Ban­ken­crash, dro­hen­de Wirt­schafts­kri­se und Arbeitskämpfe

Win­fried Wolf

Die­se Bank hat­te nie­mand auf dem Schirm. Am 10. März 2023 muss­te in den USA die Sili­con Val­ley Bank (SVB) von der Auf­sichts­be­hör­de geschlos­sen wer­den. Ver­lus­te in Höhe von zwei Mil­li­ar­den Dol­lar hat­ten sich ange­häuft, einen „Bank-Run“ aus­ge­löst und die Akti­en des Insti­tuts um 80 Pro­zent schrump­fen lassen.

Nur weni­ge Stun­den nach dem Ende der SVP ging eine zwei­te US-Bank in die Insol­venz. Ande­re Regio­nal­ban­ken in den USA befin­den sich im Kri­sen­mo­dus und wer­den auf unter­schied- liche Wei­se mit Staats­gel­dern gestützt. Natür­lich beto­nen US-Prä­si­dent Biden und sei­ne Finanz­mi­nis­te­rin Yel­len, dass kei­ne Gefahr für das Finanz­sys­tem drohe. 
Anders als 2008, als es eini­ge Wochen dau­er­te, bis die Leh­man Brot­hers-Plei­te nach Euro­pa schwapp­te, dau­ert es 2023 nur weni­ge Stun­den, bis die Ban­ken­kri­se in Kali­for­ni­en die euro­päi­sche Finanz­welt erschüt­tert. Seit dem 14. März droh­te die Cre­dit Suis­se, die zweit­größ­te Bank in der Schweiz, zu kol­la­bie­ren. Die staat­lich orga­ni­sier­te Über­nah­me durch die grö­ße­re Kon­kur­ren­tin UBS hat dies ver­hin­dert. Aber ist die Gefahr nun gebannt?
Das Blatt Wirt­schafts­wo­che kom­men­tier­te den Zusam­men­bruch der Sili­con Val­ley Bank wie folgt: „Aus einer sol­chen Situa­ti­on kann eine Gefahr für das gesam­te Finanz­sys­tem erwachsen.“

Brand­ge­fär­li­che Ban­ken­kri­sen
Der Zusam­men­bruch der Sili­con Val­ley Bank ist ein Lehr­stück. Seit den 1980er Jah­ren befin­det sich das kapi­ta­lis­ti­sche Welt­sys­tem im Kri­sen­mo­dus. Es gibt rück­läu­fi­ge Pro­fi­tra­ten – als Ergeb­nis des immer höhe­ren Kapi­tal­ein­sat­zes. Das wird ergänzt um eine zurück­blei­ben­de kauf­kräf­ti­ge Nach­fra­ge – als Ergeb­nis des Drucks auf die Arbeits­ein­kom­men und der Exis­tenz rie­si­ger Hee­re von Erwerbs­lo­sen und Verarmten. 
Es kommt zu einer rela­ti­ven Deindus­tria­li­sie­rung in Nord­ame­ri­ka und West­eu­ro­pa und zu einer Jagd des Kapi­tals nach neu Ver­wert­ba­rem: im Bin­nen­markt in Form von Pri­va­ti­sie­run­gen im Gesund­heits­sek­tor, bei Bahn, Post, Ener­gie, in der Pfle­ge. Auf den äuße­ren Märk­ten rund um den Glo­bus mit Ent­eig­nung von Klein­bau­ern, Land­raub und Anbau von agra­ri­schen Kraftstoffen. 
Über­schüs­si­ges Kapi­tal wird zuneh­mend in spe­ku­la­ti­ven Berei­chen ange­legt: im Immo­bi­li­en­sek­tor, in Gold, in Kryp­to­wäh­run­gen – und natür­lich an den Bör­sen. Beson­ders per­vers: Akti­en­ge­sell­schaf­ten inves­tie­ren in den Kauf eige­ner Akti­en. Allein die 500 größ­ten US-Unter­neh­men gaben 2022 mehr als ein Bil­li­on Dol­lar für den Kauf eige­ner Akti­en aus. Damit wer­den die Akti­en­kur­se zusätz­lich und künst­lich ange­heizt. Die Boni der Mana­ger, die meist an den Akti­en­kurs gekop­pelt sind, wer­den deut­lich gesteigert. 
Nun bil­den sich in all die­sen spe­ku­la­ti­ven Berei­chen Bla­sen; die Markt­wer­te lie­gen weit über den rea­len Wer­ten. Dies trifft zu auf den welt­wei­ten Immo­bi­li­en­markt. In fast allen Län­dern sin­ken seit Herbst 2022 die Immo­bi­li­en­prei­se. Doch oft – so bei den „jun­gen Unter­neh­men“ oder gar bei den Kryp­to­wäh­run­gen – gibt es kaum oder kei­ne rea­len Wer­te. Wenn dann eine sol­che Bla­se ange­piekst wird und die­se platzt, ist das mit gefähr­li­chen Rück­wir­kun­gen auf die Welt­wirt­schaft verbunden.

