Frank­reich: Die Neue Popu­lä­re Front (NFP) zer­bricht am Parlamentarismus*

 

Antoine Lar­r­a­che

Die Wei­ge­rung der Sozia­lis­ti­schen Par­tei (PS), für das Miss­trau­ens­vo­tum gegen die Regie­rung zu stim­men, offen­bart ein­mal mehr den Zustand der NFP. Sie wird immer schwä­cher, je mehr sie sich von der Stra­ße ent­fernt und in insti­tu­tio­nel­le Dis­kus­sio­nen verwickelt.

Frauendemo gegen Faschismus in Paris, 23. Juni 2024. (Foto: Photothèque Rouge/Martin Noda/Hans Lucas.)

Frau­en­de­mo gegen Faschis­mus in Paris, 23. Juni 2024. (Foto: Pho­to­t­hè­que Rouge/Martin Noda/Hans Lucas.)

Die PS stimm­te am 14. Janu­ar 2025 nicht für das Miss­trau­ens­vo­tum gegen die Regie­rung. Sie ist der Ansicht, dass sie mit der Ver­ab­schie­dung eines neu­en Ren­ten­ge­set­zes im Par­la­ment und dem Ver­zicht sowohl auf Stel­len­strei­chun­gen im Bil­dungs­we­sen als auch die Ein­füh­rung von zwei Karenz­ta­gen im Öffent­li­chen Dienst Zuge­ständ­nis­se von Pre­mier­mi­nis­ter Bay­rou erhal­ten hat.

Laut der Tages­zei­tung Le Mon­de berich­te­te ein Macron nahe­ste­hen­der Sena­tor, dass „Fran­çois Bay­rou den Sozia­lis­ten zwar sehr ent­ge­gen­ge­kom­men ist, aber gleich­zei­tig ist es ihm gelun­gen, ein Ergeb­nis zu pro­vo­zie­ren, näm­lich die mei­ner Mei­nung nach unum­kehr­ba­re Spal­tung der NFP, und das ist sehr wichtig“.

Die Zuge­ständ­nis­se des Pre­mier­mi­nis­ters sind unbe­deu­tend. Minis­te­ri­en (ange­fan­gen mit dem Minis­te­ri­um für Sport, Jugend und Ver­eins­we­sen) sind bereits von Stel­len­strei­chun­gen betrof-fen. Außer­dem will die Regie­rung, wenn die Karenz­zeit nicht ver­län­gert wird, das Kran­ken­geld auf 90 % des Lohns kür­zen. Bei den Ren­ten wird sich die „Reform“ wei­ter durchsetzen.

So scheint Fran­çois Bay­rou das Tem­po der anti­so­zia­len Poli­tik geschickt ver­lang­samt zu haben, um die Ent­hal­tung der PS zu errei­chen und die Lin­ke zu schwä­chen. Mit dem Ziel, einen neo­li­be­ra­len Haus­halt zu ver­ab­schie­den und ein Pro­gramm durch­zu­set­zen, des­sen ras­sis­ti­sche Dimen­si­on in der all­ge­mei­nen poli­ti­schen Erklä­rung des Pre­mier­mi­nis­ters deut­lich wurde.

Die Lin­ke von ihren Wider­sprü­chen eingeholt
In die­sem Kuh­han­del steckt eine Form von Logik, eine Rück­kehr zu den neo­li­be­ra­len Ori­en­tie­run­gen der Sozia­lis­ti­schen Par­tei [wäh­rend der Prä­si­dent­schaft] Hol­lan­des. Es sind tief­grün­di­ge Ten­den­zen am Werk, die mit der Inte­gra­ti­on der PS in die kapi­ta­lis­ti­schen Insti­tu­tio­nen zusam­men­hän­gen. Sie wur­den nur zeit­wei­se durch den Druck der Mobi­li­sie­run­gen gegen die Ren­ten­re­form und gegen die extre­me Rech­te neu­tra­li­siert. Tau­sen­de von lin­ken Akti­vis­tin­nen und Akti­vis­ten woll­ten und erzwan­gen die Ein­heit der Linken.

Die­ser Druck ist mit dem Schei­tern der Mobi­li­sie­run­gen im Öffent­li­chen Dienst und gegen Ent­las­sun­gen Ende 2024 prak­tisch ver­schwun­den. Die Gewerk­schaf­ten las­sen sich also, wie die Par­tei­en, auf eine Gesprächs­run­de ohne die Vor­be­din­gung der Rück­nah­me der Ren­ten­re­form ein.

Die Grü­nen und die KPF führ­ten Gesprä­che mit Bay­rou, hiel­ten aber an der Posi­ti­on der NFP fest, jeder Regie­rung, die nicht links ist, das Miss­trau­en aus­zu­spre­chen. La France inso­u­mi­se [LFI – Das unbeug­sa­me Frank­reich] ver­kör­pert die klars­te Posi­ti­on und lehn­te es ab, mit Bay­rou zu diskutieren.

Die Stel­lung­nah­men von LFI sind jedoch auch mit ande­ren Zie­len ver­bun­den. So berei­tet LFI eine Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­tur von Jean-Luc Mélen­chon vor, unab­hän­gig davon, ob die­se 2027 statt­fin­det oder vor­ge­zo­gen wird. Und für die nächs­ten Kom­mu­nal­wah­len berech­net jeder das mög­li­che Ergeb­nis von unter­schied­lich zusam­men­ge­setz­ten Bünd­nis­sen. Viel­fäl­ti­ge loka­le Ambi­tio­nen und Kräf­te­ver­hält­nis­se prä­gen des­halb auch die natio­na­len Debatten.

Für eine geein­te Lin­ke … von unten
Die ein­heit­li­chen Ansät­ze, die durch die Peri­ode der Kri­se des Kapi­ta­lis­mus und des Auf­stiegs der extre­men Rech­ten bestimmt wer­den, wer­den so in den Hin­ter­grund gedrängt. Ein­mal mehr zei­gen der anti­de­mo­kra­ti­sche Cha­rak­ter des Kapi­ta­lis­mus und die par­la­men­ta­ri­schen Insti­tu­tio­nen ihre Fähig­keit, Radi­ka­li­tät in Pas­si­vi­tät umzuwandeln.

Der Schwer­punkt soll­te jetzt dar­in bestehen, auf eine akti­vis­ti­sche Ein­heit an der Basis hin­zu­ar­bei­ten. Sie hat die Auf­ga­be, sich mit loka­len Kämp­fen zu ver­bin­den, was der­zeit aller­dings nur sehr weni­ge Orga­ni­sa­tio­nen über­zeu­gend leis­ten kön­nen. Wich­tig ist, dass die­se Ein­heit nicht durch die unver­meid­li­chen Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten über die Kom­mu­nal­wah­len in Fra­ge ge- stellt wird.

Ein begrenz­tes Bünd­nis mit lin­ken Grup­pie­run­gen wie Nou­vel­le Don­ne, PEPS, L’A­près, Ensem­ble, GDS und der NPA-L’Anticapitaliste arbei­tet dar­an, die­se Ein­heit an der Basis auf­zu­bau­en. Dies erscheint uns sehr wichtig.


* [Aus der Wochen­zei­tung L’Anticapitaliste, Nr. 738 vom 23. Janu­ar 2025. Über­set­zung H. N.]

Vor­ab-Ver­öf­fent­li­chung aus Avan­ti² Febru­ar 2025
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