Der Auf­schwung der AfD und unse­re Aufgaben

 

ISO-Koor­di­na­ti­on

Aus Avanti² Rhein-Neckar September 2023. (Foto: Barbara Straube.)

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Sep­tem­ber 2023. (Foto: Bar­ba­ra Straube.)

1.
Der inter­na­tio­na­le Auf­schwung extrem rech­ter bis faschis­ti­scher Bewe­gun­gen und Par­tei­en ist Aus­druck der tie­fen Kri­sen des kapi­ta­lis­ti­schen Welt­sys­tems. Er wur­de und wird durch die Vor­herr­schaft und Ver­ste­ti­gung neo­li­be­ra­ler Stra­te­gien geför­dert. Die anhal­ten­de poli­ti­sche und orga­ni­sa­to­ri­sche Schwä­che von Lin­ken und Gewerk­schaf­ten erleich­tern die­se bedroh­li­che Entwicklung.

In der Bun­des­re­pu­blik mar­schiert die AfD von einem Umfra­ge-hoch zum nächs­ten. Sie gewinnt nicht nur zuneh­mend Pos­ten im par­la­men­ta­ri­schen Raum, son­dern in Ver­bin­dung damit auch beträcht­li­che Ein­nah­me­quel­len. Die viel­be­schwo­re­nen „Brand­mau­ern“ gegen rechts wer­den zuneh­mend brü­chi­ger. Und schlim­mer noch: Die neo­li­be­ra­le und auto­ri­tä­re Poli­tik der eta­blier­ten Par­tei­en ebnet dem wei­te­ren Rechts­ruck den Weg (Ver­tie­fung der Klas­sen­spal­tung, Ein­schrän­kung demo­kra­ti­scher Rech­te, For­cie­ren der Umwelt­zer­stö­rung, Beschleu­ni­gung der Mili­ta­ri­sie­rung, Ver­schär­fung der Flücht­lings­be­kämp­fung usf.).

Der Auf­schwung der extre­men Rech­ten geht ein­her mit einer Zunah­me an ras­sis­ti­schen Über­grif­fen und Anschlä­gen gegen Migrant:innen und Ein­rich­tun­gen für Migrant:innen, sowie mit Atta­cken gegen Lin­ke und Men­schen­rechts­in­itia­ti­ven eben­so wie gegen que­e­re Men­schen und Per­so­nen mit Behin­de­run­gen. Die­se Ent­wick­lung stellt eine gro­ße Bedro­hung und Her­aus­for­de­rung für die gesam­te Lin­ke dar. Wir sind mit allen Opfern die­ser reak­tio­nä­ren Poli­tik soli­da­risch und set­zen uns für gemein­sa­me Schutz­ab­kom­men unter lin­ken und gewerk­schaft­li­chen Kräf­ten ein.

Der media­le und gesell­schaft­li­che poli­ti­sche Dis­kurs wird von den eta­blier­ten Par­tei­en und den Agen­tu­ren der herr­schen­den Klas­se ins­ge­samt nach rechts ver­scho­ben. Damit wer­den wei­te­re sozi­al­po­li­ti­sche Angrif­fe und Kür­zun­gen vor­be­rei­tet. Die Wahl­kämp­fe im Herbst die­ses Jah­res, die Euro­pa­wah­len und Land­tags­wah­len in 2024 und wahr­schein­lich auch die Bun­des­tags- wahl 2025 sind bereits bzw. wer­den auf­grund des Dru­ckes der AfD stark von den The­men Migra­ti­on, Flücht­lings­po­li­tik, All­tags­ras­sis­mus und Kri­mi­na­li­tät bestimmt.

Die von den euro­päi­schen Regie­run­gen, der EU und von der Ampel-Regie­rung in Ber­lin beschlos­se­ne wei­te­re Aus­höh­lung des Asyl- und Ein­wan­de­rungs­rechts wer­den dafür nur ein Vor­spiel sein. Auch die angeb­li­che Men­schen­rechts­par­tei DIE GRÜNEN hat die­sen Regie­rungs­maß­nah­men zugestimmt.

Die Debat­te über Inte­gra­ti­on der AfD in das Regie­rungs­ge­schäft wird bestän­dig zuneh­men. Die Zusam­men­ar­beit der bür­ger­li­chen Par­tei­en mit der AfD auf kom­mu­na­ler und bald auch Lan­des­ebe­ne wird von der heu­ti­gen Aus­nah­me immer mehr zu einer Regel wer­den. Das müs­sen wir regel­mä­ßig ent­hül­len und bekämpfen.

2.
Es gibt kei­ne Gemein­sam­kei­ten zwi­schen der AfD und der Lin­ken. Die ISO lehnt jedes Zusam­men­ge­hen mit der AfD in gemein­sa­mer Pro­pa­gan­da gegen die Regie­rungs­po­li­tik ab. Wir unter- schrei­ben kei­ne gemein­sa­men Appel­le, wir unter­stüt­zen nicht ihre par­la­men­ta­ri­sche Initia­ti­ven und Anträ­ge. Wir leh­nen eben­so eine Tak­tik ab, gemein­sa­me lin­ke Auf­ru­fe und Initia­ti­ven so zusam­men­zu­strei­chen und zu ent­po­li­ti­sie­ren, dass auch rech­te Kräf­te mit­ma­chen könnten.

