Kul­tur als Hebel zur Veränderung“

Inter­view mit Bernd Köhler*

 

In den letz­ten Wochen gab es in Mann­heim erfreu­lich vie­le kul­tu­rel­le Initia­ti­ven, bei denen Du aktiv mit­ge­mischt hast. Ist die­se Häu­fung von Akti­vi­tä­ten eher Zufall oder auch Aus­druck einer Sor­ge über aktu­el­le poli­ti­sche Entwicklungen?

Bernd Köhler am 1. Mai 2019 (Foto: helmut-roos@web.de)

Bernd Köh­ler am 1. Mai 2019 (Foto: helmut-roos@web.de)

Ich bin froh dar­über, dass die Bri­sanz der momen­ta­nen Situa­ti­on, die kon­kre­te Be edro­hungs­la­ge durch das Erstar­ken der Neu­en Rech­ten, mitt­ler­wei­le auch in den Berei­chen der Kunst und Kul­tur erkannt wird. Die rech­te Infil­tra­ti­on der Gesell­schaft nimmt ja die Kunst und Kul­tur nicht aus. Rechts­rock-Kon­zer­te und die viel­fäl­ti­ge Wer­bung für die rechts­extre­me Band-Sze­ne über die neu­en Medi­en sind die eine Sei­te. Die aggres­si­ve Inter­ven­ti­on im offi­zi­el­len Kul­tur­be­reich und der Ver­such, demo­kra­ti­sche Inhal­te in eine völ­kisch-natio­na­le Rich­tung umzu­dre­hen, die andere.

In Mann­heim haben wir uns vor drei Jah­ren die­ser Ent­wick­lung mit der Künst­ler­initia­ti­ve „Bun­te Viel­falt statt völ­ki­scher Ein­falt” ent­ge­gen­ge­stellt, um mit öffent­li­chen Kul­tur­fes­ten für die Frei­heit der Kunst zu wer­ben und über die Bedro­hung von rechts aufzuklären.

Am 12. Mai gab es jetzt das vier­te Kul­tur­fest der Initia­ti­ve, in der neben mir noch die Schau­spie­le­rin­nen Bet­ti­na Fran­ke und Moni­ka-Mar­gret Ste­ger sowie der Kaba­ret­tist Ein­hart Klu­cke betei­ligt sind.

Wir hat­ten gro­ßes Glück mit dem Wet­ter und mit einem exzel­len­ten und viel­fäl­ti­gen Pro­gramm. Jazz von Cor­du­la Hama­cher und Claus Kießel­bach, ein bewe­gen­der Auf­tritt vom Chor des jüdi­schen Zen­trums Mann­heim oder die mit­rei­ßend-fri­sche Per­for­mance des Kul­tur­pro­jekt „Süd­klän­ge” aus Lud­wigs­ha­fen, das Kin­der, Jugend­li­che und Erwach­se­ne unter­schied­li­cher Her­kunft zusam­men­bringt. Gran­di­os auch, wie die indi­sche Künst­le­rin Pra­ni­ta den Platz vor dem Schil­ler­denk­mal in eine wogen­de Tanz­sze­ne ver­wan­del­te, – um nur eini­ge der Bei­trä­ge zu nen­nen. Das waren star­ke Signa­le gegen das dumpf-natio­na­lis­ti­sche Kul­tur­ver­ständ­nis von rechts, genau­so wie die Tat­sa­che, dass alle Betei­lig­ten, bis hin zur Ton­tech­nik von Rüdi­ger Bisch­off, ohne Hono­rar mitwirkten.

"Meltem" beim Kulturfest am Schillerdenkmal in Mannheim, 12. Mai 2019 (Foto: Avanti²)

Mel­tem” beim Kul­tur­fest am Schil­ler­denk­mal in Mann­heim, 12. Mai 2019 (Foto: Avanti²)

Das anti­ras­sis­ti­sche Kul­tur­fest vom 12. Mai am Schil­ler­platz war in der Tat ein tol­ler Erfolg. Wird es im nächs­ten Jahr eine Fort­set­zung geben?

