Gro­Ko 4.0 (1.Teil)

Was nun?

O.T.

 

Maß­geb­li­che pro­ka­pi­ta­lis­ti­sche Krei­se haben nach dem Schei­tern der „Jamaica“-Verhandlungen eine wei­te­re Gro­Ko pro­pa­giert und durch­ge­setzt. Am 23.02.2018 fand des­halb unser monat­li­cher ISO-Infor­ma­ti­ons- und Dis­kus­si­ons­abend zum The­ma „Gro­Ko 4.0 - was nun?“ statt.

Was steht nun im aus­ge­han­del­ten Koali­ti­ons­ver­trag? Unser Refe­rent ver­such­te, Ant­wor­ten auf die­se Fra­ge zu geben. Wir geben wesent­li­che Aus­zü­ge sei­ner Aus­füh­run­gen wieder.

Grund­la­ge der neu­en Gro­Ko ist der von CDU/CSU und SPD vor­ge­leg­te Koali­ti­ons­ver­trag. Aller­dings ist allein aus die­sem Text die vor­ge­se­he­ne Poli­tik der Bun­des­re­gie­rung bis 2021 nicht aus­rei­chend zu beur­tei­len. Es gilt auch das zu beach­ten, was nicht darinsteht.

résistance - Widerstand (Foto:helmutroos@web.de)

résis­tance - Wider­stand (Foto:helmutroos@web.de)

Eine Abkehr von der bis­he­ri­gen Poli­tik der Umver­tei­lung von unten nach oben fin­det jeden­falls nicht statt. Viel­fach sind sogar Ver­schlech­te­run­gen gegen­über dem Koali­ti­ons­ver­trag von 2013 fest­zu­stel­len – zum Bei­spiel in der Asyl-, der Kli­ma- und der Umweltpolitik.

Die SPD-Füh­rung hat nicht ein­mal die drei Min­dest­for­de­run­gen durch­ge­setzt, die der Son­der­par­tei­tag beschlos­sen hat­te: Begren­zung befris­te­ter Arbeits­ver­hält­nis­se, Gleich­stel­lung von Kas­sen­pa­ti­en­tIn­nen und Aus­wei­tung der Här­te­fall­re­ge­lun­gen beim Fami­li­en­nach­zug. Außer ein paar Regie­rungs­pos­ten hat sie inhalt­lich wenig durch­set­zen kön­nen. Höchs­tens das Recht auf Rück­kehr in Voll­zeit kann sie als Erfolg anführen.

Hin­ter­grund ist die Wahl­nie­der­la­ge der drei Koali­ti­ons­par­tei­en am 24. Sep­tem­ber 2017. Die­se hat ihre Ursa­che in einem Rechts­ruck von Tei­len der Gesell­schaft und der Par­tei­en als Fol­ge der „Finanz­kri­se“ von 2008 und der Flucht­si­tua­ti­on 2015. Die AfD konn­te erst­mals in den Bun­des­tag ein­zie­hen und dort auf Anhieb dritt­stärks­te Kraft wer­den. Seit­her treibt sie die bür­ger­li­chen Par­tei­en vor sich her.

 

Die gleich­zei­ti­ge gerin­ge­re Bewe­gung ande­rer Krei­se nach links, hat sich dage­gen kaum auf Wahl­ebe­ne nie­der­ge­schla­gen. Die Links­par­tei konn­te kei­ne grö­ße­ren Zuge­win­ne verzeichnen.

Vor dem Hin­ter­grund der Land­tags­wah­len 2018 in Bay­ern ist die CSU in den Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen und schon vor­her in der Asyl­po­li­tik als Scharf­ma­che­rin auf­ge­tre­ten. Sie hat sich von allen Gro­Ko-Par­tei­en am klars­ten durch­ge­setzt, weil sie ihre Wäh­ler­kli­en­tel mit der Ableh­nung von geflüch­te­ten Men­schen am deut­lichs­ten bedie­nen konnte.

Was sind die Vor­ha­ben der Gro­Ko im Einzelnen?

• Asyl- und Flüchtlingspolitik

Eine Ober­gren­ze soll ein­ge­führt war­den (180.000 - 220.000 Zuwan­de­re­rIn­nen - inklu­si­ve Kriegs­flücht­lin­ge, vor­über­ge­hend Schutz­be­dürf­ti­ge, Fami­li­en­nach­züg­le­rIn­nen, abzüg­lich Rück­füh­run­gen und frei­wil­li­gen Aus­rei­sen künf­ti­ger Flücht­lin­ge und ohne Erwerbsmigration).

Zwar ist die­se Gren­ze recht­lich nicht bin­dend, aber der Koali­ti­ons­ver­trag setzt auf Abschot­tung, Abschre­ckung und Abschie­bung, um die Zah­len ein­zu­hal­ten. Die Maß­nah­men auf EU-Ebe­ne tun ihr übri­ges. Die Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung für „sub­si­di­är Geschütz­te“ (Men­schen mit Abschie­be­schutz), bleibt aus­ge­setzt bis zum 1.August 2018. Danach ist der Zuzug auf 1.000 Per­so­nen im Monat begrenzt, nach wel­chen Kri­te­ri­en sie aus­ge­sucht wer­den, ist unklar.