Auch mit Orga­ni­sa­tio­nen, die zu Pro­pa­gan­dablö­cken mit der AfD bereit sind, arbei­tet die ISO nicht zusam­men. Das betrifft Grup­pen wie „Die Basis“, „Die Unbeug­sa­men“, „auf­ste­hen“ usw.

Wir tre­ten für eine brei­te Akti­ons­ein­heit auf allen Ebe­nen und den Auf­bau einer sozia­len Front gegen Faschis­mus ein, die in kei­nem Wider­spruch zu unse­ren Posi­tio­nen steht. Wir rufen dazu in der Regel mit eige­nen Auf­ru­fen der ISO oder uns sehr nahe ver­bun­de­ner Partner:innen auf.

Kom­men zu die­sen Aktio­nen auch Unterstützer:innen der AfD, so wer­den wir ver­hin­dern, dass sie AfD-Ban­ner und -Mate­ria­li­en ver­tei­len. Das muss über Ord­ner­diens­te und ähn­li­che Abspra­chen im Vor­feld geklärt werden.

Ohne sol­che Erken­nungs­merk­ma­le wer­den wir kei­ne Aus­schluss­maß­na­men oder Gesin­nungs­prü­fun­gen bei Teilnehmer:innen an von uns mit­or­ga­ni­sier­ten Aktio­nen durchführen.

3.
Gegen öffent­li­che Aktio­nen, Par­tei­ta­ge und Kund­ge­bun­gen der AfD und ande­rer extrem rech­ter bis faschis­ti­scher Orga­ni­sa­tio­nen und Bünd­nis­se mobi­li­sie­ren wir gemein­sam mit ande­ren anti­fa­schis­ti­schen und anti­ras­sis­ti­schen Kräf­ten. Wir rufen zu poli­ti­schen Gegen­ak­ti­vi­tä­ten auf, in deren Mit­tel­punkt die lin­ken alter­na­ti­ven Inhal­te und For­de­run­gen ste­hen müssen.

Auch Anti-AfD-Kam­pa­gnen in „Wahl­kämp­fen“ (Brau­ner-Sack-Akti­on an AfD-Stän­den u. ä.) unter­stüt­zen wir.

Bünd­nis­se, die sich für sol­che poli­ti­schen Kam­pa­gnen gebil­det haben (Auf­ste­hen gegen Ras­sis­mus, loka­le Struk­tu­ren „Gegen rechts“ oder „Stellt sich quer“-Gruppen) wer­den wir unter­stüt­zen und uns nach unse­ren Kräf­ten an die­sen Akti­vi­tä­ten beteiligen.

4.
Wir leh­nen eine Kam­pa­gne „Ver­bot der AfD“ ab. Wir sind der Mei­nung, dass sich eine Par­tei mit vie­len Mil­lio­nen Wähler:innen nicht mit staat­li­chen Ver­bo­ten bekämp­fen lässt. Es ist zudem offen­sicht­lich, dass staat­li­che und halb­staat­li­che Insti­tu- tio­nen, die ein sol­ches Ver­bot durch­füh­ren müss­ten, viel zu sehr mit den rech­ten Kräf­ten struk­tu­rell ver­ban­delt sind.

Aber wir wer­den unse­re Kri­tik an einer Ver­bots­kam­pa­gne nicht zum Aus­schluss­grund für gemein­sa­me Akti­vi­tä­ten machen.

Wir wol­len eine offe­ne und ein­deu­ti­ge Bewe­gung gegen die AfD und die Rechts­ent­wick­lung för­dern, um ihre Unter­stüt­zer­ba­sis zu schwä­chen – ohne demo­kra­ti­sche Rech­te für alle ein­zu­schrän­ken oder zu zerstören.

5.
Die AfD ist eine Bedro­hung für die Hand­lungs­mög­lich­kei­ten und die Exis­tenz von Gewerk­schaf­ten und betrieb­li­chen Inter­es­sen­ver­tre­tun­gen. Die AfD wird über­durch­schnitt­lich oft von Gewerk­schafts­mit­glie­dern gewählt. Die ISO tritt des­halb für eine akti­ve und akti­vie­ren­de Gewerk­schafts­po­li­tik gegen die­se Gefahr in Betrieb und Gesell­schaft ein. Sie unter­stützt Initia­ti­ven der Gewerk­schaf­ten gegen AfD- oder AfD-nahe Grup­pen wie Zen­trum Auto­mo­bil in den Betrie­ben und Ver­wal­tun­gen. Betriebs- und Per­so­nal­rä­te müs­sen im Umgang mit rech­ter All­tags­kul­tur geschult und unter­stützt wer­den. Wir wer­den uns in kei­nem Fall an Lis­ten zur Betriebs­rats­wahl mit AfD-Mit­glie­dern betei­li­gen, auch dann nicht, wenn sie als „Oppo­si­ti­ons­lis­ten“ gegen ver­knö­cher­te DGB-Büro­kra­ten antreten.

