Kündigungsversuch gegen Torsten Wacker
C.B.
Der Ausgangspunkt des Konfliktes der Volksbank-Kraichgau mit dem Betriebsratsvorsitzenden Torsten Wacker ist ein Streit um Tarifflucht.
Ein Betriebsrat muss laut Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) unter anderem darüber wachen, wie ein Unternehmen bei der Einstellung von Personal die Bezahlung regelt. Konkret heißt das, ob der anzuwendende Tarifvertrag der entsprechenden Branche von einer Firma angewendet wird. Ist dies nicht der Fall, kann der Betriebsrat nach § 99 BetrVG die Einstellung bzw. die Eingruppierung ablehnen.
Das Unternehmen hat dann die Möglichkeit zu entscheiden, ob es einen geltenden Tarif anwenden will und dies beim erneuten Einreichen der Personalie dem Betriebsrat mitteilt. Oder aber es klagt gegen die Entscheidung des BR und lässt seine Zustimmung per Gericht „ersetzen“. Der Betriebsrat der Volksbank Kraichgau um Torsten Wacker hatte die Zustimmung bei Personalien aus diesem Grund verweigert, die Volksbank Kraichgau hat sich für den zweiten Weg entschieden – in mehreren Fällen. Vor dem Arbeitsgericht konnte der BR erfolgreich die Anwendung des ver.di-Tarifvertrags im Bereich Finanzdienstleistungen erreichen, bis eine andere Einigung mit dem BR erzielt oder ein Haustarif abgeschlossen wird.
Angriffe
Das Verhalten des BR ist im Interesse der KollegInnen, weil sie bei Dumpinglohn-Tarifverträgen die Leidtragenden sind und auch die Sozialkassen durch zu niedrige Löhne geschädigt werden. Die Volksbank attackierte die Interessenvertretung der Beschäftigten – den Betriebsrat –, weil er sich für bessere Tarife eingesetzt hat und diesen „Weg“ der Gewinnmaximierung blockierte. Zeitnah zu der Entscheidung, dass der ver.di-Tarifvertrag bei der Volksbank Kraichgau angewendet werden müsse, flatterte beim Betriebsrat der Antrag auf Zustimmung zur Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden Torsten Wacker herein. So wurde versucht, den „unliebsamen Vorsitzenden“ unter Druck zu setzen und die Einheit des Gremiums zu zerrütten. Dieses Vorgehen verbreitet Angst. Ein Betriebsratsmitglied kann nur in „besonderen Fällen“ gekündigt werden. Kollege Wacker als Betriebsrat los zu werden ist deshalb so einfach nicht möglich. Daher griff die Geschäftsleitung und ihre Rechtsvertretung zu „kreativen“ Mitteln. Sie kündigte Torsten nach § 103 BetrVG mit dem Vorwurf des Betrugs, also mit „schwerwiegendem Grund“. Was hatte Torsten Wacker als Wertpapierberater dem Management zufolge also getan? Er habe „betrogen“ und sich „Geld erschlichen“. Angeblich hätte er seine Beraternummer bei der „technischen Beratung“ von Kunden eingetragen, ohne sie beraten zu haben. Es ist bei der Volksbank nicht unüblich gewesen, die Beraternummer einzutragen. Die Geschäftsführung verfügt über ein Online-Kontrollsystem der technischen Beratung, bei dem täglich Überprüfungen stattfinden. Trotzdem hat sie 1,5 Jahre lang keine „schlimme Verfehlung“ bei Torsten erkannt. Jedoch just als das Arbeitsgericht eine Entscheidung für den ver.di-Tarif trifft, wird diese „Erkenntnis“ zum „Betrug“ stilisiert.
