Phil­ip­pi­nen „Wir brau­chen Eure Solidarität“

 

Wäh­rend ihres Euro­pa­auf­ent­halts im Herbst 2018 besuch­te die Men­schen­rechts­ak­ti­vis­tin Mabel Carum­ba auch Mann­heim. Wir konn­ten mit ihr über die Lage in den Phil­ip­pi­nen sprechen.*

Unter den „Ent­wick­lungs­län­dern“ gehört die phil­ip­pi­ni­sche Wirt­schaft zu den­je­ni­gen mit den höchs­ten Wachs­tums­ra­ten. Wer pro­fi­tiert davon?
Das ist rich­tig. Bereits wäh­rend der Amts­zeit von Prä­si­den­tin Aqui­no wuchs die phil­ip­pi­ni­sche Wirt­schaft. Dies hat sich unter der gegen­wär­ti­gen Regie­rung fort­ge­setzt. Aber nicht alle hat­ten davon einen Nut­zen. Bei der Mehr­heit der armen Bevöl­ke­rung ist davon bis­lang nichts ange­kom­men. Deren Lebens­stan­dard ver­bes­ser­te sich nicht, da die Löh­ne und die Mas­sen­kauf­kraft nicht stiegen.

Im Jahr 2018 kon­trol­lier­ten die 50 reichs­ten Per­so­nen mit ihren Kon­zer­nen den Groß­teil der natio­na­len Indus­trie und Wirt­schaft. Und wer in den Phil­ip­pi­nen die Wirt­schaft kon­trol­liert, der kon­trol­liert auch die Politik.

Mabel Carumba in Mannheim am 21. September 2018 (Foto: Privat)

Mabel Carum­ba in Mann­heim am 21. Sep­tem­ber 2018 (Foto: Privat)

Wie sieht dage­gen die Situa­ti­on der arbei­ten­den Mas­sen aus?
Gemäß der regie­rungs­of­fi­zi­el­len Sta­tis­tik hat im Janu­ar 2018 die Beschäf­ti­gungs­s­ra­te 94,7 % betra­gen. Dies führ­te jedoch nicht zu höhe­ren Löh­nen. Sehr vie­le Men­schen sind unter­be­schäf­tigt. Rund 15,6 Mil­lio­nen Arbei­te­rIn­nen sind im infor­mel­len Sek­tor tätig – und damit außer­halb des Schut­zes durch Arbeits­ge­set­ze. Dies ent­spricht 38 % der arbei­ten­den Bevölkerung.

Die arbei­ten­den Mas­sen lei­den unter Armut. Eine lan­des­wei­te Umfra­ge der Sozia­len Wet­ter­sta­tio­nen (SWS) im Sep­tem­ber 2018 ergab, dass sich 52 % der Men­schen auf den Phil­ip­pi­nen selbst als arm bezeich­nen. Dies ent­spricht 12,2 Mil­lio­nen Fami­li­en. Eine Fami­lie hat durch­schnitt­lich fünf Mitglieder.

Wel­che Bedeu­tung hat unter die­sen Umstän­den die Prä­si­dent­schaft von Duterte?

Die Groß­in­dus­trie und die Olig­ar­chen haben nach wie vor sehr gro­ßen Ein­fluss auf die Regie­rung Dutertes.

Trotz sei­ner popu­lis­ti­schen Pro­pa­gan­da­kam­pa­gne für eine Ver­bes­se­rung der Lebens­be­din­gun­gen der Armen setzt sei­ne Regie­rung die neo­li­be­ra­le Poli­tik der vor­he­ri­gen Kabi­net­te fort.

Der Krieg gegen Dro­gen, der zur Ermor­dung von mehr als 20.000 Men­schen und zur Aus­ru­fung des Kriegs­rechts in Mind­a­nao geführt hat, wird vom Groß­ka­pi­tal unter­stützt, da dadurch „Ruhe und Ord­nung“ gesi­chert wer­den und dies güns­tig für des­sen Geschäf­te ist.

Was sind Eure kon­kre­ten Zie­le im Mind­a­nao Peo­p­les’ Peace Move­ment (MPPM)?
Das MPPM ist ein Zusam­men­schluss von Basis­or­ga­ni­sa­tio­nen der Bangs­a­mo­ro, der indi­ge­nen Völ­ker und der Nach­fah­ren von ein­ge­wan­der­ten Sied­lern aus ver­schie­de­nen Regio­nen Mind­a­na­os. Es umfasst Orga­ni­sa­tio­nen der Men­schen­rechts-, Frie­dens- und Umwelt­be­we­gung sowie ande­rer gesell­schaft­li­cher Sek­to­ren (Bau­ern, Fischer, Arbei­ter, Frau­en, Jugend, LGBT, Studierende).

