Alle Räder stehen still …
U. D.
Die von der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und dem Deutschen Beamtenbund (dbb) organisierten Warnstreiks bei der Post AG und im Öffentlichen Dienst waren deutliche Signale der Kampfbereitschaft.
Besonders beeindruckend war die Stilllegung großer deutscher Flughäfen. Diese massiven Arbeitsniederlegungen waren die richtige Antwort auf die dreisten „Angebote“ der öffentlichen „Arbeitgeber“ und der Post AG. Diese liegen nämlich sehr deutlich unterhalb der offiziellen Teuerungsrate. Sie sind ein klares Zeichen dafür, dass die Reallöhne weiter gesenkt werden sollen, um die öffentlichen Kassen zu „entlasten“ bzw. die Rekord-Profite der Post AG noch mehr zu erhöhen. Die Inflationsausgleichsprämie von 3.000 Euro soll dabei wie in anderen Branchen als Beruhigungspille für die Beschäftigten dienen.
Dagegen fordern die Gewerkschaften und ihre Mitglieder zurecht einen Inflationsausgleich, der die Tarifentgelte steigert. Sie wollen sich nicht mit einer Inflationsausgleichsprämie zufriedengeben, sondern tabellenwirksam ihre Kaufkraft sichern.
Erpresserische Provokation
Die Führung der Post AG hat trotz höchster Profite gedroht, bei einem hohen Tarifabschluss Unternehmensteile auszugliedern. Diese offene Kampfansage soll die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften einschüchtern und zum Nachgeben zwingen. Dieser Erpressung muss in Wort und Tat entschieden entgegenge- treten werden.
Das Verhalten der Spitze der Post AG ist jedoch kein Einzelfall, sondern knallharter Alltag in zahllosen Unternehmen. Zum einen ist dies möglich, weil in den letzten Jahrzehnten das Unternehmens- und Arbeitsrecht zum Nachteil der Belegschaften verschlechtert wurde. Zum anderen, weil „sozialpartnerschaftlich“ orientierte Gewerkschaftsvorstände und Betriebsräte dagegen keinen gemeinsamen Kampf organisieren wollen.
Angriffe auf Streikrecht
Anlässlich der erfolgreichen Flughafenstreiks forderten die CDU-Mittelstandsvereinigung und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) eine weitere Einschränkung des Streikrechts.
Damit greifen sie direkt die arbeitende Klasse und deren Gewerkschaften insgesamt an. Unverblümt verfolgen diese Herrschaften eine knallharte kapitalistische Politik. Sie scheuen nicht davor zurück, für ihre Profitinteressen der weitere Demontage demokratischer Rechte das Wort zu reden. Währenddessen träumen manche Gewerkschaftsspitzen weiterhin von „Sozialpartnerschaft“, anstatt diese Angriffe ebenso entschlossen zurückzuweisen.
Branchenübergreifende Bedeutung
Die Tarifrunden im Öffentlichen Dienst und bei der Post AG haben über ihre Branchen hinaus eine politische Bedeutung.
Erstens folgen sie nicht der Tarifpolitik der Gewerkschaften IGBCE und IG Metall. Diese haben bewusst niedrige Tariferhöhungen vereinbart und mit der Inflationsausgleichsprämie geschönt. Damit haben sie massiven Kaufkraftverlust akzeptiert und dies als Erfolg einer „vernünftigen“ Tarifpolitik verkauft.
Zweitens werden die Beschäftigten nicht mit der „sozialpartnerschaftlichen“ Propaganda des Maßhaltens berieselt. Vielmehr werden die Forderungen mit den Interessen der Beschäftigten begründet und eine Tarifbewegung mit aktivierenden Aktionen und Streiks organisiert.
Drittens machen kämpferische Tarifrunden mit Diskussionen, Aktionen und Streiks die Kraft und die Notwendigkeit gewerkschaftlicher Klassenorganisation erfahrbar. Sie lassen Kampferfahrung entstehen und fördern das Klassenbewusstsein.
Kritische Solidarität von unten
Die Tarifrunden im Öffentlichen Dienst und bei der Post AG brauchen konkrete Solidarität. Zum Beispiel durch sichtbare Teilnahme an Tarifaktionen und vielfältige andere Solidaritätsbekundungen. Von besonderer Bedeutung ist es, Solidarität in und mit den „eigenen“ Gewerkschaften, Vertrauensleuten, Betriebsräten und Belegschaften zu organisieren.
Solidarität darf jedoch nicht zu blindem Vertrauen gegenüber den Gewerkschaftsspitzen führen. Schließlich wäre es nicht das erste Mal, dass diese im entscheidenden Moment zurückweichen.
Ein gutes Gegenmittel ist es, eigenständige Vernetzungen aktiver Gewerkschaftsmitglieder aufzubauen. Damit können die Dynamiken dieser Tarifrunden und die vorhandene Kampfbereitschaft genutzt werden, um das Vertrauen in die eigene Kraft noch mehr zu stärken und bessere Tarifabschlüsse als bisher durchzusetzen.