Warnstreik Uniklinikum Mannheim, 15. März 2023. Foto: helmut-roos@web.de.

Warn­streik Uni­kli­ni­kum Mann­heim, 15. März 2023. Foto: helmut-roos@web.de.

Kri­sen und Ban­ken­crashs
Im Kapi­ta­lis­mus kommt es seit mehr als 200 Jah­ren zu ähn­li­chen Ent­wick­lun­gen. Die­se mün­den in unre­gel­mä­ßi­gen Abstän­den in gro­ßen Welt­wirt­schafts­kri­sen, die oft mit einem Bör­sen­krach ver­bun­den sind. Es gab sol­che Kri­sen 1873 ff., 1929 ff. und 2008 ff. Die Erho­lung im Fall der Kri­se 1873 ff. resul­tier­te aus einem Rüs­tungs­wett­lauf, der in den Ers­ten Welt­krieg führ­te. Die Welt­wirt­schafts­kri­se, die 1929 begann, mün­de­te in Deutsch­land erneut in Hoch­rüs­tung und Krieg; in den USA konn­te die­se Kri­se, trotz des New Deal, in Gän­ze erst mit dem Kriegs­ein­tritt der USA been­det werden. 
Die Kri­se 2008 ff. wur­de im Wes­ten durch bis dahin ein­ma­li­ge staat­li­che Stüt­zungs­gel­der für einen ins Wan­ken gera­te­nen Finanz­sek­tor in Höhe von rund 3,5 Bil­lio­nen Dol­lar ein­ge­dämmt. Zusätz­lich gab es in die­ser Kri­se vor 15 Jah­ren noch den wich­ti­gen Sta­bi­li­täts­an­ker chi­ne­si­sche Wir­schaft, die auch in den Kri­sen­jah­ren 2008/2009 deut­lich wuchs.
Die Welt­wirt­schafts­kri­se 2008, aus­ge­löst durch den Zusam­men­bruch der Invest­ment­bank Leh­man Brot­hers am 15. Sep­tem­ber 2008, kam für die meis­ten Beo­b­ach- ter über­ra­schend. 2023 ist die Lage eine ande­re. Es gibt kaum über­seh­ba­re Zei­chen an der Wand, die die Gefah­ren für eine neue welt­wei­te Kri­se deut­lich machen. 
Im Dezem­ber 2022 ver­öf­fent­lich­te die Bank für Inter­na­tio­na­len Zah­lungs­aus­gleich (BIZ) eine War­nung vor welt­weit „hohen Finanz­ri­si­ken“ mit „ver­steck­ten Schul­den in Höhe von 80 Bil­lio­nen Dol­lar“. Im Febru­ar 2023 ver­wie­sen Akti­en­stra­te­gen auf den „Fear & Greed-Index“ von CNN, wonach die Stim­mung in „Greed“ (Gier) umge­schla­gen sei, wes­we­gen – so die FAZ vom 11. Febru­ar 2023 – sich „die Signa­le für eine Über­hit­zung meh­ren“ würden.
Warn­zei­chen gab es mehr als genug. Im ver­gan­ge­nen Jahr ver­lo­ren Super­rei­che wie Elon Musk (Tes­la, USA) und Gau­tam Ada­ni (Ada­ni Group, Indi­en) jeder für sich mehr als 100 Mil­li­ar­den Dol­lar. Dann gibt es inzwi­schen eine gan­ze Grup­pe von Län­dern, die von der Staats­plei­te bedroht sind. Das trifft zu auf San Sal­va­dor, Sri Lan­ka, Liba­non, Argen­ti­ni­en, Laos, Paki­stan und mög­li­cher­wei­se auch auf die Tür­kei. Die Risi­ken, die von die­sen dro­hen­den Staats­plei­ten für die inter­na­tio­na­len Ban­ken aus­ge­hen, lie­gen addiert bei vie­len hun­der­ten Mil­li­ar­den Dollar.