Wie und ob das Kon­zept wei­ter­ge­führt wer­den kann, müs­sen wir sehen. Es ist jedes Mal ein enor­mer per­sön­li­cher und zeit­li­cher Kraft­akt für unse­re doch eher klei­ne Initia­ti­ve. Außer­dem ist unser Anlie­gen ja mitt­ler­wei­le auch auf ganz ande­ren Ebe­nen ange­kom­men und wur­de auf viel brei­te­re Bei­ne gestellt. Zum Bei­spiel über das Kul­tur­bünd­nis DIE VIELEN, das eine Woche nach dem Schil­ler­platz­fest eine Kul­tur­de­mo in der Stadt unter dem Mot­to „Unity & Shi­ne“ organisierte.

Wie kam es zu die­sem Bünd­nis, in dem sich ja neben klei­nen Thea­tern oder Initia­ti­ven wie Euch, auch das Natio­nal­thea­ter oder das Kul­tur­zen­trum Feu­er­wa­che beteiligt?

Die Anre­gung für die­se Koope­ra­ti­on kam aus Ber­lin, wo sich im letz­ten Jahr ein brei­tes Spek­trum aus dem Kul­tur­be­reich zusam­men­ge­schlos­sen hat­te, um die Frei­heit der Kunst gegen die Angrif­fe von rechts zu ver­tei­di­gen. Im Grün­dungs­auf­ruf hieß es unter ande­rem: „Als Akti­ve der Kul­tur­land­schaft in Deutsch­land ste­hen wir nicht über den Din­gen, son­dern auf einem Boden, von dem aus die größ­ten Staats­ver­bre­chen der Mensch­heits­ge­schich­te began­gen wur­den. In die­sem Land wur­de schon ein­mal Kunst als ent­ar­tet dif­fa­miert und Kul­tur flä­chen­de­ckend zu Pro­pa­gan­da­zwe­cken miss­braucht. Unse­re Gesell­schaft ist eine plu­ra­le Ver­samm­lung. Vie­le unter­schied­li­che Inter­es­sen tref­fen auf­ein­an­der und fin­den sich oft im Dazwi­schen. Demo­kra­tie muss täg­lich neu ver­han­delt wer­den – aber immer unter einer Vor­aus­set­zung: Es geht um Alle, um jede*n Einzelne*n als Wesen der vie­len Mög­lich­kei­ten!” und wei­ter: „Der rech­te Popu­lis­mus, der die Kul­tur­ein­rich­tun­gen als Akteu­re die­ser gesell­schaft­li­chen Visi­on angreift, steht der Kunst der Vie­len feind­se­lig gegen­über. Rech­te Grup­pie­run­gen und Par­tei­en stö­ren Ver­an­stal­tun­gen, wol­len in Spiel­plä­ne ein­grei­fen, pole­mi­sie­ren gegen die Frei­heit der Kunst und arbei­ten an einer Rena­tio­na­li­sie­rung der Kultur.”

Dem Ber­li­ner Auf­ruf folg­ten in allen Bun­des­län­dern regio­na­le Initia­ti­ven mit teil­wei­se auch eige­nen Ziel­set­zun­gen. Das Ver­bin­den­de aber ist, dass man völ­kisch-natio­na­lis­ti­scher Pro­pa­gan­da kein Forum bie­ten will.

Das war ja auch The­ma einer wei­te­ren Ver­an­stal­tung Eurer Initia­ti­ve, als Ihr im April in der Abend­aka­de­mie unter dem Titel „Frei­heit, die wir mei­nen”, ein beein­dru­cken­des Pro­gramm zur Geschich­te der Berufs­ver­bo­te auf­ge­führt habt …

Einer­seits ging es in dem Pro­gramm um die lan­ge und unse­li­ge Tra­di­ti­on von Berufs­ver­bo­ten als Unter­drü­ckungs­in­stru­ment gegen freie Mei­nungs­äu­ße­rung. Ande­rer­seits haben wir bewusst den skan­da­lö­sen Ver­such the­ma­ti­siert, ein neu­es Berufs­ver­bots­ver­fah­ren gegen den Hei­del­ber­ger Leh­rer Micha­el Csaszkóc­zy ein­zu­lei­ten. Micha soll der Pro­zess gemacht wer­den, weil er Wider­stand gegen eine AfD-Ver­an­stal­tung im Hil­de-Domin-Saal der Hei­del­ber­ger Stadt­bü­che­rei geleis­tet hat. Er woll­te nicht hin­neh­men, dass die­se Par­tei in einem Raum, der den Namen einer Anti­fa­schis­tin trägt, ihre ras­sis­ti­schen und aus­län­der­feind­li­chen Paro­len ver­brei­tet. Am Diens­tag, den 23. Juli 2019, wird es eine Wie­der­ho­lung unse­res Pro­gramms geben – dies­mal dann in eben die­ser Hei­del­ber­ger Stadtbücherei.