Ras­sis­ti­sche, sexis­ti­sche und rechts­ra­di­kal begrün­de­te Über­grif­fe gegen Kolleg:innen sind heu­te bereits Grund für ver­hal­tens­be­ding­te, auch frist­lo­se Kün­di­gun­gen. Das soll­te so blei­ben, wird aber unter Wah­rung aller Regeln des Kün­di­gungs­schutz­ge­set­zes im Ein­zel­fall zu prü­fen sein.

Die ISO ist für die offen­si­ve Aus­ein­an­der­set­zung mit Mit­glie­dern der AfD oder ande­rer rechts­extre­mer Orga­ni­sa­tio­nen in den Gewerk­schaf­ten. Hier gilt eben­falls das Argu­ment, dass sich ein poli­ti­scher Mas­sen­ein­fluss mit Aus­schlüs­sen nicht zurück­drän­gen lässt.

6.
Für die ISO ist der Kampf gegen rechts untrenn­bar ver­bun­den mit dem Kampf gegen die ver­hee­ren­de und zer­stö­re­ri­sche Logik des kapi­ta­lis­ti­schen Wirt­schafts- und Herr­schafts­sys­tems, die wir grund­le­gend und nach­voll­zieh­bar in Fra­ge zu stel­len haben. Die­se Her­aus­for­de­rung hat eine theo­re­ti­sche und eine prak­ti­sche Form. Wir müs­sen sie sowohl lokal als auch natio­nal und inter­na­tio­nal ange­hen. Ein Mit­tel zur Ver­än­de­rung von gesell­schaft­li­chen Kräf­te­ver­hält­nis­sen sind kämp­fe­ri­sche Akti­ons­ein­hei­ten, vor allem wenn sie Ansät­ze für eine prak­ti­sche Ein­heits- front der arbei­ten­den Klas­se för­dern. Unser Akti­ons­schwer­punkt liegt daher im Auf­bau von außer­par­la­men­ta­ri­scher Opposition.

Um unse­re Kri­tik an der Rechts­ent­wick­lung gemein­sam mit ande­ren wirk­sam und glaub­wür­dig wer­den zu las­sen, dür­fen wir einer zen­tra­len Fra­ge nicht aus­wei­chen. Wie kön­nen wir unse­re ört­li­chen und bun­des­wei­ten Struk­tu­ren für den Kampf gegen rechts stär­ken, bes­ser ver­net­zen und hand­lungs­fä­hi­ger machen? Unab­hän­gig von dem jewei­li­gen poli­ti­schen Akti­ons­feld wird es ohne die­se bewusst orga­ni­sier­ten und soli­da­risch han­deln­den Struk­tu­ren kei­ne Wahr­neh­mung der durch­aus exis- tie­ren­den Chan­cen für Wider­stand geben ‒ weder im Klei­nen noch im Gro­ßen. Dabei zwin­gend erfor­der­lich sind die kon­ti­nu­ier­li­che Bün­de­lung und der Aus­tausch über unse­re Akti­vi­tä­ten im Kampf gegen rechts.

Die ISO sieht es als ihre Auf­ga­be an, hier­bei eine vor­an­trei­ben­de Rol­le zu spie­len und öffent­lich­keits­wirk­sa­me Mate­ria­li­en zur Ver­fü­gung zu stellen.

Unse­re stra­te­gi­sche Ori­en­tie­rung im Kampf gegen rechts und gegen Armut, Aus­beu­tung, Unter­drü­ckung, Umwelt­zer­stö­rung und Krieg ist nicht neu, aber den­noch hoch­mo­dern: Wir wol­len gedul­dig unse­re gesell­schaft­li­che und betrieb­li­che Ver­an­ke­rung stär­ken und damit den Auf­bau einer hand­lungs­fä­hi­gen, nütz­li­chen und glaub­wür­di­gen Sek­ti­on der IV. Inter­na­tio­na­le in Deutsch­land ermög­li­chen. Hier­bei set­zen wir auf eine akti­ve und soli­da­ri­sche Bünd­nis­po­li­tik mit ande­ren Kräf­ten und Strö­mun­gen der sozia­lis­ti­schen Lin­ken und der Arbeiter:innenbewegung. Wir ver­nach­läs­si­gen jedoch nicht unse­ren eige­nen orga- nisa­to­ri­schen Auf­bau als einem nütz­li­chen Instru­ment der Widerstandsbewegungen.


Am 20. August 2023 von der Koor­di­na­ti­on der ISO dis­ku­tiert und in der gene­rel­len Linie beschlossen.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Sep­tem­ber 2023
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