Kri­sen und Arbeitskämpfe
Die Beob­ach­tung des wei­te­ren Ver­laufs der Ban­ken­kri­se und der Bör­sen-Fie­ber­kur­ven ist zwei­fel­los inter­es­sant. Auch ist die Wahr­schein­lich­keit groß, dass es zu einer neu­en Wirt­schafts­kri­se kommt – ver­stärkt auf­grund der Ban­ken­kri­se, aber durch­aus vor allem ein Resul­tat des busi­ness as usu­al: Seit Herbst 2022 befin­den sich die Fracht-raten im frei­en Fall – das war schon immer ein wich­ti­ger Indi­ka­tor für einen Rück­gang der Welt­wirt­schaft und oft ein sol­cher für eine welt­wei­te Rezession. 
In Deutsch­land sank im vier­ten Quar­tal 2022 das Brut­to­in­lands­pro­dukt; bei dem zu erwar­ten­den zwei­ten Minus im ers­ten Quar­tal 2023 exis­tiert – jeden­falls rein tech­nisch gese­hen – eine Rezes­si­on. Eine sol­che Rezes­si­on gibt es längst in eini­gen ande­ren Län­dern der Euro­zo­ne, so in Finn­land, in Est­land, in Litau­en, in Grie­chen­land und vor allem in Ita­li­en. Die Gefahr einer all­ge­mei­nen Wirt­schafts­kri­se in der EU ist gegeben.
In die­ser ins­ge­samt labi­len Situa­ti­on sind die Arbeits­kämp­fe ent­schei­dend. Die­se ste­hen durch­aus in einem Zusam­men­hang mit dem Gesche­hen an den Finanz­märk­ten. Die Erschüt­te­run­gen an den Finanz­märk­ten und die abseh­bar neu­en staat­li­chen Mit­tel, die ein­ge­setzt wer­den dürf­ten, um Ban­ken und Unter­neh­men zu ret­ten und gleich­zei­tig die Hoch­rüs­tung fort­zu­set­zen, wer­den – zusam­men mit den Kos­ten des Ukrai­ne­kriegs und der Infla­ti­on – den Abbau der Real­ein­kom­men beschleunigen. 
Mas­sen­ent­las­sun­gen waren bereits vor der aktu­el­len Ban­ken­kri­se an der Tages­ord­nung (IT-Sek­tor, Gale­ria Kar­stadt, Ford). Ein Erfolg der Beschäf­tig­ten und ihrer Gewerk­schaf­ten in ihren aktu­el­len Kämp­fen in Bri­tan­ni­en (gegen Ein­schrän­kun­gen des Streik­rechts), in Frank­reich (gegen das höhe­re Ren­ten­ein­tritts­al­ter) und in Deutsch­land (gegen Lohn­ab­bau durch Infla­ti­on) sind aktu­ell die ein­zi­ge Mög­lich­keit, den sich ver­schär­fen­den Gene­ral­an­griff von Kon­zer­nen und Regie­run­gen auf die arbei­ten­den und erwerbs­lo­sen Klas­sen auszubremsen.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar April 2023
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