Alternativlose Arbeitsplatzvernichtung?
O. T.
Fast jede dritte Filiale von Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) soll plattgemacht werden (62 von insgesamt 172). Rund 5.300 von insgesamt 28.000 Beschäftigten sollen dadurch ihre Arbeit verlieren. Dazu kommt noch der Abbau von 1.000 Stellen durch die Schließungen von 20 der 30 Karstadt-Sport-Filialen und von 100 der insgesamt 130 Reisebüros des Konzerns.
Filiale in Mannheim vor Schließung
Auch die Filiale in der Kunststraße (N 7) in Mannheim mit 75 meist langjährig Beschäftigten ist betroffen. Die Filiale am Paradeplatz soll dagegen erhalten bleiben.
Begründet werden die Schließungen mit der Corona-Pandemie, die im Frühjahr zur befristeten Schließung aller Filialen geführt hatte. Dadurch sei der Konzern massiv in die Krise geraten. Die Weiterführung der von Schließung betroffenen Filialen würde der Konzernleitung zufolge angeblich die Existenz des Unternehmens gefährden.
Zweifelsohne wirkte sich die Schließung der Kaufhäuser in der Pandemie negativ auf das Geschäft aus. Aber GKK-Eigentümer und Immobilien-Spekulant René Benko wollte schon im vorigen Jahr Schließungen durchsetzen. Das hatte ver.di zwar noch um den Preis eines „Sanierungstarifvertrags“ verhindern können, der aber erhebliche Einkommensverluste für die KollegInnen bedeutete.
Staatlicher „Schutzschirm“ ohne Kündigungsschutz?
Anfang April 2020 ist GKK unter den staatlichen „Schutzschirm“ geschlüpft, was einem Vorinsolvenzverfahren mit staatlicher Beteiligung gleichkommt. Der Staat übernimmt praktisch alle Personalkosten und bestellt dann Verfahrenssachwalter. Diese haben die Aufgabe, mit allen Beteiligten (Vorstand, Betriebsrat, Gewerkschaft, Gläubiger, Anteilseigener) einen Plan zur wirtschaftlichen „Gesundung“ des Unternehmens zu erarbeiten. Dieser Plan soll dann dem Verwaltungsgericht vorgelegt werden. Stimmt das Verwaltungsgericht dem Plan zu, muss er umgesetzt werden, stimmt es nicht zu, kommt es zu einem „ordentlichen“ Insolvenzverfahren.
Im Ergebnis wird klar: Dieser staatliche „Schutzschirm“ bietet keinen wirklichen Schutz vor Kündigungen. Die eingesetzten Steuergelder werden ausschließlich zur Verbesserung der „Wettbewerbsfähigkeit“ des Konzerns eingesetzt, um wieder in die Gewinnzone zu kommen.
Das nützt vor allem dem Eigentümer Benko, der mit den staatlicherseits genehmigten und durch den „Schutzschirm“ mitfinanzierten Schließungen in seiner beabsichtigen „Neustrukturierung“ des Unternehmens einen erheblichen Schritt weiterkommt.
Zudem werden viele Filialen in Immobilien, die sich in seinem Besitz befinden, weiterhin hohe Mieten zu entrichten haben, denn zu Mietminderungen ist er nicht bereit. Dort, wo Filialen fremd eingemietet sind, will GKK allerdings hohe Mietnachlässe durchsetzen. Dies betrifft insgesamt 12 Filialen, ansonsten droht GGK auch hier mit der Schließung.
Transfergesellschaft keine Lösung
Ver.di konnte nach eigenen Angaben die von der Konzernleitung und von den Verfahrenssachwaltern gewollten Verschlechterungen des „Sanierungstarifvertrags“ weitgehend abwehren. So sei unter anderem der ursprünglich geplante weitere Abbau von 10 Prozent der Stellen in den verbleibenden Filialen jetzt vom Tisch. Für diese gelte jetzt eine Beschäftigungssicherung.
Die Perspektive für die von den Schließungen betroffenen KollegInnen ist, dass sie zunächst für mindestens sechs Monate in eine Transfergesellschaft „zur Beschäftigung und Qualifizierung“ wechseln können. Ob danach eine neue Arbeitsstelle gefunden werden kann, ist jedoch völlig offen. Klar ist nur, dass der alte Arbeitsplatz weg ist.
Die Betriebsratsvorsitzende des Kaufhofs in der Kunststraße, Sabine Jakoby, hat angekündigt, dass sich der Betriebsrat noch nicht ganz „geschlagen geben“ wolle.
Benko enteignen
Um die betroffenen Kaufhof-KollegInnen wirksam unterstützen zu können, ist eine breite öffentliche und gewerkschaftsübergreifende Solidarität notwendig. Ver.di muss deshalb gemeinsam die Rücknahme der Filialschließungen in Mannheim, Landau, Worms und anderswo einfordern und unter Berufung auf Artikel 14 des Grundgesetzes ein Verbot von Entlassungen einfordern. Statt des üblichen Lamentos aus der Sphäre der Berufspolitik benötigen die GKK-Beschäftigten und wir alle eine Kampagne zur Enteignung von Spekulanten wie Benko. So könnten Arbeitsplätze gesichert und ein sozialer und ökologischer Umbau der zunehmend verödeten Innenstädte in die Wege geleitet werden.