Vor 90 Jah­ren – Macht­über­ga­be an den Faschismus

ISO-Info­abend am 20. Janu­ar 2023

R. G.

Die Macht­über­ga­be an den Faschis­mus vor 90 Jah­ren war The­ma des Janu­ar-Info­abends der ISO Rhein-Neckar. Am 30. Janu­ar 1933, wur­de Adolf Hit­ler vom Reichs­prä­si­den­ten Hin­den­burg zum Reichs­kanz­ler ernannt. Damit wur­de mit Zustim­mung und Unter­stüt­zung durch Kapi­ta­lis­ten und Groß­grund­be­sit­zer die poli­ti­sche Macht an den Faschis­mus übergeben.

F. Meyer (1906 - 1957), Mitglied der LO bzw. IKD. (Foto: Privatarchiv.)

F. Mey­er (1906 - 1957), Mit­glied der LO bzw. IKD. (Foto: Privatarchiv.)

Unser Refe­rent erin­ner­te zuerst an die Opfer des Faschis­mus. Danach skiz­zier­te er Ideo­lo­gie, Zie­le und Ursa­chen des Faschis­mus sowie den faschis­ti­schen „Umbau“ von Staat und Gesell­schaft. Schließ­lich ver­such­te er, dar­aus Leh­ren für die heu­ti­ge Zeit zu ziehen.

Die Opfer
Der Faschis­mus an der Macht habe nicht gezö­gert, sei­ne poli­ti­schen, ras­sis­ti­schen und anti­se­mi­ti­schen Zie­le mit blu­ti­gem Ter­ror umzu­set­zen. Als ers­tes sei­en Zehn­tau­sen­de Akti­ve der Arbei­ter­be­we­gung ver­haf­tet, gefol­tert, in die Flucht getrie­ben oder getö­tet wor­den. Dadurch sei der ein­zig ernst­zu­neh­men­de Geg­ner des Faschis­mus zer­schla­gen worden.

Danach sei­en 6 Mil­lio­nen jüdi­sche Men­schen, 500.000 Sin­ti und Roma, 250.000 Men­schen mit psy­chi­schen Erkran­kun­gen oder kör­per­li­chen Beein­träch­ti­gun­gen, tau­sen­de Homo­se­xu­el­le und poli­ti­sche oder reli­giö­se Regime­geg­ner ermor­det wor­den. Nicht zuletzt habe er den II. Welt­krieg mit 65 Mil­lio­nen Opfern zu verantworten.

Die Ursa­chen
Eine wich­ti­ge Vor­aus­set­zung für den Faschis­mus sei der Ver­rat der Sozi­al­de­mo­kra­tie an der Novem­ber­re­vo­lu­ti­on 1918 gewe­sen. Statt die his­to­ri­sche Chan­ce zur sozia­lis­ti­schen Umge­stal­tung zu nut­zen, habe sie mit Hil­fe der reak­tio­nä­ren Frei­korps den Kapi­ta­lis­mus ver­tei­digt. So sei der poli­ti­sche Raum für auto­ri­tä­re und faschis­ti­sche Strö­mun­gen geöff­net worden.

Die Wei­ma­rer Repu­blik sei sozi­al, wirt­schaft­lich und poli­tisch insta­bil gewe­sen. Der Arbei­ter­be­we­gung hät­ten die glei­chen auto­ri­tä­ren Macht­struk­tu­ren gegen­über­ge­stan­den wie in der Kai­ser­zeit. In der Wirt­schaft hät­ten wei­ter­hin die Kapi­ta­lis­ten geherrscht, im Mili­tär der Adel und in den Gerich­ten, Schu­len und Uni­ver­si­tä­ten die­sel­be auto­ri­tär-reak­tio­nä­re Gesinnung.

