Tarif­ab­schlüs­se im kom­mu­na­len Nahverkehr

Ein Erfolg?

H. S.

Nach dem Tarif­ab­schluss im Öffent­li­chen Dienst wur­de am 31.10.2020 auch für den kom­mu­na­len Nah­ver­kehr in Baden-Würt­tem­berg (6.400 Beschäf­tig­te) ein Tarif­ab­schluss (TV-N) erreicht. In den ande­ren Bun­des­län­dern, bis auf Bre­men, Bay­ern, Saar­land, Sach­sen-Anhalt, Ber­lin und Ham­burg, konn­ten ver­gleich­ba­re Tarif­ab­schlüs­se auf Basis des Ergeb­nis­ses des Öffent­li­chen Diens­tes, erzielt wer­den. In den genann­ten Län­dern wer­den die Ver­hand­lun­gen im Früh­jahr 2021 fortgesetzt.

ÖD-Warnstreik in Mannheim, 16. Oktober 2020 (Foto: helmut-roos@web.de)

ÖD-Warn­streik in Mann­heim, 16. Okto­ber 2020 (Foto: helmut-roos@web.de)

Auf­grund eines eige­nen Haus­ta­rif­ver­trags muss­te für die 2.200 Beschäf­tig­ten des Rhein-Neckar-Ver­kehrs-ver- bun­des (RNV) in Mann­heim, Hei­del­berg und Lud­wigs­ha­fen geson­dert ver­han­delt wer­den. Am 6. Novem­ber wur­de aber auch hier ein Ver­hand­lungs­er­geb­nis erzielt.

Die Gewerk­schaft ver.di und der Kom­mu­na­le Arbeit­ge­ber­ver­band Baden-Würt­tem­berg (KAV) einig­ten sich sowohl für Baden-Würt­tem­berg als auch für den RNV auf die Über­nah­me des Tarif­ab­schlus­ses im Öffent­li­chen Dienst inklu­si­ve der Coro­na-Prä­mie sowie wei­te­rer Verbesserungen.

Die Beschäf­tig­ten erhal­ten ab dem 1. April 2021 ins­ge­samt 1,4 % mehr Geld, min­des­tens aber 60 Euro, in unte­ren Gehalts­grup­pen min­des­tens 70 Euro. Zum 1. April 2022 soll eine wei­te­re Erhö­hung um 1,8 % und min­des­tens 70 Euro fol­gen. Aus­zu­bil­den­de erhal­ten 2021 und 2022 jeweils 25 Euro mehr.

In Baden-Würt­tem­berg wird das Urlaubs­geld um 120 Euro erhöht, ab 2023 wird ein Ent­las­tungs­tag nach zehn Jah­ren Betriebs­zu­ge­hö­rig­keit ein­ge­führt, für Fah­re­rin­nen und Fah­rer und Beschäf­tig­te im Schicht­dienst mit zehn Jah­ren Betriebs­zu­ge­hö­rig­keit ab 2022. Azu­bis bekom­men künf­tig ein Jahr ihrer Aus­bil­dungs­zeit auf die Stu­fen­lauf­zeit angerechnet.

Die Beschäf­tig­ten des RNV erhal­ten eine Coro­na-Prä­mie von 700 Euro statt 600 Euro, für Aus­zu­bil­den­de gibt es 300 Euro mehr. Zudem wer­den ab dem 1. Juli 2021 Über­stun­den von der ers­ten Minu­te an gezahlt, und nicht erst nach 15 Minu­ten. Das Urlaubs- und Weih­nachts­geld wird von bis­her jeweils 50 auf jeweils 80 % des Monats­brut­to­lohns ange­ho­ben. Alle Man­tel­ta­rif­ver­trä­ge lau­fen bis zum 31.12.2023.

Kämp­fen unter Pandemiebedingungen
Kämp­fen trotz Pan­de­mie ist mög­lich. Die Beschäf­tig­ten des Öffent­li­chen Per­so­nen­nah­ver­kehrs (ÖPNV) haben das ein­drucks­voll gezeigt. Am 29. Sep­tem­ber 2020 stand der ÖPNV im Land in wei­ten Tei­len still. Die 87.000 Beschäf­tig­ten in kom­mu­na­len Nah­ver­kehrs­un­ter­neh­men haben erst­mals nach über 20 Jah­ren gleich­zei­tig in allen Betrie­ben gestreikt. Nicht nur die Bus­se und Bah­nen stan­den still. Mit dem Still­stand des ÖPNV mach­ten ver­stopf­te Stra­ßen deut­lich, dass das Ver­kehrs­sys­tem in den meis­ten Städ­ten über­holt ist.

Der KAV hat­te zuvor ver­sucht, die Beschäf­tig­ten mit dem Vor­wurf des „unmo­ra­li­schen Han­delns“ ein­zu­schüch­tern und aus­ein­an­der­zu­di­vi­die­ren. In der Pan­de­mie sei nicht die Zeit für Ver­bes­se­run­gen. Es gehe jetzt um Beschäf­ti­gungs­si­che­rung. Wer sei­nen Arbeits­platz in der Kri­se behal­ten wol­le, der müs­se auf Ver­bes­se­run­gen ver­zich­ten kön­nen. Dazu kam die ver­öf­fent­lich­te Mei­nung der Medi­en, die gegen die Strei­ken­den Front mach­te. Trotz­dem haben sich die Beschäf­tig­ten nicht spal­ten las­sen und sich Unter­stüt­zung organisiert.

Für Ver­kehrs­wen­de
Auf­grund der Pan­de­mie fan­den nur weni­ge grö­ße­re Kund­ge­bun­gen statt. Statt­des­sen gab es an vie­len Orten Unter­stüt­zung für die Streik­pos­ten durch Akti­ve von Fri­days For Future und ande­re Engagierte.

Nach­dem in den Mona­ten zuvor Bünd­nis­se gebil­det wor­den waren, kam es nun zum gemein­sa­men Auf­tritt: Die Kli­ma­ge­rech­tig­keits­be­we­gung sieht die Ver­bes­se­rung der Arbeits- bedin­gun­gen als Teil der Ver­kehrs­wen­de und soli­da­ri­sier­te sich mit dem Tarif­kampf der ÖPNV-Beschäf­tig­ten. Zusam­men wur­den zwei Ver­kehrs­wen­de­ta­ge bestrit­ten (14.8. und 18.9.2020). ÖPNV-Beschäf­tig­te nah­men am welt­wei­ten Kli­ma­ak­ti­ons­tag am 26.9.2020 teil. Die­se gegen­sei­ti­ge soli­da­ri­sche Unter­stüt­zung gilt es nun wei­ter zu ent­wi­ckeln. Sie nützt nicht nur den Beschäf­tig­ten im ÖPNV, son­dern auch dem Ziel der so not­wen­di­gen sozia­len- und öko­lo­gi­schen Ver­kehrs­wen­de. Die­se kann nur durch eine brei­te Mas­sen­be­we­gung erzwun­gen werden!

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Janu­ar 2021
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