Das MPPM will die Soli­da­ri­tät zwi­schen den ver­schie­de­nen Volks­grup­pen und Gemein­schaf­ten auf­bau­en, mit dem Ziel eines gerech­ten und fried­li­chen Mind­a­nao. Dazu soll eine Platt­form geschaf­fen wer­den, mit der sie für ihre demo­kra­ti­schen Rech­te und die Teil­ha­be an allen Ent­schei­dungs­pro­zes­sen, die ihr Leben und ihre Zukunft betref­fen, ein­tre­ten können.

Das MPPM ist eine der ers­ten Orga­ni­sa­tio­nen, die offen die Aus­ru­fung des Kriegs­rechts in Mind­a­nao und die Flut von will­kür­li­chen Tötun­gen ver­ur­teil­te. Es doku­men­tiert Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen wie Fol­ter, will­kür­li­che Ver­haf­tun­gen, die Mili­ta­ri­sie­rung der Gemein­den und die Dif­fa­mie­rung von Umwelt- und Boden­rechts­ak­ti­vis­ten, die wei­ter­hin für ihre demo­kra­ti­schen Rech­te ein­tre­ten, als Terroristen.

Das MPPM arbei­tet mit ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen wie iDe­fend zusam­men. Es ist mitt­ler­wei­le Teil von des­sen Steue­rungs­grup­pe in Mind­a­nao, wo es kon­kre­te Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen auf­deckt und sich für Gerech­tig­keit und Straf­ver­fol­gung einsetzt.

Wor­in besteht die Arbeit von iDe­fend (der „Bewe­gung zur Ver­tei­di­gung der Men­schen­rech­te und der Men­schen­wür­de auf Mindanao“)?
iDe­fend ist der­zeit eine der größ­ten Men­schen­rechts­be­we­gun­gen in den Phil­ip­pi­nen. Als eine der ers­ten Grup­pen kri­ti­sier­te sie die Poli­tik des Duter­te-Regimes, Dro­gen­ab­hän­gi­ge und Dro­gen­händ­ler zu ermor­den. Das ist nach wie vor einer der wich­tigs­ten Kri­tik­punk­te an den Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen und dem Kli­ma der Will­kür, das in den Phil­ip­pi­nen herrscht.

Wie kön­nen wir Euch von Deutsch­land aus unterstützen?
Men­schen­rech­te zu ver­tei­di­gen, akti­vis­tisch und unein­ge­schränkt oppo­si­tio­nell zu sein, ist in den Phil­ip­pi­nen der­zeit sehr gefährlich.

Wir wer­den oft als „Unru­he­stif­ter“ und „Ter­ro­ris­ten“ gebrand­markt. Jeden Tag wer­den Men­schen ermor­det. Die Gewalt wird oft als Bekämp­fung der Dro­gen­sucht, des Wider­stands gegen Ver­haf­tun­gen oder des Ter­ro­ris­mus dar­ge­stellt. Die Will­kür und die Straf­frei­heit die­ser Taten ver­ängs­ti­gen die Bevölkerung.

Wir bit­ten die Men­schen in Deutsch­land, auf ihre Regie­rung anhal­tend Druck aus­zu­üben, damit die­se die Gräu­el­ta­ten in unse­rem Land ver­ur­teilt. Unter­stützt unse­re For­de­rung nach einer unab­hän­gi­gen Unter­su­chung des Anti-Dro­gen-Krie­ges und der will­kür­li­chen Ermor­dung von Men­schen vor dem Inter­na­tio­na­len Straf­ge­richts­hof. Genau­so wich­tig ist es, dass Ihr von Eurer Regie­rung for­dert, bei den Han­dels­be­zie­hun­gen mit den Phil­ip­pi­nen nicht wie bis­her üblich fortzufahren.

Men­schen­rech­te und die sozia­le Lage der Bevöl­ke­rung soll­ten wich­ti­ger sein als Pro­fi­te. Wir brau­chen Eure Soli­da­ri­tät, um unse­re Stim­me des Wider­stands ver­stär­ken zu kön­nen. Gemein­sam soll­ten wir die Rück­kehr von Faschis­ten und auto­ri­tä­ren Regie­run­gen bekämpfen.

Die philippinische Menschenrechtsaktivistin Mabel Carumba am 20. September 2018 in Mannheim (Foto: Privat)

Die phil­ip­pi­ni­sche Men­schen­rechts­ak­ti­vis­tin Mabel Carum­ba am 20. Sep­tem­ber 2018 in Mann­heim (Foto: Privat)

*[Die Fra­gen stell­te W.A.; U.D. über­setz­te das Inter­view aus dem Englischen.]

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Novem­ber 2018
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