Offe­ner Brief zur Bezahlkarte

Die Bezahl­kar­te dis­kri­mi­niert und grenzt aus!“

N. B.

Auch das Land Baden-Würt­tem­berg hat sich für die Ein­füh­rung der Bezahl­kar­te für Asyl­su­chen­de ent­schie­den. 19 Mann­hei­mer Initia­ti­ven und Ein­rich­tun­gen spre­chen sich in einem Offe­nen Brief dafür aus, die dis­kri­mi­nie­ren­den und aus­gren­zen­den Fol­gen der Bezahl­kar­te in der Stadt Mann­heim so gering wie mög­lich zu halten.

Antirassistischer Protest in Mannheim, 18. April 2020. (Foto: Avanti².)

Anti­ras­sis­ti­scher Pro­test in Mann­heim, 18. April 2020. (Foto: Avanti².)

Wir zitie­ren hier aus dem Offe­nen Brief an den Gemein­de­rat sowie die Mann­hei­mer Abge­ord­ne­ten des Land- und des Bundestags:

Die Bezahl­kar­te dis­kri­mi­niert und grenzt aus!
Gestal­ten wir sie zumin­dest so, dass wir uns wei­ter­hin auf huma­ni­tä­rem Par­kett bewegen!

Am 12.04.2024 schuf der Bun­des­tag den gesetz­li­chen Rah­men dafür, dass finan­zi­el­le sozia­le Hil­fen nach dem Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz auf Lan­des- und kom­mu­na­ler Ebe­ne künf­tig auch in Form der so genann­ten Bezahl­kar­te aus­be­zahlt wer­den können.

Wir spre­chen uns ent­schie­den gegen die Bezahl­kar­te aus, weil sie geflüch­te­te Men­schen stig­ma­ti­siert und dis­kri­mi­niert, sie in ihrer Lebens­füh­rung bevor­mun­det, ihre Teil­ha­be am gesell­schaft­li­chen Leben erschwert und die Arbeit der in der Inte­gra­ti­ons­ar­beit täti­gen Men­schen erschwert. Die Ein­füh­rung der Bezahl­kar­te ist in unse­ren Augen ein kon­tra­pro­duk­ti­ves (wenn nicht sogar gefähr­li­ches) poli­ti­sches Zei­chen an die Gesell­schaft, denn sie weist nicht in Rich­tung Inte­gra­ti­on, son­dern in Rich­tung Ausgrenzung.

Der Bund hat den Län­dern und Kom­mu­nen frei­ge­stellt, ob bzw. in wel­cher Form sie die Bezahl­kar­te ein­füh­ren. Da sich das Land Baden-Würt­tem­berg für die Ein­füh­rung der Bezahl­kar­te ent­schie­den hat, müs­sen wir lei­der damit rech­nen, dass die­se auch in Mann­heim ein­ge­führt wird. Soll­te dies der Fall sein, bit­ten wir die Ver­ant­wort­li­chen drin­gend, die Bezahl­kar­te so zu gestal­ten, dass die abseh­bar nega­ti­ven Aus­wir­kun­gen so gering wie mög­lich gehal­ten wer­den. Fol­gen­de Aspek­te sind unse­rer Ansicht nach zu berücksichtigen:

Die Bezahl­kar­te muss
… ohne Ein­schrän­kun­gen nutz­bar sein: Bar­ab­he­bun­gen sind ohne monat­li­che Ober­gren­ze und ohne Gebüh­ren möglich.

… den bar­geld­lo­sen Zah­lungs­ver­kehr mit Drit­ten ermög­li­chen: Um z. B. das Deutsch­land­ti­cket nut­zen zu kön­nen, müs­sen monat­li­che Abbu­chun­gen mög­lich sein. Im bar­geld­lo­sen Zah­lungs­ver­kehr ist die Pri­vat­sphä­re der Kartennutzer:innen und das Recht auf Ver­trau­lich­keit zu wah­ren. Über­wei­sun­gen oder Last­schrif­ten mit der Kar­te soll­ten daher durch die Nutzer:innen selbst, ohne Umweg über die Behör­de, vor­ge­nom­men wer­den kön­nen. Ein­kau­fen mit der Kar­te soll­te ohne räum­li­che Beschrän­kun­gen sowie ohne Aus­schluss bestimm­ter Bran­chen mög­lich sein.

… auf einen mög­lichst klei­nen Per­so­nen­kreis begrenzt sein: Die Bezahl­kar­te soll­te nur für geflüch­te­te Men­schen Ver­wen­dung fin­den, die ganz neu in Deutsch­land sind und des­halb noch kein eige­nes Bank­kon­to eröff­nen konnten.

… mög­lichst zeit­lich begrenzt sein: Sobald die Leis­tungs­be­rech­tig­ten über ein eige­nes Basis­kon­to bei einer Bank ver­fü­gen, soll­te die Aus­zah­lung der monat­li­chen Leis­tun­gen umge­hend von der Bezahl­kar­te auf das eige­ne Basis­kon­to umge­stellt werden.

… dis­kri­mi­nie­rungs­frei im All­tag ver­wen­det wer­den können:
‒ Die Bezahl­kar­te soll­te von außen nicht von einer regu­lä­ren Bank­kar­te zu unter­schei­den sein
‒ Mit der Ein­füh­rung der Bezahl­kar­te steht die Stadt mit in der Ver­ant­wor­tung dafür, dass deren Inhaber:innen mit die­ser Kar­te in allen Geschäf­ten und an allen Stel­len gebüh­ren­frei bezah­len kön­nen, auch im loka­len Einzelhandel

… von Anfang an stö­rungs­frei funk­tio­nie­ren: Bereits jetzt füh­ren kurz­fris­ti­ge, unver­schul­de­te Unter­bre­chun­gen des Leis­tungs­be­zugs oft zu exis­ten­zi­el­len Not­la­gen der Betrof­fe­nen, da die­se in der Regel kei­ner­lei finan­zi­el­le Rück­la­ge haben. Vor Ein­füh­rung ist daher die Schaf­fung tech­ni­scher und per­so­nel­ler Vor­aus­set­zun­gen sicherzustellen.

… so funk­tio­nie­ren, dass es zu kei­ner zusätz­li­chen Belas­tung von ehren­amt­li­chen und nicht-staat­li­chen Unterstützer:innen kommt.

Abschlie­ßend bit­ten die Unterzeichner:innen die Abge­ord­ne­ten dar­um, ihre Ein­fluss­mög­lich­kei­ten auf Lan­des­re­gie­rung und -poli­tik in Bezug auf lan­des­wei­te Vor­ga­ben und Rah­men­be­din­gun­gen zu nut­zen, gera­de auch, wenn es um eine ein­heit­li­che­re Gestal­tung der Bezahl­kar­te in Baden-Würt­tem­berg gehen soll.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Okto­ber 2024
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