H. N.
Die Implosion des U-Boots Titan auf der Tauchfahrt zum Wrack des Ozeandampfers Titanic spiegelt den Zersetzungsgrad des Kapitalismus und des Personals der herrschenden Klassen wider.
Eine Handvoll Milliardäre und „Abenteurer“ buchte für schlappe 250.000 US-Dollar pro Person das finale Ticket in die Tiefen des Nord-Atlantik, um sich an den Trümmern der Titanic zu ergötzen.
Schon 2018 hatte die US-Gesellschaft für Meerestechnik ihre „einstimmigen“ Bedenken wegen der Unsicherheit der Titan an die Betreiberfirma Ocean Gate übermittelt.
Deren Gründer, Stockton Rush, hatte sich aber nicht nur geweigert, die Titan durch unabhängige Gutachter prüfen zu lassen. Er hatte sich offenbar auch damit gebrüstet, bewusst Vorschriften missachtet zu haben: „Es kommt darauf an zu entscheiden, welche Regeln man bricht, um andere und die Gesellschaft voranzubringen.“ (Rush laut FAZ vom 24. Juni 2023.) Rush war übrigens einer der fünf Insassen der Titan …
Entfesselter Spätkapitalismus
Rushs Arroganz ist Ausdruck des entfesselten Spätkapitalismus unserer Tage. Dessen Vorgeschichte muss kurz in Erinnerung gerufen werden. 1945 markierte das Ende sowohl des Zweiten Weltkriegs als auch des Faschismus in Deutschland und Italien. Die Herrschenden in Ost und West verständigten sich danach, gemeinsam den Kapitalismus im Westen und den Stalinismus im Osten vor der „Gefahr“ neuer sozialistischer Revolutionen zu schützen.
Auch das deutsche Grundgesetz ist der Ausdruck eines Klassenkompromisses. Es schreibt keineswegs den Kapitalismus als Wirtschaftsform fest. Von einer „sozialen“ oder „freien Markwirtschaft“ ist darin keine Rede.
Während des „Kalten Kriegs“ zwischen West und Ost (1947 bis 1989) setzte sich die zunächst sehr randständige neoliberale Ideologie zur weltweiten Heilslehre der herrschenden Klassen durch. Am 11. September 1973 markierte der blutige, von den USA gestützte Militärputsch gegen die demokratisch gewählte reformistische Linksregierung Chiles unter Salvador Allende den historischen Durchbruch des Neoliberalismus.
Dessen Mantra aus „Deregulierung“, „Flexibilisierung“ und „Privatisierung“ wurde ab 1979 auch in der BRD immer mehr verkündet. Wirtschaftliche Profiteure dieser Entwicklung sind vor allem die Konzerne und die Superreichen. Politische Nutznießer sind zunehmend extrem rechte und faschistische Strömungen und Parteien.
Ihre Antworten und unsere
Die Kosten der vielfältigen Krisen wachsen immer schneller. Schätzungen gehen für die BRD von derzeit weit über 2 Billionen € aus. Die winzig kleine herrschende Klasse (0,1 % der Bevölkerung) wälzt diese Krisenlasten auf die große Mehrheit ab.
Die „Konkurrenzfähigkeit“ des deutschen Kapitalismus soll durch die „Transformation“ zu einem „grünem“ Kapitalismus gesichert werden. Der strategische Vorrang privater Profitinteressen verursacht zunehmend chaotischere und gefährlichere krisenhafte Entwicklungen.
Umso nötiger ist eine effektive Abwehr der aktuellen Bedrohungen im Interesse der arbeitenden Klasse, der Erwerbslosen, der Jugend und der alten Menschen.
Diese Perspektive erfordert einen 10-Punkte-Aktionsplan öffentlicher Aufgaben und Maßnahmen zur Bekämpfung des Profitsystems. Wesentlich dabei ist die Erringung der gesellschaftlichen Kontrolle über die entscheidenden Sektoren der Wirtschaft.
Was tun?
Die Veränderung der politischen und soziale Kräfteverhältnisse ist entscheidend für die Stärkung der Gegenmacht der arbeitenden Klasse. Letztere ist abhängig von der Initiierung, Aus- dehnung und Vernetzung der Bewegungen, Kämpfe und Streiks von unten. Unerlässlich ist dafür der Aufbau einer solidarischen Front der sozialen und ökologischen Bewegungen sowie der handlungsbereiten linken und gewerkschaftlichen Organisationen – gegen den Titan(ic) Kapitalismus!
1. Zur Verhinderung der Klimakatastrophe ist eine grundlegende Wende in allen Bereichen erforderlich. Jeder Sektor ist sowohl für sich als auch im Gesamtzusammenhang zu betrachten und im Sinne der Klimagerechtigkeit zu verändern.
2. Die Durchsetzung des Rechts auf Menschenwürde für alle ist elementar − insbesondere für die arbeitende Klasse.
3. Gegen Erwerbslosigkeit und Unterbeschäftigung ist die Arbeit durch die dynamische Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich auf alle zu verteilen. Entlassungen sind zu verbieten.
4. Alle Formen prekärer Beschäftigung sind zu untersagen.
5. Gegen Preistreiberei ist ein automatischer Inflationsausgleich wie in Belgien oder Luxemburg durchzusetzen. 15 € Mindestlohn und eine Grundsicherung von 1.500 € für alle!
6. Ein umfassender und präventiver gesellschaftlicher Gesundheitsschutz ist für alle zu gewährleisten. Der planmäßige Aus- und Aufbau eines nicht an Profitinteressen orientierten Gesundheitssystems ist daher zwingend.
7. Wohnen ist ein Grundrecht. Seine Durchsetzung erfordert die Vergesellschaftung von Grund und Boden vor allem in Städten, das Verbot von Immobilienspekulation und die Enteignung von Wohnungskonzernen.
8. Bildung und Kultur für alle ist ein Menschenrecht. Es ist durch die Überwindung der neoliberalen Zerstörungen dieser Bereiche und ihren geplanten Aus- und Neuausbau zu verwirklichen.
9. Alle Massenmedien sind der Aufklärung, Bildung, Information sowie dem Kampf gegen Diffamierung und Diskriminierung zu verpflichten. Vor allem die von Konzernen beherrschten digitalen Bereiche müssen vergesellschaftet werden.
10. Das Geld zur Finanzierung solcher Maßnahmen ist da. Superreiche und Konzerne müssen endlich einen Beitrag leisten: durch eine Solidaritätssteuer von 20 % auf alle Geldvermögen über 1 Mio. €, durch Beschlagnahme aller zur „Steuer-Optimierung“ versteckten Milliarden und durch Einführung einer Vermögenssteuer von 80 % für alle Einkommen, die das Tausendfache des Durchschnitts betragen.