Wie Gegenmacht im Betrieb organisieren?
O. T.
Im Vorfeld der anstehenden Betriebsratswahlen werden wir uns mit zwei grundlegenden Fragen beschäftigten. Welche Aufgaben haben Betriebsrat (BR) und Gewerkschaft? Und: In welchem Verhältnis stehen sie zueinander und zum Kapital?

Torblockade bei Alstom Power Mannheim, 16. April 2014. (Foto: BR Alstom.)
Der BR ist eine durch das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) legitimierte Institution. Das BetrVG gibt ihm gleichzeitig seinen rechtlichen Handlungsrahmen vor.
§ 2 Abs. 1 BetrVG verpflichtet den Betriebsrat zur „vertrauensvollen“ Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung. Im Gegensatz zur Gewerkschaft darf der BR nicht streiken oder andere Arbeitskampfmethoden anwenden.
Er kann allenfalls bestimmte Rechtsmittel in Anspruch nehmen, um die Einhaltung von gesetzlichen und tarifvertragli- chen Bestimmungen durchzusetzen. Die Festlegung zur „vertrauensvollen“ Zusammenarbeit beschränkt sehr die Durchsetzungsmöglichkeiten eines Betriebsrats.
Eine kreative und offensive Nutzung des BetrVG öffnet einem aktiven und kämpferischen Betriebsrat wie bei Alstom Power Mannheim dennoch Spielräume.
„Mitbestimmung“
Die „Mitbestimmung“ des BR aus dem BetrVG ist begrenzt, vor allem, wenn es um „wirtschaftliche Angelegenheiten“ wie zum Beispiel Betriebsschließung oder Verlagerung von Produktion geht. In solchen Fällen stehen dem Betriebsrat lediglich Informations-, Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte nach den §§ 111 bis 112a BetrVG zu.
Daher hat der BR hier rechtlich nur die Möglichkeit, die Auswirkungen solcher Entscheidungen auf die Beschäftigten durch Sozialplan und Interessenausgleich abzumildern. Die Entscheidung des Kapitalisten, einen Betrieb zu verkaufen, zu schließen oder die gesamte Belegschaft zu entlassen, kann mit dem BetrVG rechtlich meist nur verzögert, nicht aber verhindert werden. Erfreuliche Ausnahmen wie bei VFW-Fokker Speyer oder nora systems Weinheim bestätigen diese Regel.
Geschäftsleitungen geht es vor allem um Profitmaximierung. Dafür werden Betriebe aufgespalten und verlagert. Wenn sie aus Sicht der Eigentümer nicht mehr „rentabel“ sind, dann wird rationalisiert, gekündigt oder dichtgemacht.
Die „Wettbewerbsfähigkeit“ dient als Begründung für das „alternativlose“ Handeln von Geschäftsleitungen bzw. Kapitaleignern. Das BetrVG bildet somit auch einen Schutzrahmen zur Wahrung der Kapitalinteressen.
„Sozialpartnerschaft“
Die Verpflichtung des Betriebsrats zur „vertrauensvollen Zusammenarbeit“ zum „Wohl des Betriebs“ beeinflusst auch das sozialpartnerschaftliche Verhalten vieler BR-Gremien. Sie sehen sich für die „Wettbewerbsfähigkeit“ „ihres“ Unternehmens verantwortlich und lehnen Forderungen der Belegschaft oft genug selbst ab. Eine solche kapitalfreundliche Haltung schwächt massiv das Vertrauen der Beschäftigten in ihre Interessenvertretung.
Fakt ist: Die allermeisten Forderungen von Beschäftigten sind der uneingeschränkten Wettbewerbsfähigkeit entgegengesetzt, weil sie die Kosten erhöhen und den Profit schmälern.
Gegenmacht
Uns geht es aber darum, wie der Betriebsrat den Beschäftigteninteressen dient. Er ist die gewählte Vertretung aller wahlberechtigtem Beschäftigten im Betrieb.
Die Wahl eines BR ist vom Gesetz nicht zwingend vorgeschrieben. Einen Betriebsrat gibt es nur, wenn zumindest ein Teil der Belegschaft aktiv wird und die Wahl möglichst mit der Unterstüt- zung einer Gewerkschaft initiiert. In etwa 90 % aller Betriebe mit mehr als 5 Beschäftigten gibt es hierzulande deshalb keinen Betriebs- bzw. Personalrat.
Ohne Betriebsrat kann die Geschäftsleitung weitgehend machen, was sie will, denn die „Arbeitnehmerrechte“ aus dem BetrVG sind für einzelne Beschäftigte eng begrenzt.
So ist zum Beispiel ein Sozialplan und Interessenausgleich nur erzwingbar, wenn es einen Betriebsrat gibt.
Um Nachteile wegen BR-Tätigkeit möglichst auszuschließen, gibt es ein Verbot der Benachteiligung von Betriebsräten. Für sie gilt ein besonderer Kündigungsschutz. Dieser gerät jedoch immer dann ins Wanken, wenn aktive bzw. kritische BR-Mitglieder gemobbt werden. Oft sind dabei unternehmenshörige „Betriebsratsmitglieder“ der verlängerte Arm des Managements.
* [Teil II folgt in Avanti² von Januar 2026.]
