona-Pandemie die Lieferketten weltweit zusätzlich massiv gestört und damit die Anfälligkeit des globalen kapitalistischen Wirtschaftssystems demonstriert.
Aktuelle Kurzarbeit in Europa
Ende April 2020 haben Unternehmen in der EU, in Großbritannien sowie der Schweiz für rund 50 Millionen Beschäftigte Kurzarbeit beantragt. Allein in den 27 EU-Staaten für rund 42 Millionen. Dies entspricht knapp 27 Prozent aller Beschäftigten in der EU.
Die Zahl der Anträge ist wahrscheinlich höher als die tatsächliche Zahl der von Kurzarbeit betroffenen Beschäftigten. Denn Unternehmen beantragen oft präventiv für größere Belegschaftsgruppen Kurzarbeit als dies letztendlich notwendig ist. Dennoch beziehen so viele Beschäftigte wie noch nie Kurzarbeitergeld.
Am stärksten von Kurzarbeit betroffen waren Beschäftigte in Frankreich (11,3 Millionen Anträge bei der nationalen Arbeitslosenversicherung), Deutschland (10,1 Millionen), Italien (8,3 Millionen) und Großbritannien (6,3 Millionen).
Gemessen an der Beschäftigtenzahl hatte die Schweiz mit 48,1 Prozent den höchsten Anteil aller Anträge zur Kurzarbeit, gefolgt von Frankreich (47,8 Prozent), Italien (46,6 Prozent) und Luxemburg (44,5 Prozent). In Deutschland beziehen sich die Anträge auf Kurzarbeit auf etwas mehr als ein Viertel aller Beschäftigen (26,9 Prozent).
Wie bedeutsam die Kurzarbeit als ein Instrument zur „Krisenbewältigung“ ist, zeigt der Vergleich mit den USA, wo kaum Kurzarbeiterreglungen genutzt werden und deshalb bereits mehr als 40 Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz verloren haben.
Unterschiedliche Regelungen
Doch die nationalen Regelungen weisen in Hinblick auf Höhe und Dauer des Kurzarbeitergeldes deutliche Unterschiede auf. So reicht die Höhe des Kurzarbeitergeldes, gemessen am ausgefallenen Entgelt, je nach Land von 50 Prozent in Polen bis zu 100 Prozent in den Niederlanden, Dänemark oder Irland. In vielen Staaten liegt das Niveau bei 70 oder 80 Prozent. Die Dauer der Zahlungen variiert zwischen zwei Wochen in Rumänien über drei Monate in Dänemark oder Luxemburg, sechs Monate in den Niederlanden oder Österreich, bis zu 12 Monaten in der Schweiz und Frankreich, bis zu 13 Monaten in Finnland sowie neuerdings bis zu 24 Monaten in Deutschland – befristet bis Ende 2021.
Unsere Forderungen
Kurzarbeitende sind oft mit drastischen finanziellen Einbußen konfrontiert. Generell sind Beschäftigte mit niedrigeren Einkommen in Betrieben ohne Tarifvertrag oder Betriebsrat sowie Frauen davon besonders betroffen.
Deshalb fordern wir: Statt Kurzarbeitergeld erhalten Beschäftigte zunächst eine uneingeschränkte Entgeltfortzahlung aus den Gewinnen von profitablen Unternehmen und von Großaktionären.
Anschließend erhalten sie Kurzarbeitergeld in Höhe des bisherigen Entgelts. Zudem gilt ab sofort ein Verbot von Entlassungen. Vor allem aber muss die Arbeit auf alle verteilt werden. Am besten durch beschäftigungswirksame Verkürzungen der Wochenarbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich: 30 Stunden sind auch genug!