Die letz­te Fra­ge gilt einem ganz ande­ren Ereig­nis. Am 1. Mai gab es in Mann­heim wie­der ein gro­ßes Stra­ßen­sin­gen und -musi­zie­ren im Rah­men der Gewerk­schafts­de­mo. Wie kam es dazu?

Das gemein­sa­me Sin­gen am 1. Mai gab es jetzt schon zum drit­ten Mal mit stets wach­sen­der Betei­li­gung. Vie­le haben mir erzählt, dass sie sich schon lan­ge vor­her dar­auf freu­en, sich mit ande­ren zusam­men wie­der mal den Brass von der See­le sin­gen zu können.

Engagiertes Singen von Liedern der ArbeiterInnenbewegung am 1. Mai 2018 in Mannheim (Foto: Avanti²)

Enga­gier­tes Sin­gen von Lie­dern der Arbei­te­rIn­nen­be­we­gung am 1. Mai 2018 in Mann­heim (Foto: Avanti²)

70 - 80 Men­schen waren dies­mal betei­ligt und dazu noch rund 10 Kol­le­gIn­nen mit Akkor­de­on, Saxo­phon, Klang­in­stru­men­ten oder Gitarren.

Über­haupt war der 1. Mai die­ses Jahr unge­mein kämp­fe­risch und stimmungsvoll.
Die kul­tu­rel­le Basis dafür haben wir uns in Mann­heim über vie­le Jah­re erar­bei­tet. Es gibt in der Regi­on meh­re­re Songgrup­pen, die sich der Arbei­te­rIn­nen­be­we­gung ver­bun­den füh­len. Zudem fin­den vie­le kul­tu­rel­le Ver­an­stal­tun­gen im gewerk­schaft­li­chen Rah­men statt, was nicht zuletzt der Unter­stüt­zung durch die ört­li­chen IG Metall zu ver­dan­ken ist.
Eine der Quel­len die­ser Ent­wick­lung war der Als­tom­chor, der nicht nur durch sei­ne Auf­trit­te, son­dern auch als Orga­ni­sa­tor von Kul­tur­ver­an­stal­tun­gen für die­ses Selbst­ver­ständ­nis gewirkt hat.

Kul­tur kann Poli­tik oder kon­kre­te Gewerk­schafts­ar­beit nicht erset­zen, aber sie kann uns das Leben freu­di­ger, erkennt­nis­rei­cher und auch leich­ter machen. Sie kann so auch zum Hebel für Ver­än­de­rung werden.

Das wur­de über die Jah­re hier erkannt, wur­de mitt­ler­wei­le eine fes­te Größe.

Um das Beson­de­re von Kul­tur viel­leicht etwas begreif­ba­rer zu machen, zum Schluss noch­mal einen Ein­druck vom Schil­ler­platz­fest am 12. Mai. Der schöns­te Moment an die­sem Tag war für mich die hal­be Stun­de vor Pro­gramm­be­ginn, als sich quer über den gan­zen Park ver­streut, die unter­schied­li­chen Ensem­bles, Blä­ser, Sän­ge­rIn­nen, Tromm­ler­grup­pen, Musi­kan­tIn­nen vor­be­rei­tet und ein­ge­spielt haben. Da lag die­se sicht­ba­re und hör­ba­re Magie über dem Platz, die dem gan­zen Pro­jekt­an­satz innewohnt.

Zusam­men­füh­ren, aus­tau­schen, stau­nen und erle­ben, begrei­fen, was uns unter­schei­det und was uns ver­bin­det – das alles lässt uns zu einer star­ken demo­kra­ti­schen Kraft wer­den. Das ist der gro­ße Wert von Kul­tur, wenn wir ihr Raum ver­schaf­fen und Platz zur Ent­fal­tung bieten.

*[Die Fra­gen stell­te W.A., 23.05.2019.]

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Juni 2019
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