Ein brisantes Thema
W. A.
Die Gefährdungen, die durch Asbest entstehen können, sind in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Am 19. September 2019 fand deshalb im vollbesetzten Konferenzraum der Mannheimer IG Metall ein sehr beeindruckender Informationsabend statt.
Er war von der IG Metall Mannheim (AK Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz) in Kooperation mit der Asbestose Selbsthilfegruppe Baden-Württemberg, Rhein-Neckar- Industriekultur e.V. und dem Überbetrieblichem Solidaritätskomitee Rhein-Neckar organisiert worden.
Die Referenten Wolfgang Alles (ehem. Betriebsrat ABB und Alstom), Dr. Gerhard Bort (Medizinaldirektor, RP Stuttgart) und Klaus Schuhmann (Asbestose Selbsthilfegruppe Baden-Württemberg) näherten sich dem brisanten und hochaktuellen Thema aus verschiedenen Blickwinkeln an.
Asbest galt lange Zeit als „Wunderfaser“. Es kam in mehr als 3.000 Produkten zum Einsatz. Auch heute noch ist Asbest in Millionen Gebäuden und in der Umwelt allgegenwärtig. Asbest hat „die größte Industriekatastrophe der Geschichte“ ausgelöst (Maria Roselli, Die Asbestlüge, Zürich 2007).
Obwohl bereits Ende des 19. Jahrhunderts in England seine Gefährlichkeit erkannt wurde, ist Asbest erst seit 1993 in Deutschland verboten. Bis 1995 durften hierzulande Asbest-Produkte sogar weiter verbaut werden. Aufgrund des Abbaus staatlicher Kontrollen werden nach Deutschland immer noch asbesthaltige Waren eingeführt.
Weltweit beträgt die jährliche Fördermenge des natürlichen Rohstoffs weiterhin zwei Millionen Tonnen. Asbestabbau findet vor allem in Brasilien, China und Russland statt. In vielen Ländern kommt Asbest nach wie vor zum Einsatz. Ein weltweites Asbestverbot ist also dringend erforderlich.
Tod durch eine Faser
Asbest ist deshalb so lebensgefährlich, weil schon eine einzelne Faser einen Tumor auslösen kann. Es dauert fünfzehn bis vierzig Jahre, bis eine der asbestbedingten Krebskrankheiten ausbricht.
Schätzungen von Experten gehen davon aus, dass allein hierzulande eine Million Menschen bei ihrer Arbeit Asbestfasern ausgesetzt waren. In der „Gesundheitsvorsorge“ (GVS) erfasst sind derzeit 500.000 Personen.
Die Dunkelziffer der durch Asbest verursachten Erkrankungen ist enorm hoch.
Asbest wirft auch in Mannheim dunkle Schatten. So hat etwa der jahrzehntelange Asbesteinsatz im Kraftwerksbau von BBC (später ABB, Alstom und GE) in Käfertal bis heute bereits den schrecklichen Tod von vielen Kolleginnen und Kollegen verursacht. Der Betriebsrat von ALSTOM Power hat mehrere hundert Asbestopfer namentlich erfassen können. Sehr wahrscheinlich liegt ihre Zahl jedoch über 1.000.
Jedes Jahr werden bei den Berufsgenossenschaften in der Bundesrepublik rund 3.000 Anzeigen auf Verdacht einer asbestbedingten Berufskrankheit gestellt. Die Anerkennungsquote liegt allerdings nur bei 40 Prozent.
Dies ist ein weiterer Skandal. Er wird durch die bundesweite Missachtung der gesetzlich vorgeschriebenen Dokumentationspflicht von Gefährdungen am Arbeitsplatz (§ 6 Arbeitsschutzgesetz) erleichtert.
Alle 5 Minuten ein neues Opfer
Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation fallen weltweit jährlich mehr als 100.000 Menschen asbesttypischen Krankheiten zum Opfer. Etwa alle fünf Minuten ist ein neues Opfer zu beklagen. Allein in der Europäischen Union wird bis 2030 mit 500.000 weiteren asbestbedingten Todesfällen gerechnet. In Deutschland sterben jährlich mehrere Tausend.
Es bleibt viel zu tun. Das kann als Fazit der drei Vorträge und der sehr ernsthaften Diskussion festgehalten werden.
Insbesondere ist in der breiten Öffentlichkeit über den Asbest-Skandal und die Asbestgefahren aufzuklären. Weitere Gefährdungen sind konsequent zu verhindern. Die staatlichen Kontrollstellen müssen wieder wirksam gestärkt werden. Und nicht zuletzt ist die Unterstützung von Betroffenen und die Erinnerung an die zahllosen Opfer der Profitgier eine gesellschaftliche Pflicht.