Methode
Wacker wird nicht – wie einige andere MitarbeiterInnen – zum Gespräch gebeten, damit die Vorwürfe aufgeklärt werden können. Vielmehr „ermittelt“ die Volksbank Kraichgau gegen ihn intern. Sie sammelt weitere Fälle, wartet ab, ob „es wieder passiert“. Es passiert. Sie spricht den seit 33 Jahren bei der Volksbank Beschäftigten immer noch nicht darauf an. Stattdessen stellt sie nun alle BeraterInnen unter Generalverdacht, da zu prüfen sei, ob hier eine generelle Problematik bestehe. Sie sammelt weiter „Beweise“, vor allem gegen Torsten Wacker und beantragt dann erst nach mehreren Wochen die Zustimmung des Betriebsrats zu dessen Kündigung.
Prozess
Dass das BR-Gremium die Kündigung seines Vorsitzenden ablehnte, weil es üblich war, die Beraternummer einzutragen, ignorierte die Geschäftsführung. Nicht ignorieren konnte sie allerdings die von ver.di Rhein-Neckar initiierte breite Solidaritätsbewegung mit Torsten Wacker, die Öffentlichkeit herstellte durch Infostände, Postkartenaktionen, Veranstaltungen und den gemeinsamen Besuch des Kammertermins am 4. September 2014. Mit dabei waren immer KollegInnen, GewerkschafterInnen und AktivistInnen des Mannheimer Komitees „Solidarität gegen BR-Mobbing“. Warum wurde nicht mit dem Betroffenen gesprochen? Hier äußerte der Volksbank-Geschäftsführer Böhler beim Gerichtstermin sinngemäß, der Mitarbeiter hätte bei einem Fehler auf das Management zugehen müssen. Außerdem sei Torsten Wacker in dem Kündigungsgespräch zu keiner Aussage gegenüber der Geschäftsleitung bereit gewesen. Eine Anweisung der Bank, dass sie die Beraternummer eingetragen haben wolle, gäbe es nicht. Diese Vorschrift wird interessanterweise erst schriftlich fixiert, als das Verfahren gegen den BR-Vorsitzenden schon läuft. Wen wundert es, dass Torsten Wacker gegenüber dem Management erst einmal schweigt? Die Kammer des Arbeitsgericht Heidelberg hatte mehrfach im Prozess kritisiert, dass seitens der Geschäftsführung mit Torsten nicht gesprochen, sondern stattdessen weiter „Beweise“ gesammelt wurden. Bei der Kündigung eines Betriebsrates aber müsse „unverzüglich“ innerhalb 2 Wochen gehandelt werden. Es sei zudem unzulässig, alle Beschäftigten unter Generalverdacht zu stellen.
Erfolg
Das Arbeitsgericht Heidelberg verkündete das Urteil mehr als zwei Wochen später, am 29. September 2014. Solange mussten Torsten Wacker und der Betriebsrat warten. Solange konnte die enorme psychische Belastung durch BR-Mobbing weiter auf Torsten und seine KollegInnen wirken. Immerhin: Die Kündigung des Betriebratsvorsitzenden wurde vom Gericht abgelehnt. Das ist ein weiterer Erfolg, nicht nur für Torsten, sondern für den gesamten BR und die Belegschaft. Doch was ist der Skandal bei der Volksbank Kraichgau? Torsten Wacker ist kein Einzelfall. Es scheint ein System dahinter zu stecken. Immer mehr Betriebsräte werden bedroht und mit der Methode Naujoks angegriffen. Immer öfter brauchen Betriebs- und Personalräte unsere Solidarität. Es müssen die politischen Hintergründe aufdeckt und die Zusammenhänge öffentlich gemacht werden. Nur das hartnäckige Thematisieren dieser Problematik und das Vernetzen gegen die Strategie der Mobber hilft uns weiter. Auch deshalb lädt das Komitee „Solidarität gegen BR-Mobbing“ am 11. Oktober 2014 zur Konferenz „Betriebsräte im Visier – Mobbing, Bossing und Co. Was tun?“ ins Mannheimer Gewerkschaftshaus ein.
Anmeldung unter solidaritaet@gegen-br-mobbing.de. Gemeinsam sind wir stark!