Lenins Tod 1924: Weichenstellung für den Stalinismus?
E. B.
Lenin stirbt am 21. Januar 1924 im Alter von nicht einmal 54 Jahren. Seine zerrüttete Gesundheit und sein früher Tod sind Folgen eines Attentats im Sommer 1918.
In seinen letzten Lebensmonaten erkennt Lenin immer klarer die Gefahren der Bürokratisierung des Rätestaates. Anfang Januar 1923 fordert er in einem Nachtrag zum „Brief an den Parteitag“, die Ablösung Stalins als Generalsekretär der Partei.
In seiner letzten öffentlichen Stellungnahme kritisiert Lenin Anfang März 1923 scharf die Parteibürokratie und den „abscheulichen“ Staatsapparat. Das Überleben des revolutionären Rußland hängt ihm zufolge entscheidend von der Überwindung des Mangels an Zivilisation ab.
Von der damals neu entstehenden bürokratischen Kaste wird Lenin als mumifizierte Ikone missbraucht. Er dient fortan zur quasi religiösen Legitimation des konterrevolutionären stalinistischen Terrorregimes.
Heute ist die Dämonisierung Lenins üblich bei den Profiteuren des Kapitalismus im Osten wie im Westen.
Russlands Despot Putin orientiert sich an „starken Herrschern“ wie Stalin und den Zaren. Lenin ist für ihn hingegen des Teufels, hat er doch die Unterdrückten ermutigt, nach dem rätedemokratischen Vorbild der Pariser Kommune die Macht zu übernehmen.
Der deutsche Staatshistoriker H. A. Winkler sieht in Lenin schlicht den Urheber eines Putsches zur Errichtung einer „Diktatur … von Berufsrevolutionären“.
In einer solchen Gemengelage ist es gut, sich erinnern zu können.
Im Januar 1974 schreiben die Mannheimer Sozialisten und SPD-Mitglieder Gerda und Hermann Weber in der Vorbemerkung zu ihrer Lenin-Chronik: „Vor 50 Jahren starb Wladimir Iljitsch Lenin, der wie kaum ein zweiter den Lauf der Geschichte unserer Zeit beeinflußt hat. Lenins Leben ist heute mehr denn je von Legenden umwoben, das Bild seiner Persönlichkeit und seiner politischen Ideen ‚von der Parteien Gunst und Haß‘ bestimmt. Eine nüch- terne Chronologie scheint unter diesen Umständen durchaus nützlich und gerechtfertigt.“