Die Hyper­in­fla­ti­on 1923 und die Wirt­schafts­kri­se 1929 hät­ten zu sozia­ler Ver­elen­dung der Beam­ten, Ange­stell­ten, Bau- ern und Selbst­stän­di­gen geführt. Mil­lio­nen Lohn­ab­hän­gi­ge sei­en ohne Per­spek­ti­ve gewe­sen. In der Fol­ge hät­te das par­la- men­ta­ri­sche Sys­tem und auch die auto­ri­tär-bür­ger­li­chen Par­tei­en an Ver­trau­en ver­lo­ren. Dies sei der Nähr­bo­den für den Faschis­mus gewesen.

Am nega­tivs­ten hät­te sich die Spal­tung der Arbei­ter­be­we­gung in Sozi­al­de­mo­kra­ten und Kom­mu­nis­ten aus­ge­wirkt. Die­se hät­ten sich poli­tisch bekämpft und die töd­li­che Gefahr des Faschis­mus nicht erken­nen wol­len. Statt den gemein­sa­men Wider­stand zu orga­ni­sie­ren, hät­ten sie eine Ein­heits­front gegen den Faschis­mus poli­tisch abgelehnt.

Mög­li­che Lehren
Der Faschis­mus sei immer noch eine Gefahr. Dort, wo es auf die Kri­sen des glo­ba­len Kapi­ta­lis­mus kei­ne glaub­haf­ten und kämp­fe­ri­schen Ant­wor­ten der Arbei­ter­be­we­gung und der poli­ti­schen Lin­ken gege­ben habe, sei­en auto­ri­tä­re, ras­sis­ti­sche und faschis­ti­sche Strö­mun­gen erstarkt oder sogar an die Regie­rung gekommen.

Ange­sichts des­sen sei­en die poli­ti­schen Leh­ren aus der Ver­gan­gen­heit zu zie­hen. Der Faschis­mus sei untrenn­bar mit dem Kapi­ta­lis­mus ver­knüpft. Der Kampf gegen den Faschis­mus müs­se mit dem Kampf gegen die sozia­len Fol­gen der Kri­sen und für eine sozia­lis­ti­sche Alter­na­ti­ve zu Kapi­ta­lis­mus und Sta­li­nis­mus ver­bun­den wer­den. Vor allem aber müs­se eine gemein- same Front der Gewerk­schaf­ten und sozia­len Bewe­gun­gen gegen den Faschis­mus auf­ge­baut werden.

Inten­si­ve Diskussion
Die anschlie­ßen­de span­nen­de Dis­kus­si­on setz­te sich ins­be­son­de­re mit der aktu­el­len poli­ti­schen Ent­wick­lung aus­ein­an­der. Die Tak­tik der Ein­heits­front kön­ne nicht ein­fach auf die heu­ti­ge Zeit über­tra­gen wer­den. Die öko­no­mi­schen und poli­ti­schen Bedin­gun­gen sei­en nicht ver­gleich­bar. Es gäbe kei­ne in der arbei­ten­den Klas­se ver­an­ker­ten Par­tei­en wie in der Wei­ma­rer Repu­blik. Heu­te stel­le sich die Fra­ge, wel­che poli­ti­schen Kräf­te für eine Ein­heits­front über­haupt gewon­nen wer­den könn- ten. Den­noch gäbe es Bei­spie­le erfolg­rei­cher Bewe­gun­gen. So sei es in Bra­si­li­en gelun­gen, den ras­sis­tisch-faschis­to­iden Prä- siden­ten Bol­so­n­a­ro durch den Auf­bau einer gemein­sa­men Front auf Wahl­ebe­ne vor­erst zu besiegen.

Den Teil­neh­men­den gelang es, aus­ge­hend vom The­ma der Macht­über­ga­be an den Faschis­mus, eine soli­da­ri­sche Dis­kus­si­on über die aktu­el­len poli­ti­schen Erfor­der­nis­se zu füh­ren. Damit konn­te auch dies­mal die Brü­cke zwi­schen Infor­ma­ti­on und prak­ti­scher Arbeit geschla­gen werden.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Febru­ar 2023
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