Soli­da­ri­tät in Zei­ten des Krieges!

H. S.

Auch ein Jahr nach Beginn der rus­si­schen Inva­si­on in die Ukrai­ne ist ein Ende des Krie­ges nicht abseh­bar. Alle „real­po­li­ti­schen“ Lösun­gen sind katastrophal.

Kundgebung gegen Ukraine-Krieg in Mannheim, 24. Februar 2023. (Foto: Avanti².)

Kund­ge­bung gegen Ukrai­ne-Krieg in Mann­heim, 24. Febru­ar 2023. 
(Foto: Avanti².)

Wenn Russ­land die Ukrai­ne mili­tä­risch unter­wirft, ist das eine Ein­la­dung an alle impe­ria­lis­ti­schen Pro­jek­te, die Nach­bar­län­der zu über­fal­len. Wenn die NATO hin­ge­gen hoch­mo­der­ne Waf­fen lie­fert, um den mili­tä­ri­schen Kol­laps der Ukrai­ne zu ver­hin­dern, hält das einen Abnut­zungs­krieg in Gang. An des­sen Ende sind min­des­tens Hun­dert­tau­sen­de, im schlimms­ten Fall sehr vie­le Mil- lio­nen Men­schen ermordet.

Des­halb besteht die ers­te Auf­ga­be dar­in, sich zu ver­ge­gen­wär­ti­gen, wem unse­re Empa­thie gel­ten muss. Nicht Natio­nal- staa­ten, son­dern den­je­ni­gen, die unter dem rus­si­schen Über­fall lei­den. Das ist die Bevöl­ke­rung in zer­schos­se­nen ukrai­ni­schen Ort­schaf­ten. Das sind geflo­he­ne Kin­der und zwangs­re­kru­tier­te Sol­da­ten auf bei­den Sei­ten der Frontlinie.

Daher gilt es, Geflüch­te­te auf­zu­neh­men, Lebens­mit­tel und Medi­ka­men­te zu schi­cken, Deser­teu­re zu ver­ste­cken, Oppo­si­tio­nel­le in Russ­land und der Ukrai­ne nach ihrer Mei­nung zu befra­gen und zu unter­stüt­zen (sie­he auch den Arti­kel zur Ukrai­ne-Soli­da­ri­tät auf Sei­te 7). Und nicht zuletzt ist es höchs­te Zeit, der Kriegs­trei­be­rei eine Stra­te­gie der sozia­len Ver­tei­di­gung ent­ge­gen­zu­stel­len. Nur die­je­ni­gen, die sich dafür ein­set­zen, kön­nen den Waf­fen­lie­fe­run­gen der NATO glaub­wür­dig widersprechen.

Zei­ten­wen­de“ zum Militarismus
Rüs­tungs­kon­zer­ne gel­ten seit kur­zem als ganz nor­ma­le Wirt­schafts­un­ter­neh­men. NATO-Struk­tu­ren, die in den letz­ten 70 Jah­ren noch für die Unter­stüt­zung von Dik­ta­tu­ren in aller Welt im eige­nen öko­no­mi­schen Inter­es­se akti­viert wur­den, wer­den jetzt zur „Frie­dens­macht“ erhöht. Auf die­se Wei­se wer­den die reak­tio­närs­ten, aggres­sivs­ten und krie­ge­rischs­ten Strö­mun­gen der bür­ger­lich-kapi­ta­lis­ti­schen Gesell- schaft gestärkt. In Anbe­tracht des­sen ist ein Nein zu Auf­rüs­tung und mili­ta­ris­ti­scher Mobil­ma­chung unabdingbar.

Die Ost­erwei­te­rung der NATO ist ein nicht unwe­sent­li­cher Aspekt, der den Krieg des Putin-Regimes in der Ukrai­ne gegen­über der rus­si­schen Bevöl­ke­rung recht­fer­ti­gen soll. Aber Putin & Co. geht es nicht in ers­ter Linie um die NATO, son­dern da- rum, sich durch den Krieg jenes geo­po­li­ti­sche Gewicht zu ver­schaf­fen, das sie wirt­schaft­lich nicht mehr besit­zen. So soll ver- hin­dert wer­den, dass sich ein bür­ger­lich-par­la­men­ta­ri­sches Sys­tem eta­bliert, das auch in Russ­land als Alter­na­ti­ve zur „lupen- rei­nen Demo­kra­tie“ Putins betrach­tet wer­den könnte.

Wahr ist aber auch, dass die Ver­tei­di­gung der Ukrai­ne ein ande­rer Krieg über­la­gert. Der „Wes­ten“ finan­ziert einen anhal­ten­den Stell­ver­tre­ter­krieg, in dem sich Russ­land ver­brau­chen und als Ver­bün­de­ter Chi­nas mas­siv geschwächt wer­den soll. Ein Krieg im Pazi­fik ist für die US-Füh­rung eine rea­le Opti­on. Anders aus­ge­drückt: Die Ukrai­ner ver­tei­di­gen ihr Leben, die impe­ria­lis­ti­schen Staa­ten­len­ker ver­fol­gen ihre eige­nen geo­stra­te­gi­schen Projekte.

Zwei Optio­nen
Ent­we­der der Ukrai­ne-Krieg eska­liert oder er wird durch Ver­hand­lun­gen ein­ge­fro­ren. Dass die Inter­es­sen Russ­lands mit dem Völ­ker­recht unver­ein­bar sind, und es dem­entspre­chend wenig Grund­la­ge für Ver­hand­lun­gen gibt, ist ein berech­tig­ter Ein­wand. Nur stimmt das für fast alle bewaff­ne­ten Kon­flik­te. Das Ein­frie­ren von Krie­gen sorgt immer­hin dafür, das Ster­ben zu begren­zen und eine Eska­la­ti­on zu ver­hin­dern. Auch in Viet­nam wur­de mit dem Aggres­sor ver­han­delt, um ihn am Ende durch den Wider­stand der Bevöl­ke­rung poli­tisch zu besiegen.

Es darf nicht zuge­las­sen wer­den, dass die poli­ti­sche Rech­te sich in der Öffent­lich­keit als der eigent­li­che Kriegs­geg­ner insze­nie­ren kann. Es gilt, deren Dem­ago­gie und Men­schen­feind­lich­keit zu ent­lar­ven und zu bekämpfen.

Wenn es nicht gelingt, die­sen Krieg zu stop­pen, wächst die Gefahr eines Drit­ten Welt­kriegs. Auf­ga­be der Lin­ken ist zual­ler­erst die prak­ti­sche Soli­da­ri­tät mit den durch den Krieg direkt betrof­fe­nen Men­schen. Aber es ist auch ihre Auf­ga­be, gegen die erneu­te ideo­lo­gi­sche, wirt­schaft­li­che und mili­tä­ri­sche Kriegs­trei­be­rei der Herr­schen­den hier­zu­lan­de Wider­stand zu leis­ten. Und nicht zuletzt gilt es, eine inter­na­tio­na­le Anti­kriegs­be­we­gung aufzubauen.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar März 2023
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