Der Koali­ti­ons­ver­trag bestä­tigt aus­drück­lich das soge­nann­te Dub­lin-Ver­fah­ren (das Erst­ein­rei­se­land ist für Geflüch­te­te zustän­dig). Vol­le Sozi­al­leis­tun­gen gibt es nur im zuge­wie­se­nen EU-Mit­glied­staat. Für Hoch­qua­li­fi­zier­te, die das Kapi­tal hier auf dem Arbeits­markt benö­tigt, soll es ein getrenn­tes Gesetz geben.

Zwar sol­len lang­jäh­rig Gedul­de­te, für die eine „dau­er­haf­te Blei­be­per­spek­ti­ve“ ange­nom­men wird, einen bes­se­ren Zugang zu Aus­bil­dung und Arbeit bekom­men. Aber alle Inte­gra­ti­ons­maß­nah­men wer­den durch die Pflicht aus­ge­he­belt, Asyl­be­wer­be­rIn­nen in der Regel bis zu 18 Mona­te in „AnKER-Ein­rich­tun­gen“ unter­zu­brin­gen. Dort wer­den sie nicht nur mate­ri­ell äußerst begrenz­ten Bedin­gun­gen aus­ge­setzt, son­dern auch vom nor­ma­len gesell­schaft­li­chen Leben isoliert.

AnKER-Ein­rich­tun­gen sind zen­tra­le Ein­rich­tun­gen, in denen die Iden­ti­tät und das Alter der Geflüch­te­ten fest­ge­stellt und sowohl über die Auf­nah­me, die Ver­tei­lung als auch über die Aus­wei­sung ent­schie­den wird.

Der Auf­ent­halt dort soll nicht län­ger als 18 Mona­te dau­ern, bei Fami­li­en mit min­der­jäh­ri­gen Kin­dern 6 Mona­te. Nur Asyl­su­chen­de mit „guter Blei­be­per­spek­ti­ve“ wer­den auf die Kom­mu­nen ver­teilt, die ande­ren wer­den abge­scho­ben. Die Vor­aus­set­zun­gen für Abschie­be­haft und Aus­rei­se­ge­wahr­sam wer­den gesenkt. Die Lis­te der „siche­ren Her­kunfts­län­der“ wird um die nord­afri­ka­ni­schen Staa­ten (ohne Liby­en) erweitert.

• Gesund­heits­po­li­tik

Ihre ursprüng­li­che For­de­rung nach einer Bür­ger­ver­si­che­rung hat die SPD fal­len­ge­las­sen. Selbst die Anglei­chung der Ärz­te­ho­no­ra­re in der gesetz­li­chen und der pri­va­ten Kran­ken­ver­si­che­rung – die nach den Son­de­rungs­ge­sprä­chen noch vor­ge­se­hen war – ist jetzt ledig­lich einer Kom­mis­si­on zwecks Prü­fung über­tra­gen worden.

Grafik: Avanti²

Gra­fik: Avanti²

• Pfle­ge

Ledig­lich 8.000 Pfle­ge­kräf­te sol­len neu ein­ge­stellt war­den. Bei 13.000 sta­tio­nä­ren Pfle­ge­ein­rich­tun­gen ist das für jedes Haus nicht mal eine Kraft mehr. Der Min­dest­be­darf beträgt jedoch 100.000 zusätz­li­che Beschäf­tig­te bei Pfle­ge­kräf­ten in den Kran­ken­häu­sern und 40.000 in der Altenpflege.

Nach Aus­sa­gen aus Krei­sen des Pfle­ge­per­so­nals sind nicht nur der zusätz­li­che Per­so­nal­be­darf spür­bar, son­dern auch die belas­ten­den Arbeits­be­din­gun­gen – die meis­ten Kol­le­gIn­nen geben nach zehn Jah­ren ihren Beruf auf.

Ein­zi­ger Licht­blick: Auch für Kran­ken­häu­ser soll es jetzt einen Per­so­nal­schlüs­sel für eine Min­dest­per­so­nal­be­set­zung geben.

• Umwelt- und Klimapolitik

Das Kli­ma­ziel, 40 Pro­zent der CO2-Emis­sio­nen bis 2020 ein­zu­spa­ren, wur­de auf­ge­ge­ben. Für das geplan­te Reduk­ti­ons­ziel von 55 Pro­zent bis 2030 sind kei­ne kon­kre­ten Maß­nah­men vor­ge­se­hen. Zwar wird erst­mals in die­sem Koali­ti­ons­ver­trag die Not­wen­dig­keit betont, aus der Koh­le­ver­stro­mung aus­zu­stei­gen, doch einen Fahr­plan dafür gibt es nicht. Nicht ein­mal auf die Abschal­tung der schmut­zigs­ten Kraft­wer­ke konn­ten sich die Gro­Ko-Par­tei­en einigen.

Der Atom­aus­stieg soll nicht wei­ter for­ciert war­den. Selbst das unsi­chers­te AKW, der Block C von Gund­rem­min­gen, darf noch vier Jah­re am Netz blei­ben. Auch die Uran­an­rei­che­rungs­an­la­ge Gro­nau soll wei­ter betrie­ben werden.

Mit dem Unkraut­ver­nich­tungs­mit­tel Gly­pho­sat läuft es ähn­lich: Sein Ein­satz soll zwar „so schnell wie mög­lich“ been­det wer­den, aber ein Aus­stiegs­da­tum gibt es nicht. Somit lässt sich auch nicht das Insek­ten­ster­ben stop­pen, wie der Ver­trag es verspricht.

[Teil II folgt in der April-Aus­ga­be von Avanti².]

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar März 2018
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